2016-11-06 10:51:00

„Gott hofft“: Papstmesse mit Häftlingen


Eine ungewöhnliche Heilig-Jahr-Feier: Papst Franziskus hat an diesem Sonntag eine Messe mit ungefähr tausend Häftlingen gefeiert. Sie kamen vor allem aus Italien, aber auch einige aus den USA, Mexiko und den Niederlanden. Aus Spanien waren 35 Gefängnisinsassen mit ihrem Seelsorger angereist. Etwa viertausend weitere Menschen waren bei der Messe mit dabei im Petersdom, vor allem Angehörige, Vollzugsbeamte und Engagierte.

Der Ton der Feier war nachdenklich-ernst. Vielen war die innere Ergriffenheit anzusehen. Es sang ein Gefangenenchor aus Bologna, das sogenannte Ensemble „Papageno“. Die Heilig-Jahr-Wallfahrt der Gefangenen war eine der letzten Initiativen des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit, das am 20. November enden wird.


Franziskus’ Predigt kreiste um das Thema Hoffnung. Sie sei „eine Gabe Gottes“ und „ins Innerste des Herzens eines jeden Menschen eingesenkt“. „Wir müssen die Wurzeln unserer Hoffnung immer fester werden lassen, damit sie Frucht bringen können. An erster Stelle gehört dazu die Gewissheit der Gegenwart Gottes und seines Mitleids trotz des Bösen, das wir getan haben. Es gibt keinen Ort unseres Herzens, der nicht von der Liebe Gottes erreicht werden könnte! Wo ein Mensch ist, der etwas falsch gemacht hat, da wird das Erbarmen des Vaters noch gegenwärtiger, um Reue, Vergebung und Versöhnung zu wecken.”

Gottes Barmherzigkeit lässt ihn nicht ruhig

Nach diesem Auftakt brachte der Papst dann das Stichwort Barmherzigkeit ins Spiel, das groß über diesem zu Ende gehenden Heiligen Jahr steht. Es lohne sich, „sich mit diesem Ausdruck der Liebe Gottes, der Barmherzigkeit, auseinanderzusetzen“. „Gewiss hat die fehlende Beachtung des Gesetzes die Verurteilung verdient; und der Freiheitsentzug ist die schwerste Strafform, die man abbüßt, da sie die Person in ihrem innersten Kern trifft. Und doch kann die Hoffnung nicht erlöschen! Denn es ist eine Sache, was wir für das getane Böse verdienen; eine andere Sache jedoch ist der „Atem“ der Hoffnung, der von nichts und niemandem erstickt werden kann.“

Hoffen wider alle Hoffnung, dieses zutiefst christliche Prinzip legte Franziskus seinen Zuhörern ans Herz. Er zitierte aus dem Römerbrief, in dem Paulus Gott als einen „Gott der Hoffnung“ anspricht (Röm 15,13). „Es ist, als wollte er uns sagen, dass auch Gott hofft; und wie paradox es auch scheinen mag, es ist genau so: Gott hofft! Seine Barmherzigkeit lässt ihn nicht ruhig. Er ist wie der Vater im Gleichnis, der immer auf die Rückkehr des Sohnes, der gefehlt hat, hofft (vgl. Lk 15,11-32). Es gibt für Gott weder Rast noch Ruhe, bis er nicht das verlorengegangene Schaf gefunden hat (vgl. Lk 15,5). Wenn nun Gott hofft, dann kann die Hoffnung niemandem genommen werden, denn sie ist die Kraft, um weiterzugehen; sie ist die Spannung auf die Zukunft hin, um das Leben zu verändern; sie ist ein Ansporn auf das Morgen hin, damit die Liebe, mit der wir trotz allem geliebt werden, zu einem neuen Weg werden kann…“

Die Hoffnung sei, so der Papst, „der innere Beweis für die Kraft des Erbarmens Gottes“. Gott ermuntere dazu, „nach vorne zu schauen und im Glauben den Reiz des Bösen und der Sünde zu besiegen.“

Wir sind alle Sünder – und oft sind wir auch Gefangene

„Liebe Strafgefangene, dieser Tag ist eure Jubiläumsfeier! Möge eure Hoffnung heute vor dem Herrn entflammt sein. Das Jubeljahr bringt seiner Natur nach die Verkündigung der Freiheit mit sich (vgl. Lev 25,39-46). Es hängt nicht von mir ab, sie gewähren zu können. Aber in einem jeden von euch den Wunsch nach der wahren Freiheit zu wecken, das ist eine Aufgabe, der die Kirche sich nicht entziehen kann.“

Es sei „scheinheilig“, in Häftlingen lediglich „Menschen zu sehen, die etwas falsch gemacht haben und für die der einzige Weg das Gefängnis ist“.„Man denkt nicht, dass eine Änderung des Lebens möglich ist, man hat wenig Vertrauen in die Rehabilitation. Auf diese Weise aber vergisst man, dass wir alle Sünder sind, und oft sind wir auch Gefangene, ohne dass wir uns dessen bewusst werden! Wenn man in seinen Vorurteilen eingeschlossen bleibt oder Sklave der Götzen eines falschen Wohlstands ist..., dann tut man in Wirklichkeit nichts anderes, als zwischen den engen Wänden der Zelle des Individualismus und der Selbstgenügsamkeit zu stehen und ist der Wahrheit beraubt, die Freiheit hervorbringt.“

Vor Gott könne sich schlechthin niemand für gerecht halten. Und gleichzeitig könne niemand leben ohne die Gewissheit, Vergebung zu finden. Noch im letzten Moment habe Jesus dem Verbrecher, der mit ihm zusammen gekreuzigt wurde, seine Aufnahme ins Paradies versprochen.

Nicht in der Vergangenheit einschließen

„Niemand von euch soll sich daher in die Vergangenheit einschließen! Gewiss, selbst wenn wir wollten, kann die vergangene Geschichte nicht neu geschrieben werden. Aber die Geschichte, die heute beginnt und auf die Zukunft blickt, ist noch ganz zu schreiben – und zwar mit Gottes Hilfe und in eurer persönlichen Verantwortung. Wenn man von den Fehlern der Vergangenheit lernt, dann kann man ein neues Kapitel des Lebens aufschlagen.“

Aus welchem Grund auch immer sie, die Häftlinge, verurteilt worden seien, ob wegen „einer kleinen oder großen Sache“ – alles könne von Gott vergeben werden. Man müsse sich einfach nur seinem Erbarmen anvertrauen, so Franziskus. „Nur die Kraft Gottes, die Barmherzigkeit, kann gewisse Wunden heilen. Und wo man auf Gewalt mit Vergebung antwortet, dort kann auch das Herz, das etwas falsch gemacht hat, von der Liebe, die jede Form des Bösen besiegt, überwältigt werden. Und so erweckt Gott zwischen Opfern und Tätern echte Zeugen der Barmherzigkeit, die nach ihr handeln.“

Franziskus besuchte seit seinem Amtsantritt immer wieder Haftanstalten und warb für die gesellschaftliche Integration von Straffälligen. Bei der Messe im Petersdom benutzte er einen Kreuzstab aus Olivenholz, den eine Resozialisierungseinrichtung in San Remo vor zwei Jahren für ihn gefertigt hatte. Der Papst ist ein erklärter Gegner der Todesstrafe.

(rv 06.11.2016 sk)








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