2016-11-04 11:48:00

Österreich: „Zu wenig Bioethik-Experten“


Einen stärkeren politischen und wissenschaftlichen Fokus auf bioethische Themen und Fragen wünscht sich der Moraltheologe Günter Virt. Österreich sei „ein kleines Land mit relativ wenigen Expertinnen und Experten“. In den Expertengremien bis hin zum Bundeskanzleramt würden meist nur Dinge wiederholt, „die längst im Ausland schon gesagt wurden“. Dass die politischen Einflüsse in Österreich größer und intransparenter als z.B. in Deutschland sind, sei auch bekannt. Es gebe zu wenige Ethikerinnen und Ethiker in den Ethikkommissionen, die Ausgewogenheit z.B. der Zusammensetzung nach Fächern und Regionen lasse zu wünschen übrig. Virt äußert sich in der aktuellen Ausgabe der Publikation „info-dienst bio-ethik“, die von der Aktion Leben herausgegeben wird.

Eine der großen ethischen Fragen für Prof. Virt: „Wofür werden die Technologien gemacht: für Therapien oder für Enhancement, also die Veränderung des Menschen nach bestimmten Vorstellungen, geleitet vom Streben nach dem perfekten Menschen?“ Die Ambivalenz nehme mit den neuen Technologien zu; die Therapiemöglichkeiten, die Gefahrenmomente und eben auch die Missbrauchsmomente würden steigen.

Als Beispiel verwies der Moraltheologe u.a. auf die neue Technik der Genschere CRISPR-Cas9, mit der man Genabschnitte einfacher, präziser und vermutlich auch billiger und nachhaltiger herausschneiden, einfügen bzw. neu zusammenfügen kann. „Wenn damit Menschen von Krankheiten sicher geheilt werden können, ist das ethisch zu begrüßen“, so Virt wörtlich. Vollends problematisch werde es aber, wenn damit Eingriffe in die Keimbahn näher rücken. Dadurch würden Menschen in ihrem Erbgut so verändert, dass sie diese Veränderung an alle künftigen Generationen weitergeben.

Virt zur Problematik: „Die einen sagen: Wenn man damit eine Erbkrankheit ausrotten könnte - was momentan noch eine Illusion ist - sollte das rechtlich möglich sein. Andererseits bedeutet es immer eine biologische Nötigung für alle künftigen Generationen. Darf man das? Wenn man Menschen dieser Nötigung aussetzt, wäre das eine enorme Herausforderung an unser Menschenverständnis unter Achtung der Würde des Menschen um seiner selbst willen. Wir sind gegen alle möglichen Formen der Nötigung - und hier wird die intensivste, die biologische Nötigung diskutiert.“

Der langjährige Berater der EU-Kommission in bioethischen Fragen verwies in diesem Zusammenhang auf das 1997 vom Europarat verabschiedete Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin (Biomedizinkonvention). Dort heißt es in Artikel 13: „Eine Intervention, die auf eine Veränderung des menschlichen Genoms gerichtet ist, darf nur zu präventiven, diagnostischen und therapeutischen Zwecken vorgenommen werden, sofern sie nicht darauf abzielt, eine Veränderung des Genoms von Nachkommen herbeizuführen.“ Virt: „Damit hätten wir 1997 eine klare Weisung gegen gezielte Eingriffe in die menschliche Keimbahn, die jetzt wieder diskutiert wird mit den neuen Möglichkeiten.“

(kap 04.11.2016 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.