2016-11-03 13:02:00

Flüchtlingskrise: McAllister würdigt Vatikan-Impulse


Der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen, David McAllister, war an diesem Donnerstag zu Gesprächen im Vatikan. Im Staatssekretariat unterhielt sich der CDU-Politiker, der auch Abgeordneter im Europäischen Parlament ist, mit dem vatikanischen „Vize-Außenminister“ Antoine Camilleri über die Flüchtlingskrise in Europa. „Ich wollte vor allem von ihm wissen, wie der Heilige Stuhl die Flüchtlingspolitik beobachtet und welche Empfehlungen wir bekommen, um diese große Herausforderung zu bewältigen. Wir waren uns vor allem einig, dass die Afrikapolitik nicht nur in unserem Interesse, sondern auch im Interesse der Menschen in Afrika in den nächsten Jahren eine besondere Rolle spielen wird.“

McAllister war von 2010 bis -13 niedersächsischer Ministerpräsident; er ist Vizepräsident der Europäischen Volkspartei, gehört zum Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten im Europaparlament und bleibt eine der aufstrebenden Hoffnungen der deutschen CDU. In Rom führt er zwei Tage lang politische Gespräche – nicht nur im Vatikan, aber eben auch.

„Eindrucksvoll fand ich den Hinweis, dass die katholische Kirche großen Wert darauf legt, dass wir nicht über die reinen Zahlen und Nummern von Menschen sprechen, sondern dass hinter jedem Schicksal eines Flüchtlings oder Migranten ein ganz individuelles Schicksal steht. Und dass jeder Mensch bei uns in Europa Anspruch auf eine vernünftige, menschenwürdige, humanitäre Behandlung hat.“

„Nicht richtig, dass einige Staaten mehr Verantwortung übernehmen als andere“

Die katholische Kirche habe in den letzten Monaten „immer wieder wichtige Hinweise in die Debatte gegeben“, so der Protestant Mc Allister. Im Gespräch mit Radio Vatikan zählte er einige dieser Punkte auf: „Dass die EU ein Kontinent der Humanität ist. Dass wir eine besondere humanitäre Verantwortung haben, und dass europäische Werte auch daran gemessen werden, wie wir mit anderen Menschen umgehen. Dass die Geschichte Europas, ja die ganze Menschheitsgeschichte, immer eine Geschichte von Migrationsbewegungen war. Und dass wir ganz unabhängig von der Hauptfarbe, der Herkunft, des Geschlechts und auch der religiösen Orientierung jeden Menschen mit Respekt und Anstand behandeln sollten.“

Europa habe in dieser Hinsicht in den letzten Jahren „wirklich viel geleistet“, glaubt der CDU-Politiker. „Aber natürlich sind auch unsere Möglichkeiten auf Dauer endlich. Ich werbe sehr dafür, dass wir in der EU solidarischer mit dieser Situation umgehen. Es kann auf Dauer nicht richtig sein, dass einige wenige Staaten sehr viel mehr Verantwortung übernehmen als andere, die noch etwas leisten könnten! ... Gut fand ich auch den Hinweis: Mauern bauen oder Zäune errichten ist keine Lösung. Das war ja auch immer der deutsche Ansatz…“

Die Ursachen der Migrationsbewegungen müssten „vor Ort gelöst werden“; die EU solle in den nächsten Jahren „sehr viel mehr tun, um für Frieden, Freiheit und ökonomisches Wohlergehen in den Herkunftsstaaten zu sorgen“. Fluchtursachen bekämpfe man nun mal „am besten vor Ort“. Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Mali und Niger hat nach MacAllisters Dafürhalten „gezeigt, dass Europa in der Afrikapolitik einen ganz neuen Ansatz verfolgen muss“.

„Das Asylrecht kennt keine Obergrenze“

„Aber diejenigen, die sich auf den weiten Weg nach Europa gemacht haben und einen Grund haben hierzubleiben; die Angst um Leib und Leben haben; die politisch und religiös verfolgt werden – da haben wir aus meiner Sicht eine humanitäre, ja christliche Verpflichtung, diesen Menschen auch zu helfen. Das Asylrecht kennt eben keine Obergrenze, sondern es ist ein individuelles Recht…“

Wirtschaftsflüchtlingen allerdings müsse man „deutlich machen, dass das deutsche oder europäische Asylrecht nicht der Weg für eine legale Migration nach Europa“ sei. „Es gibt andere Wege, die muss man nutzen. Wir werden auf Dauer die Akzeptanz des politischen Asylrechts nur aufrechterhalten können, wenn wir eben auch klar unterscheiden zwischen denen, die bleiben dürfen, und denjenigen, die nicht bleiben können. Und die müssen dann auch konsequent zurückgeführt werden!“

Mac Allister verteidigte das Flüchtlingsabkommen, das die EU mit der Türkei abgeschlossen hat und das von vielen humanitären Gruppen, darunter auch der internationalen Caritas, scharf kritisiert wird. Ein Blick auf die Landkarte zeige nun mal, dass die Türkei „eine zentrale Rolle bei den Migrationsbewegungen“ spiele.

EU-Türkei-Deal: „Geschäftsmodell der Schlepper ist zerstört worden“

 „Niemand hat sich die Türkei als Partner ausgesucht, aber die Geographie gibt hier eine eindeutige Antwort! Ich kenne die Kritik am Abkommen, ich kann auch die Kritik aus den Reihen von Teilen der katholischen Kirche nachvollziehen. Auf der anderen Seite war das Abkommen EU-Türkei ein konsequenter Schritt, um das Geschäftsmodell der Schleuser kaputtzumachen! Wir haben zum ersten Mal die böse Logik der Schleuser und Schlepper durchbrochen, dass, wenn man Menschen in ein Boot setzt, mit ihrem Leben spielt und auf so eine gefährliche Seereise setzt – dass man darauf hofft, dass sie gerettet und in die EU gebracht werden. Das Geschäftsmodell der Schlepper ist zerstört worden.“

Außerdem sprächen auch die Zahlen „eine eindeutige Sprache“: Immer weniger Migranten kämen seit dem Abschluss des Abkommens über die Türkei in die EU. Er könne sich, ebenso wie Merkel, analoge Abkommen auch mit nordafrikanischen Ländern vorstellen: „Mit Ägypten, Tunesien, möglicherweise eines Tages auch mit Libyen. Ich glaube, das ist der richtige Weg! Ich weiß, dass das teilweise kritisch gesehen wird, doch ich halte das für einen sinnvollen, richtigen Weg.“

„Unendlich traurig über Brexit“

Auf das Thema Brexit sei er im Vatikan nicht angesprochen worden, so der Politiker, der seit seiner Geburt auch die britische Staatsangehörigkeit hat. Er halte den Brexit für „die größte Herausforderung für die EU“ und sei „unendlich traurig“ über das Ergebnis der Volksabstimmung vom 23. Juni, doch sei diese demokratische Entscheidung nun einmal zu respektieren.

„Das wird nicht einfach – da machen wir uns mal nichts vor… Meine Auffassung ist: Es geht jetzt nicht darum, die Briten in irgendeiner Weise zu bestrafen. Sie bleiben ja unsere Partner, Freunde und Nachbarn! Es muss allerdings auch klar sein: Wir in der EU haben bestimmte Regeln, und da kann man mitmachen oder nicht… Also, es hängt jetzt sehr davon ab, was die britische Regierung eigentlich will.“

Der vatikanische „Außenminister“, der britische Erzbischof Paul Richard Gallagher, hatte sich vor dem Referendum unmißverständlich für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union eingesetzt. Doch unmittelbar nach dem Referendum mit seinem Sieg des „No“ forderte der Papst vor Journalisten dazu auf, dass das Resultat respektiert werden müsse.

„Vor dem Referendum fand ich es sehr mutig, dass es nicht nur aus den Reihen der katholischen, sondern beispielsweise auch der anglikanischen Kirche klare Empfehlungen gab, für „Remain“ zu stimmen… Auch ich habe mich leidenschaftlich für „Remain“ eingesetzt, aber ich würde das genauso formulieren wie Papst Franziskus: dass eben am 23. Juni eine demokratische Entscheidung getroffen wurde. Ich halte sie für einen schwerwiegenden Fehler – aber so ist Demokratie.“

Natürlich könne man lange darüber diskutieren, ob es richtig gewesen sei, eine Volksabstimmung anzusetzen, aber das sei jetzt „spilled milk“, also verschüttete Milch. „Ich glaube, manche in London würden manches anders machen, wenn sie geahnt hätten, was da auf sie zukommt…“

(rv 03.11.2016 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.