2016-11-01 09:00:00

„Spaß, katholisch zu sein“: Kirche im Missionsland Schweden


Stockholm, die katholische Kirche Sankt Eugenia, mitten im Zentrum, ein gewöhnlicher Werktagsgottesdienst mit gar nicht so wenigen Mitfeiernden. Die Kirche ist neu, noch hinter einer Hauswand versteckt. Als sie vor 30 Jahren gebaut wurde, durfte sie noch nicht wie eine Kirche aussehen.

Heute braucht sie sich nicht mehr zu verstecken, im Gegenteil. „Es macht Spaß, Katholik zu sein“, sagt Pater Philip Geister, Jesuit und Mitarbeiter im Newmaninstitut, der katholischen Hochschule im Land. „Spaß, weil die Aufgabe der katholischen Kirche in der Gesellschaft recht deutlich ist. Es geht um Glaubensvermittlung, es geht um die Vermittlung von Werten in ethischen Fragen. Die Menschen nehmen die katholische Kirche ernst, und das macht es auch zu einer Freude, hier Katholik zu sein.“

Die Herausforderung besteht vor allem darin, in einer der säkularisiertesten Gesellschaften Europas zu leben. Das macht sich in zwei Dimensionen bemerkbar, sagt Pater Dominik Terstriep, der Pfarrer von Sankt Eugenia. „Die gesellschaftliche Herausforderung besteht darin, dass viele Menschen nach Schweden kommen, die eine religiöse Geschichte haben und die Religion in neuer Weise auf die Tagesordnung bringen. Da fehlt den meisten Schweden das Instrumentarium, das überhaupt zu verstehen oder überhaupt darüber zu sprechen, weil die religiöse Sprache vielfach verschwunden ist.“

Die religiöse Sprache ist verschwunden

Was die gesamte Gesellschaft Schwedens prägt, gelte in ähnlicher Weise auch für den und die Einzelne, berichtet Terstriep, „die persönliche Herausforderung besteht darin, dass die Menschen - was existenzielle Fragen angeht - keine Mittel haben, sie auszudrücken. Wie kann ich sprechen über Tod und Leben und das, was mich erschüttert?“ Da fehle das Vokabular, was Religion bereit halte.

Schweden kenne ein wachsendes Interesse an Religionen, aber so einfach ändere sich die Situation nicht. „Man kann die Mentalität eines Landes nicht so einfach ändern“, sagt Pater Terstriep. „Aber das Thema religiöse Sprache gibt es. Die starken Äußerungen etwa des Papstes sind da für viele Leute ein Ansporn. Man muss das wie eine Sprache neu erlernen, Vokabeln lernen, Grammatik lernen, alles in Begegnung mit anderen, die diese ‚Sprache‘ sprechen.“ Weil die Kirche ein geistlichen Profil anbiete und eine Gemeinschaft, welche ihren Glauben ernst nehme, sei sie attraktiv für viele Schweden, so Terstriep.

Es gebe aber auch Punkte, in denen Kirche und schwedische Gesellschaft sich fremd blieben, die Frage nach der kirchlichen Hierarchie etwa, damit täten Schweden sich schwer, auch absolute Glaubensaussagen seien schwer zu vermitteln.

Interesse an der Kirche und am Glauben

Auf der anderen Seite gibt es viele Übereinstimmungen mit der Kirche und ganz besonders Papst Franziskus, berichtet der Pfarrer. Das betreffe nicht nur einzelne Interessierte „sondern große Teile der Gesellschaft, weil man den Papst in vielen Fragen als Verbündeten betrachtet. In Fragen des Umweltschutzes und Fragen der Einwanderung sieht man diesen Papst als Verbündeten.“ Das heiße vielleicht nicht, dass er im Parlament bei Debatten zitiert werde, aber die Öffentlichkeit nehme sehr wohl wahr, was Papst Franziskus sage. Das gelte besonders für die Symbolhandlungen wie die Besuche auf Lesbos oder Lampedusa.

Das Ganze ergibt ein vielschichtiges Bild, fehlende religiöse Sprache, starke Säkularisierung, aber gleichzeitig auch Interesse und Anknüpfungspunkte für die katholische Kirche in Schweden. Pater Philip Geister vom Newmaninstitut betont vor allem letztere als prägend. „Es gibt viele Werte in der schwedischen Gesellschaft wie etwa Naturliebe und Solidarität und Verantwortungsübernahme für den anderen, wo wir vom Glaubenshintergrund her anknüpfen können.“

Auch die Kirche muss lernen

Das gilt vielleicht besonders für einen Charakterzug, der Schweden besonders nachgesagt wird, den Individualismus. Auch da gebe es die Möglichkeit einer Inkulturation des Glaubens, sagt Pater Geister, nämlich „dass es eine persönliche Berufung Gottes für mein Leben gibt, und dass mich diese Berufung in die Gemeinschaft der Kirche hineinführt. Individualismus und Glauben schließen sich nicht aus. Ich glaube nicht, dass sich Individualismus und Kirche notwendigerweise ausschließen.“ Was aber nicht bedeutet, dass sich nur die schwedische Gesellschaft ändern muss, auch Kirche müsse unter den sich ändernden Voraussetzungen, angesichts ihrer wachsenden Attraktivität und der fehlenden religiösen Sprache, ihren Auftrag neu verstehen. „Es ist eine Situation, wie wir als Kirche ganz von vorn lernen müssen, wie wir über Fragen des Glaubens, über Jesus Christus und über Kirche sprechen, dass die Leute es neu hören und verstehen können. In dem Sinn sind wir auf jeden Fall ein Missionsland.“

(rv 01.11.2016 ord)








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