2016-10-31 14:56:00

Ökumenisches Event in Malmö: „Ein neuer Anfang“


Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Das ist auch im ökumenischen Bereich so. Erst der ernste, gemeinsame Gottesdienst in Lund, dann – viel bunter, viel vergnügter, wenn auch nicht ganz ohne ernste Momente – ein Event in der Malmö Arena. Wohlgemerkt: keine Kathedrale, sondern ein Sport- und Konzertzentrum war der Schauplatz, etwa 30 km von Lund entfernt. Papst Franziskus und die Spitzenvertreter des Lutherischen Weltbundes reisten zusammen in einem Minibus an.

10.000 Menschen fasst die Malmö-Arena: Nicht nur so ein ökumenisches Gebet wie in Lund, sondern auch so ein Ökumene-Event wie in der Arena, mit einem konfessionell bunt gemischten Publikum, hat es, zumindest auf diesem hochrangigen Level, noch nie gegeben. Katholiken und Lutheraner bezeugen gemeinsam Gottes Barmherzigkeit und arbeiten zusammen zum Wohl der geplagten Menschheit, das war der rote Faden von Malmö.

Bei aller Ausgelassenheit aber gab es doch auch eindringliche Momente. Eine 26-Jährige aus Indien berichtete in einer kurzen Ansprache von katastrophalen Überschwemmungen in ihrer Heimat in den letzten Jahren; sie bat die Kirchen deswegen, sich stärker für Klimaschutz zu engagieren. Ein Caritas-Vertreter aus Kolumbien erzählte vom stockenden Friedensprozess und dem unvorstellbaren Leid, das fast ein halbes Jahrhundert des Bürgerkriegs über die Menschen in Kolumbien gebracht habe.

Auch eine 23-jährige Südsudanesin kam zu Wort, die jetzt als Flüchtling in Kenia lebt und die unlängst bei den Olympischen Spielen von Rio zum Flüchtlingsteam gehörte: Es sei „nicht genug, wenn ein Flüchtling etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf“ bekomme. „Wir sind Menschen, wir brauchen die Chance zu lernen und zu wachsen und zu leben, statt einfach nur zu überleben.“ Und der chaldäische Bischof von Aleppo, Antoine Audo, gab einen erschütternden Einblick in das Leiden der eingekesselten, syrischen Millionenstadt.

„Wir Katholiken und Lutheraner sind herausgefordert, im Heiligen Geist voranzugehen“, sagte der palästinensische lutherische Bischof Munib Younan, Präsident des Lutherischen Weltbundes. „Diese Begegnung heute ist nicht das Ende unseres Dialogs, sondern ein neuer Anfang! Ich vertraue darauf, dass wir nicht nur im theologischen Dialog vorankommen, sondern auch im praktischen Zeugnis und im prophetischen Tun der Liebe.“ Er kündigte an, dass das Hilfswerk des Lutherischen Weltbunds künftig sehr viel enger mit der katholischen Caritas zusammenarbeiten will. Beide Seiten unterzeichneten dazu in der Arena eine Absichtserklärung, die die „Ökumene der Taten“ etwa beim Einsatz für Flüchtlinge oder nach Naturkatastrophen sichtbar machen soll.

„Ich danke Gott für dieses gemeinsame Gedenken des fünfhundertsten Jahrestags der Reformation“, sagte Papst Franziskus in seiner Ansprache. Und er betonte „eine erneuerte Mentalität“ und das „Bewusstsein, dass die Einheit unter den Christen eine Priorität ist“. Dann ging er schnell über ins Konkrete und kam zu den Anliegen, die seine Vorredner u.a. aus Indien oder Kolumbien angesprochen hatten. „Prälat Héctor Fabio Henao hat uns über die gemeinsame Arbeit informiert, die Katholiken und Lutheraner in Kolumbien vollbringen. Es ist eine gute Nachricht, zu erfahren, dass die Christen sich zusammentun, um gemeinnützige kommunale und soziale Prozesse ins Leben zu rufen. Ich bitte euch um ein besonderes Gebet für dieses wunderbare Land, damit unter Mitwirkung aller endlich der so ersehnte und für ein würdiges menschliches Zusammenleben so notwendige Friede erreicht werden kann!“

„Ein wirklich bewegendes Zeugnis“ nannte der Papst die kleine Ansprache der Südsudanesin Rose von der Olympia-Flüchtlingsmannschaft. „Während ich deine Geschichte anhörte, kam mir das Leben vieler Jugendlicher in den Sinn, die Zeugnisse wie das deine brauchen. Ich würde gerne daran erinnern, dass alle diesen wunderbaren Umstand, Kinder Gottes zu sein, und das Privileg, von ihm gewollt und geliebt zu sein, entdecken können.“

Franziskus dankte „allen Regierungen, die Flüchtlingen, Vertriebenen und Asylsuchenden helfen“: Alle Taten zugunsten dieser Schutzbedürftigen seien „eine wichtige Geste der Solidarität und der Anerkennung ihrer Würde“. „Für uns Christen ist es eine Priorität, den Ausgeschlossenen und an den Rand Gedrängten unserer Welt entgegenzugehen und die Zärtlichkeit und die barmherzige Liebe Gottes, der niemanden ausschließt, sondern alle aufnimmt, spürbar zu machen.“

Auch auf das Leiden von Aleppo ging der Papst ein: In der „ausgezehrten Stadt“, so seine Formulierung, würden „sogar die grundlegendsten Rechte missachtet und mit Füßen getreten“.

„Die Nachrichten sprechen uns täglich von dem unbeschreiblichen Leiden, das durch den syrischen Konflikt verursacht wird, der schon über fünf Jahre andauert. Inmitten von so viel Zerstörung ist es wirklich heldenhaft, dass dort Männer und Frauen ausharren, um Notleidenden materiellen und geistlichen Beistand zu bieten. Es ist auch bewundernswert, dass du, lieber Bruder, inmitten so vieler Gefahren weiterarbeitest, um uns von der dramatischen Situation der Syrer zu berichten. Jeder Einzelne von ihnen hat einen Platz in unserem Herzen und in unserem Gebet. Lasst uns die Gnade der Bekehrung der Herzen derer erflehen, die für die Belange jener Region die Verantwortung tragen!“

Er spreche nicht von den „Widrigkeiten“ der heutigen Zeit, um sich davon „niederdrücken“ zu lassen, fuhr der Papst fort. „Mögen diese Geschichten uns motivieren und uns neuen Antrieb geben, immer mehr vereint zu arbeiten. Wenn wir nach Hause zurückkehren, lasst uns das Engagement mitnehmen, jeden Tag eine Geste des Friedens und der Versöhnung zu vollbringen, um mutige und ehrliche Zeugen der christlichen Hoffnung zu sein!“

Von Luther war da auf einmal nicht mehr die Rede. Stattdessen vom gemeinsamen Handeln – dem, was Franziskus gern „die Ökumene der Tat“ nennt. Der Segen, den der Papst und der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes Junge gemeinsam erteilten, war darum auch nur zur Hälfte ein Segen. Die andere Hälfte hieß: Sendung zu einer gemeinsamen Mission.

(rv 31.10.2016 sk)








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