2016-10-31 16:01:00

Malmö: Zeugnisse für Frieden und ökumenischen Einsatz


Der Kampf gegen den Klimawandel, der Einsatz für Versöhnung in Kolumbien, die Hilfe für Bürgerkriegswaisen in Burundi und die Notwendigkeit, Flüchtlingen ein menschwürdiges Leben und Perspektiven zu ermöglichen: Das waren die Kernaussagen der vier Zeugnisse, die an diesem Montag in der Malmö-Arena vorgetragen worden sind.

Der Kampf gegen den Klimawandel

Da ist Pranita, die junge indische Klimaforscherin, die die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels, der Überschwemmungen und Hitzewellen mit sich bringt, in ihrer Heimatprovinz am eigenen Leib erlebt hat. Der Wirbelsturm Phailin hatte im Jahr 2013 zu schrecklichen Überschwemmungen geführt, Tausende von Menschen wurden obdachlos und verloren in den Wassermassen alles. Viele von denen, die derartige Katastrophen überleben, so das bedrückende Zeugnis der jungen Inderin, sehen keinen anderen Ausweg als den Selbstmord – oft seien es Männer, die die Schmach, die Familien nicht mehr ernähren zu können, nicht ertrügen und ihre Frauen mit der Versorgung der Kinder und der Rückzahlung von Schuldenbergen alleine ließen. „Das ist die Ungerechtigkeit im Herzen des Problems: dass diejenigen, die am wenigsten für die globale Klimabilanz verantwortlich sind, diejenigen sind, die am meisten darunter leiden“, so das bittere Fazit von Pranita.

Stockender Friedensprozess in Kolumbien

Der schwierige Friedensprozess in Kolumbien zwischen Regierung und Rebellen der FARC sowie anderen Guerillatruppen stand im Zentrum des Zeugnisses des lokalen Caritasdirektors Bischof Héctor Fabio Henao Gaviria. Trotz seiner vorteilhaften Lage in Südamerika und seiner reichen kulturellen Tradition sei Kolumbien seit mehr als 50 Jahren in einem Strudel der Gewalt versunken. Caritas und die kolumbianische Bischofskonferenz seien insbesondere seit den frühen 90er Jahren unermüdlich dafür aktiv, den Stimmen der Opfer von Gewalt und Vertreibung Gehör zu verschaffen und einen Friedensprozess einzuleiten, der auf Versöhnung und Dialog beruhe. Im Grenzgebiet zu Venezuela käme noch ein Problem hinzu: Das Gebiet sei eine der meist verminten Gegenden der Welt. „Hier waren wir in der Lage, unsere Kräfte mit denen des Lutherischen Weltbundes zu bündeln, um auf den Hilferuf der Gemeinschaften nach Schutz zu antworten.“ Ein Minenopfer, das überlebt habe, hätte ihm gesagt: „Caritas und der Lutherische Weltbund waren unsere rechte Hand bei sozialen und komunalen Prozessen; sie waren die treibende Kraft, die die Vereinigung der Überlebenden von Personenminen ins Leben gerufen haben.“

Dem Hass keine Chance geben

Als Drittes kam Marguerite aus Burundi zu Wort. Bei Ausbruch des ethnisch motivierten Bürgerkrieges von 1993 nahm sie sieben Waisenkinder bei sich auf; dazu kamen bald weitere 25 dazu, deren Eltern dem Völkermord zum Opfer gefallen waren. Sie versteckte die Kinder bei sich und versuchte, ihnen eine Perspektive und Vertrauen in die Zukunft zu geben. „Wir haben dem hasserfüllten Brudermord eine Absage erteilt, um Mitgefühl Platz zu schaffen. Wir haben das Schicksal abgelehnt, um Kreativität zu schaffen.“ Nach wiederholten Morddrohungen sei sie gezwungen gewesen, mit ihrer Einrichtung in Ruanda Zuflucht zu suchen, doch die Tausenden von Kindern, denen sie und ihr Team (das teils aus den ersten Waisenkindern, die sie aufgenommen hatte, besteht) mittlerweile geholfen hätten, seien nun die Hoffnung für eine neue Generation, die die Gewaltspirale durchbrechen könne.

Sport und Bildung: Perspektiven für Flüchtlinge

Auch eine 23-jährige Südsudanesin kam zu Wort. Sie lebt jetzt als Flüchtling in Kenia und gehörte unlängst bei den Olympischen Spielen von Rio zum Flüchtlingsteam: Es sei „nicht genug, wenn ein Flüchtling etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf“ bekomme. Es sei der Lutherische Weltbund gewesen, der gemeinsam mit katholischen Einrichtungen im kenianischen Kakuma, wo Rose Zuflucht gefunden hatte, Bildungs- und Sportangebote geschaffen hatte. Der Sport habe ihr wie auch zahlreichen anderen Flüchtlingen eine Perspektive gegeben. Im Don-Bosco-Center habe sie nach dem Highschool-Abschluss weitere Bildungsmaßnahmen wahrnehmen können. „Wir sind Menschen, wir brauchen die Chance zu lernen und zu wachsen und zu leben, statt einfach nur zu überleben.“

Gemeinsam war allen Zeugnissen, trotz ihrer unterschiedlichen Hintergründe, vor allem eines: der Appell an die Internationale Gemeinschaft und an die Kirchen, ihren Einsatz für Frieden und das „gemeinsame Haus" weiter zu treiben und zu verstärken. 

Bischof Younan: Zeugnisse haben mich bis ins Herz getroffen

„Religiöser Einsatz kann zu friedlicher Versöhnung führen anstatt zu immer neuen Konflikten in unserer bereits stark aufgewühlten Welt beizutragen.“ Diese Nachricht sende das historische ökumenische Treffen des heutigen Tages an alle Welt, so der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib A. Younan, in seinem Grußwort beim ökumenischen Treffen in der Malmö-Arena an diesem Montag. In seinem Statement reagierte er auch auf die eben gehörten Zeugnisse und betonte, sie hätten ihn „bis ins Herz getroffen“. Er danke Pranita dafür, dass sie die Weltöffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht habe, dass der Klimawandel ein Problem aller sei. Es betreffe aber vor allem die verwundbarsten Glieder der Gesellschaft, so Younan. Die Sorge für den Planeten sei eine „Frage der Gerechtigkeit für Gottes Schöpfung“, man dürfe angesichts seiner Verwundung nicht still schweigen. „Die Welt gehört niemandem von uns, und erst recht nicht den Corporations und Regierungen.“

Er würdigte den gemeinsamen und seit Jahren andauernden ökumenischen Einsatz für Frieden in Kolumbien und appellierte an das kolumbianische Volk: „Gebt dem Frieden eine Chance! Gebt eurem Volk die Chance, in Würden und mit Gerechtigkeit zu leben. Lasst nicht zu, dass Waffen und ihre gierigen Händler euer Leben ruinieren.“ Auch diese Konflikte träfen vor allem die unbeteiligten und am meisten verwundbaren Menschen, die an sich nichts anderes im Sinn hätten als in Frieden zu leben.

Mit Blick auf die Zeugnisse von Rose und Marguerite betonte Bischof Younan, wie hoch der Preis sei, den vor allem Kinder in Zeiten von Krieg und Vertreibung zu zahlen hätten. Er selbst sei ein palästinensischer Flüchtling, erinnerte Younan an seine eigene Geschichte. Es sei die Kirche gewesen, die ihn und seine Eltern willkommen geheißen und durch Bildung und spirituelle Fürsorge zu Gerechtigkeit erzogen habe. Wir sind dazu verpflichtet, allen Flüchtlingen sowie Menschen, die in Armut leben, Bildung und Teilhabe zu ermöglichen, damit sie zurückkehren und ihre eigenen Gemeinschaften und Staaten damit aufbauen können.“

Blutzoll der Christen im Nahen Osten

Besonders gedachte er der Christen im Nahen Osten, die gemeinsam mit ihren Glaubensgeschwistern in Sudan, Südsudan, Nigeria, Pakistan und Bangladesch, wahre Vorbilder für das christliche Martyrium in unserer Welt seien. Die Kirchen seien dazu aufgerufen, „mit einer Stimme“ zu sprechen, gemeinsam mit allen Menschen guten Willens, um „eine Symphonie der Gerechtigkeit zu bilden, die all diejenigen stört, die Unterdrückung fördern.“

Von einem friedlichen Zusammenleben der drei großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam sowie von Palästinensern und Israelis in Jerusalem könnte sich, so zeigte sich Bischof Younan zuversichtlich, der Frieden über den gesamten Nahen Osten und bis an die „Ränder unserer Welt“ ausbreiten. „Diese Begegnung heute ist nicht das Ende unseres Dialogs, sondern ein neuer Anfang! Ich vertraue darauf, dass wir nicht nur im theologischen Dialog vorankommen, sondern auch im praktischen Zeugnis, im Zeugnis des Blutes und im prophetischen Tun der Liebe.“

(rv 31.10.2016 cs)








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