Wenn Norbert Hofer seinen Kampagnen-Spruch „So wahr mir Gott helfe” ernst meinen würde, müsste er seine Politik ändern: Diese logische Konsequenz zieht der Wiener Dogmatiker Heiner Tück als Antwort auf die FPÖ-Kampagne zur Bundespräsidentschaftswahl. „Wenn der Christ Hofer die christliche Semantik Gottes stark machen würde, dann müsste er eigene parteipolitische Positionen revidieren, weil vom biblischen Kontext her Gott nicht nur der Gott aller Menschen ist, sondern weil hier eben auch die Armen, Schwachen, Ausgebeuteten, Marginalisierten und auch Migranten heute eine besondere Aufmerksamkeit verdienen und entsprechendes politisches Handeln dann auch gefordert wird“, so Tück gegenüber der Agentur Kathpress. Auch andere Vertreter christlicher Kirchen hatten die Kampagne deutlich kritisiert.
Die Kampagne, die die Gelöbnisformel „So wahr mir Gott helfe“ als Slogan ins Feld führt, sei „nicht so unschuldig, wie sie daherkommt“, so Tück. Der Gottesbegriff werde hier nicht nur in der Situation der Amtsübernahme ins Feld geführt, sondern diene aus parteipolitischem Kalkül dazu, sich gegen den Gegenkandidaten als bekennender Christ in Stellung zu bringen.
Wahlkampf-Coup
Doch gerade die Stimmen unentschlossener Wähler könnte dieser Verweis auf das christliche Weltbild Hofers – im Gegensatz zum bekennenden Agnostiker Van der Bellen – zur Wahl für den FPÖ-Kandidaten bewegen. Insbesondere die liberale Position, die Van der Bellen bei der strittigen Abtreibungsfrage zugeschrieben wird, könnte hier die Waagschale für Hofer zum Ausschlagen bringen. Unstrittig sei allerdings der wahlkampfstrategische Coup, der der FPÖ hier gelungen sei, denn die Plakataktion habe enorme Aufmerksamkeit erhalten. Sie fordere damit aber auch eine „politisch sensibilisierte Theologie“ heraus, so Tück. Vorsicht sei geboten beim Versuch, Gott zu instrumentalisieren.
Gott stehe theologisch gesehen für Entgrenzung, erklärt Tück. Damit fordere es Widerspruch heraus, wenn die FPÖ, deren Politik auf Abgrenzung und Exklusivismus aufbaue, den Gottesbegriff als Alleinstellungsmerkmal für sich in Anspruch nehmen wolle. „Auch die Grundlagen Europas sind ja maßgeblich von katholischen Politikern wie Adenauer, De Gasperi, Schumann gelegt worden, die nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges gerade nicht ein Europa der ethnisch homogenen Blöcke im Blick hatten, sondern im Gegenteil eine Völkerverständigung auf der Basis der universalen Menschenrechte anzielten.“ Demgegenüber führe die FPÖ - wie auch andere rechte Bewegungen – das Bild des christlichen Abendlandes als Abgrenzungsmerkmal gegen den Islam ins Feld. „Das widerspricht im Übrigen auch dem Selbstverständnis der Kirchen, die ja für Verständigung und interreligiösen Dialog stehen und nicht für eine religionspolitische Verschärfung der Lage durch Kontrastierung.“
Am kommenden 4. Dezember wird die Wahl als Stichwahl zwischen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer und dem Kandidaten der österreichischen Grünen, Alexander Van der Bellen, wiederholt. Die FPÖ hatte das Ergebnis der ersten Wahlrunde erfolgreich angefochten und hofft nun auf einen Sieg ihres Spitzenkandidaten.
(kap 25.10.2016 cs)
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