2016-10-23 09:08:00

Aktenzeichen - Hubert Roos


Aktenzeichen Hubert Roos, Gründer und Präsident des deutschen katholischen Blindenwerks - 90 Jahre



 
Belesen, bescheiden, beliebt, beharrlich, großmütig, hilfsbereit, international geschätzt.
Dies sind nur einige der Eigenschaften mit denen Michael Rembeck in seiner Festschrift die Persönlichkeit und das Wirken des Juristen Dr. Hubert Roos anlässlich seines 90. Geburtstages beschreibt. Besser könnte man das bisherige Leben und Wirken kaum zusammenfassen.
 
Am 12. Juni 1926 in Frankfurt geboren, hat Hubert Roos eine unbeschwerte Kinder- und Jugendzeit im Elternhaus. Schon ab dem elften Lebensjahr wehrt er sich gegen das Verbot der katholischen Jugendbewegung durch die Nazis. Er hilft Blinden im Straßenverkehr und bringt von Verfolgung bedrohten jüdischen und kommunistischen Mitbewohnern heimlich Lebensmittel. Nach dem Abitur wird er 1944 zum Wehrdienst einberufen. Bis dahin hilft er immer wieder die kritischen Hirtenbriefe des Bischofs Graf von Galen aus Münster zu verbreiten, indem er sie von Hand abschreibt. Als Hubert Roos im April 1945 auf dem Weg nach Hause durch eine Trittminenexplosion verletzt wird, verliert er sein Augenlicht, was seinen weiteren Lebensweg wesentlich mitbestimmt.
 
Doch lässt er sich durch die Kriegserblindung nicht entmutigen und erlernt die Blindenschrift und das Schreiben mit der Schreibmaschine. Er studiert die Staats- und Rechtswissenschaften, legt das große Staatsexamen ab und wird als Dr. Jura mit Auszeichnung promoviert. 1953 tritt der Jubilar in die Dienste des Magistrats der Stadt Frankfurt, wo ihm schließlich die Leitung des Rechtsamtes übertragen wird. Während seiner Dienstzeit doziert er Verwaltungsrecht und gibt manchem Berufsanfänger das notwendige Rüstzeug für einen gelingenden Berufsweg mit. Als er 1986 den Ruhestand wählt, hat er keineswegs die Absicht, sich zur Ruhe zu setzen. In der Kanzlei seiner Ehefrau Renate arbeitet er als Rechtsanwalt mit. Auch bleibt er Beisitzer im neunten Senat des Bundes- und Sozialdienstes. Vor allem aber ist es die ehrenamtliche Arbeit, die den Jubilar nicht ruhen lässt.
 
Wenngleich hier nicht der Rahmen ist der Vielschichtigkeit und des Facettenreichtum der langjährigen und andauernden ehrenamtlichen Arbeit von unserem Jubilar zu beschreiben, so seien hier doch einige wenige Stationen und Institutionen aufgezählt, die durch sein Wirken geprägt worden sind und für die er noch immer einsteht. Erstens, 1969 konstituiert sich unter der Leitung von Dr. Roos das deutsche katholische Blindenwerk. Zweitens, einen großen Stellenwert nimmt die nachhaltige Arbeit von Dr. Roos für Blinde in Asien, Afrika, Zentral- und Südamerika und in Europa ein. Drittens, die Vereinbarung zwischen Dr. Roos und Kardinal Jäger für die Weiterführung des Blindenschriftverlages Pauline von Mallinckrodt.
 

*Herr Dr. Roos wie viel Zeit musste vergehen, ehe sie sich mit Ihrem Schicksal einigermaßen oder auch endgültig abgefunden haben?
 
„Ja, also da kann ich Ihnen sagen, die erste Zeit nach der Verwundung durch eine Miene war natürlich furchtbar schlimm für mich, aber heute sage ich merkwürdigerweise wurde ich mit dem Sanitätskraftwagen in ein Reservelazarett transportiert und dieses Reservelazarett war betrieben von Ordensschwestern. Die Ordensschwestern haben sich in vorbildlicher Weise um mich gekümmert und haben natürlich erkannt, das ich als Katholik betroffen worden bin und haben sich natürlich alle Mühe gegeben mich zu dem nächsten Pfarrer zu bringen und sich mit mir unterhält um mir irgendwelche trostreichen Gedanken an die Hand gibt, damit ich mein Schicksal ertragen könnte.“
 
*Eine sehr große Rolle hat natürlich der Glaube gespielt in ihrem Leben. Haben Sie nie mit dem Herrgott gehadert?

Roos: „Nein, in keiner Weise. Das muss ich Ihnen sagen und zwar ist es so, dass ich im Grunde genommen Tag für Tag durch gute Menschen, die mir als Begleitpersonen dienten und mir halfen, gemerkt habe, es gibt Menschen, denen ist es ein Bedürfnis einem schwerbehindertem Menschen zu helfen und im Grunde genommen habe ich dann rückgeschlossen, dass tun sie nur, weil sie einem kirchlichem Glauben haben.“
 
*Sehen bedeutet Herr Dr. Roos allgemein einen Überblick haben, sich orientieren können, mit anderen Menschen Kontakt haben. Wenn diese Eigenschaften durch Blindheit nicht mehr gegeben sind, führt das unweigerlich zur Einsamkeit?
 
 „Also da haben Sie recht, dass führt normalerweise zur Einsamkeit, aber Sie müssen bedenken, ich war im Dritten Reich, in der sogenannten verbotenen katholischen Jugend und als ich als Blinder nach Hause kam, wieder in meine Pfarre St. Bernardus in Frankfurt am Main, da habe ich den Kontakt zu den Leuten aufgenommen, die mich kannten von Jugend an. Dadurch war ich gleich in einem Jugendkreis tätig und man hat mich sogar, bis dann Leute kamen, die älter waren als ich, zum Vorsitzenden eines Arbeitskreises gemacht. Ich habe auch in der Pfarrei Vorträge gehalten, so gut ich es damals vermochte. Ich hatte ja noch kein Studium hinter mir.“
 
*Wer also blind ist, der muss ganz andere Methoden zur Gestaltung des alltäglichen Lebens entwickeln, denke ich, bei dem sich alle übrigen Sinne stärker ausbilden. Wie ist das in Ihrem Falle?“
 
„Ja, also da haben Sie vollkommen Recht, man muss sich auf diese Situation einstellen und muss also alles so ordnen, auch im Hause, dass man sich selbst orientieren kann. Ich wohne glücklicherweise in einem Haus, in dem zwölf Zimmer sind, das ist mein Eigentum und da kenne ich mich vom Keller bis zum Dach aus. Dort kann ich alleine gehen und kann mich ohne fremde Hilfe bewegen, das ist sehr wichtig. Allerdings halte ich mich an den Geländern der Treppe immer fest, damit ich nicht stürze, das ist halt eben eine Einstellung, die muss man sich erwerben. Man muss sich denken, wenn ich keinen Handlauf habe, dann ist eine Treppe eine gefährliche Sache.“
 
*Welche sind nun die größten Probleme für einen blinden Menschen, ist es die Abhängigkeit von fremder Hilfe, teilweise Hilflosigkeit oder sind es die Angstzustände?
 
„Ich habe keinerlei Angst, weil ich sehr viele Menschen um mich habe, auch in der Kirche. Ich war vierzig Jahre lang Vorsitzender des deutschen katholischen Blindenwerkes, das in Bonn seinen neuen Sitz hat. Früher war es in Düren. Dadurch habe ich Kontakte und ich habe auch immer wieder Leute gefunden, die mich geführt haben und bereit gewesen sind, mir zu helfen.“
 
*Blinde Menschen, heißt es, haben häufig ein überdurchschnittliches Gedächtnis, ist das eines der Geheimnisse, die Ihnen beim Aufbau Ihres internationalen Hilfswerkes für Blinde zur Seite standen?
 
„Ja, alle Male. Ich habe sehr viele Dinge verinnerlicht, da ich ja einmal gesehen habe und die Weltkarte studiert habe, war es für mich kein Problem die Dinge einzuordnen. Südamerika, Brasilien, Argentinien, Chile, wo wir überall tätig gewesen sind. Genauso ging es auch Mittelamerika, weil ich das alles geistig im Grunde genommen immer ungefähr im Bilde vor mir hatte. Genauso Afrika, wo wir heute noch sehr viele Positionen haben und den Menschen in Blindenschulen helfen. In aller Regel sind das Priester und Ordensleute, die sich da um die Blinden kümmern. Wir verlangen auch immer von jedem, der einen Antrag stellt, dass er zunächst einmal eine Befürwortung seines zuständigen Bischofs vorlegt, und wenn wir die haben, werden wir erst aktiv.“
 
Ich hätte noch eine letzte abschließende Frage, Sie haben sich trotz Erblindung eine große Anerkennung erwerben können, welche Eigenschaft hat dabei eine ganz besondere Rolle gespielt.“
 
„Ja, das kann ich Ihnen sagen. Weil ich meine Frau als Unterstützung hatte. Meine Tätigkeit ist auch durch einen päpstlichen Orden abgeschlossen worden und ich bin von Johannes Paul II. persönlich gesegnet worden. Er hat vor mir gestanden und ich habe mich an ihn gewandt: ‚Sagen Sie, ich bin der Vorsitzende des deutschen katholischen Blindenwerks, neben mir steht meine Frau.’ Er hat darauf erwidert: ‚Ach, darf ich Sie segnen?’ Er hat uns gefragt: ‚Haben Sie denn Kinder?' Wir haben vier Kinder, drei Söhne und eine Tochter. Er hat mich dann gesegnet und mir ein Kreuz auf die Stirn gemacht und auch meiner Frau, hat mir die Hand gegeben und mich verabschiedet. Das war damals die Seligsprechung der Pauline von Mallinckrodt."
 
Dieses Gespräch kann nur einen unvollständigen Einblick in das langjährige ehrenamtliche Wirken des Jubilars geben. Die erwähnten Eigenschaften mögen ihn als Mensch nicht zu erfassen. Es sind aber nicht nur die hier aufgereihten Aktivitäten, die sein Wirken ausmachten, man kann seine ungebrochene Tatkraft und seine stete Zuversicht nur erahnen, die ihn unermüdlich diese selbstlose Arbeit verrichten lassen. Wer Hubert Ross begegnet, so der Festredner Michael Rembeck, sieht sich einem freundlichen, aufgeschlossenem und aufrechtem Mann gegenüber der Vertrauen erweckt und spüren lässt, dass er seinen Mitmenschen gegenüber wohl gesinnt ist. Sein Leben in christlicher Haltung ist erfüllt, von Klarheit im Denken und Handeln, von Verlässlichkeit und Bewusstsein, Hilfsbereitschaft und Arbeitsfreude. Selbstbewusst und von der Notwendigkeit der Selbsthilfe überzeugt lebt Hubert Roos den Satz von Mutter Pauline von Mallinckrodt: „Liebe will getan sein.“
 
ap








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