2016-10-22 09:00:00

Neu auf der Buchmesse: Evangelium in leichter Sprache


„Einmal gingen 2 Männer in ein Gebets-Haus zum Beten. Der eine Mann war ein Religions-Gelehrter. Der andere Mann war ein Schwindler. Der Religions-Gelehrte ging ganz weit nach vorne zum Beten. Alle Leute sollten sehen, dass der Religions-Gelehrte betet.“ Die Geschichte kommt bekannt vor, nur die Sprache nicht? Das ist Absicht. Der Text stammt aus dem Projekt „Bibel in einfacher Sprache“, alle Sonntagsevangelien sind für Menschen übertragen worden, die Lernschwierigkeiten haben oder eine Behinderung, aber trotzdem die Bibel verstehen wollen. So wird eben aus dem Phärisäer ein Religions-Gelehrter, aus dem Tempel ein Gebets-Haus, aus dem Zöllner ein Schwindler, der andere mit Geld betrügt.

Die Texte müssen geschlossen sein und dürfen keine Frage offen lassen, erklärt Claudio Ettl, einer der Verantwortlichen hinter dem Projekt. „Darum müssen wir alle theologischen Begriffe wie etwa Prophet übertragen. Das ist auch theologisch toll, diese Texte, die man schon oft spirituell oder wissenschaftlich gelesen hat, neu zu entdecken.“, erklärt Ettl im Gespräch mit Radio Vatikan. „Es ist eine Herausforderung, die Texte auf den Punkt zu bringen, und das ist ja auch die Aufgabe von Verkündigung, die Dinge auf den Punkt zu bringen, in einer Sprache, die die Menschen, für die man das machen will, verstehen.“ Ettl arbeitet für das Bildunghaus CPH in Nürnberg, das gemeinsam mit dem Katholischen Bibelwerk und den Thuiner Franziskanerinnen die Texte erstellt. 

Übertragen werden die Sonntagsevangelien, jeder zur Verfügung gestellter Text hat eine Vorlaufzeit von neun bis zehn Wochen, berichtet Ettl über den Prozess.  „Die erste Übertragung – wir nennen das nicht Übersetzung – macht Schwester Paulis von den Thuiner Franziskanerinnen, die hat die größte Fachkompetenz in leichter Sprache. Diese erste Übertragung wird dann gleich zum ersten Mal prüfgelesen. Das ist ein wichtiges Prinzip der leichten Sprache, dass sie die Texte mit den Menschen der Zielgruppe, also Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geistiger Behinderung, so lange lesen, bis die Leute ihnen direkt sagen, dass sie es verstehen und nichts mehr unklar ist. Die Texte gehen an eine Werkstatt, wo Schwerstbehinderte das gemeinsam mit ihren Betreuern lesen. Da kommen dann schon viele Reaktionen und das geht dann wieder zurück an Schwester Paulis, die die dann in den Text einarbeitet.“

Dieser Text wird dann im CPH und im Bibelwerk gegengelesen, und zwar auch theologisch. Qualitätskontrolle, nennt Ettl das. Aber das letzte Wort ist dann wieder bei denen, für die diese Übertragung gedacht ist. „Wir haben beim CPH eine Kollegin mit Down-Syndrom angestellt, mit dieser Kollegin lese ich den Text noch einmal gründlich durch und da kommen dann noch einmal Äußerungen, wo Unklarheiten sind und wo man ändern muss.“

Letzte Änderungen werden eingefügt, ein erläuternder Kommentar wird geschrieben, der erklärt, was man wie und warum genau so übertragen hat, und dann geht das online. Alle Texte sind frei im Internet zugänglich.

Drei Jahre gibt es dieses Projekt nun schon, was bedeutet, dass bei drei kirchlichen Lesejahren jetzt alle Sonntagsevangelien übersetzt und online sind. Auf Anregung habe man daraus jetzt ein Buch gemacht, das wie ein eigenes Lektionar die Evangelien-Lesungen vereint, etwa für Pfarreien oder Kindergärten oder andere Institutionen, die darauf zurück greifen wollen, berichtet Ettl.

Aber die kostenlose und barrierefreie Webseite, auf der man die Texte auch anhören kann, wird es auch weiter geben. Ist das Projekt jetzt fertig? Nein, sagt Claudio Ettl. „Wahrscheinlich wollen wir ein ganzes Evangelium in Angriff nehmen, vielleicht den Markus-Text, weil der natürlich der Kürzeste ist. So würden die Texte, die noch nicht im Lesejahr übertragen sind, als gesamtes Buch in leichte Sprache übertragen.“

Das Buch ist an diesem Dienstag auf der Buchmesse in Frankfurt vorgestellt worden und im Verlag Katholisches Bibelwerk erschienen.

 

(rv 22.10.2016 ord)

 








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