Es war Ökumene unter Verantwortungsträgern, aber dabei soll es nicht bleiben: Achtzehn Bischöfe, Bischöfinnen und Präsides der großen Kirchen in Deutschland waren seit dem 16. Oktober im Heiligen Land unterwegs, gemeinsames Beten, Gottesdienste, Begegnungen mit Christen und interreligiöse Dialoge standen auf ihrem Programm. Jetzt geht es darum, diese Erfahrungen zum einen in den Alltag der Kirchen einzubringen, zum anderen aber auch die Weltkirchen davon profitieren zu lassen, so ein Resümee von Teilnehmern an der Reise.
Mit einem Gottesdienst ging die Pilgerreise an diesem Samstag in Jerusalem zu Ende. Wir haben über die nächsten Schritte mit Annette Kurschuss und Stefan Ackermann gesprochen; sie ist Präses der Evangelischen Kirche Westfalen und stellvertretende Vorsitzende der EKD, er ist katholischer Bischof von Trier.
RV: Wenn man die Berichte über Ihre Reise liest und hört, dann bekommt man den Eindruck, dass es menschlich gut geht, aber schnelle und neue Lösungen in der Ökumene nicht zu erwarten sind. Entspricht dies Ihrer Wahrnehmung?
Ackermann: Das würde ich genau so bestätigen. Menschlich ist das eine wirklich sehr gute Erfahrung. Ich würde aber dennoch anmerken, dass es nicht nur eine menschliche Erfahrung ist, weil wir uns sympathisch werden; das Menschliche wird stark getragen vom gemeinsamen Glauben. Aber natürlich bleibt hier eine Trennung. Der Schmerz ist nach meiner Auffassung an bestimmten Stellen stärker spürbar, weil wir unmittelbarer miteinander zusammen sind. Es gibt also beides, große Verbundenheit, und man merkt natürlich auch die Unterschiede.
Kurschuss: Ich würde ebenfalls nicht davon sprechen, dass wir schon Lösungen in Sicht haben. Ich glaube aber: Dadurch, dass wir in den vergangenen Tagen so eine gute Gemeinschaft hatten, sind wir hier doch weiter gekommen. Wir haben Ökumene auf dieser Ebene von Kirche ganz stark empfunden, was uns eint und auch manches, was uns trennt. Das ist jetzt auf dieser Ebene im starken Erleben angekommen. Manche Gemeinden und Vereine klagen ja: ‚Wir erleben das Tag für Tag, und bei denen da oben scheint das nicht anzukommen. Da bewegt sich nichts. Wir haben diese Erfahrung jetzt miteinander gemacht und haben sie vor allen Dingen auch nicht verschwiegen. Wir sind sehr ehrlich damit umgegangen, und ich glaube, dass wir damit auf dem Weg zu gemeinsamen Lösungen ein ganzes Stück weitergekommen sind. Ohne, dass wir jetzt schon die Lösungen benennen könnten.
RV: Was geht denn jetzt, was vielleicht vor der Reise nicht gegangen wäre? Was hat sich durch die Reise geändert?
Ackermann: Natürlich ist die Sensibilität ebenso wie die Bereitschaft wesentlich höher, die Perspektive des anderen in den Blick zu nehmen. Man steht unweigerlich in so einer Gruppe vor der Frage, wie ein Thema auf das Gegenüber des ökumenischen Fachtags wirken wird. Ist es anschlussfähig, oder ist es möglicherweise verletzend? Achtsamer zu sein mit der eigenen Sprache und sich mehr darauf einzustellen, wie empfindet das der andere - das ist zum Beispiel ein ganz wichtiger Punkt, das verändert sich.
RV: Sie haben auch darüber gesprochen, was jetzt im Anschluss geschieht. Wie übersetzen Sie das, was Sie jetzt gemeinsam erfahren haben, in den normalen Alltag der Kirchen in Deutschland?
Kurschuss: Das war gestern [Freitag] ein großes Thema in unserer Abschlussrunde, denn darauf wird es auch ankommen. Wichtig ist, dass das nicht einfach ein schönes Erlebnis dieser Gruppe bleibt, sondern dass davon etwas weiter in die Gemeinden und Vereine geht.
Diese Veranstaltung wird zunächst einmal als Auftakt des Reformationsjubiläums gesehen. Denn wir werden viel zusammen erleben und gestalten und haben uns gemeinsam dazu entschlossen, dass hier auch etwas weitergehen muss. Hinter das, was wir die letzten Tage erlebt haben, können wir nicht mehr zurück. Wir werden uns nicht mehr auseinanderdividieren lassen, und von diesem Punkt aus werden wir jetzt gemeinsam schauen und das Erfahrene dann in die Gemeinden einbringen.
Ackermann: Es ist wie immer in solchen Situationen: Eine Gruppe hat eine Erfahrung gemacht. 18 Bischöfe, Präsides und Bischöfinnen, das ist nur ein kleiner Teil, der hier als Verantwortungsträger zusammengekommen ist. Kardinal Marx hat gestern noch einmal deutlich gemacht, dass wir uns in unserem Zeugnis für Christus nicht gegeneinander aufstellen. Ein wichtiger Punkt, auch in der Ökumene, ist, dass wir nicht gegeneinander stehen. Es gibt aber eine Form oder einen Wunsch nach Profilierung, manches Mal auf Kosten der anderen. Beispielsweise sagen dann die einen, bei uns ist es aber doch viel besser, wir können dieses und jenes einbringen oder wir sind moderner und stärker. Hier muss man dann deutlich durchgreifen, und diejenigen, die hier waren, müssen sagen ‚Nein! Das, was wir hier erfahren haben, wollen wir als Haltung mitnehmen.’ Nach solchen Tagen ist es natürlich leichter möglich, als wenn man sich nur in größeren Abständen und nach Referenz trifft.
RV: Stichwort Reformationsjubiläum. Der Papst lädt am 31. Oktober gemeinsam mit dem Lutherischen Weltbund zum Gebet nach Lund. Was wünschen oder erwarten Sie sich jetzt zum Abschluss dieser Reise von so einer Begegnung auf Weltniveau?
Kurschuss: Wir haben beschlossen, dass wir zumindest den Papst von unseren gemeinsamen Erfahrungen auch etwas wissen lassen. Er wird somit noch einen Brief erhalten und wir hoffen, dass er ihn vorher noch zur Kenntnis nimmt. Denn ich hoffe, dass von dem Geist dieser Reise - und ich kann nur davon sprechen, dass dies ein Geist war, der da wehte und der uns mit Sicherheit geschenkt wurde - dass dieser auch in den Gottesdienst und in die Begegnung zwischen Papst und dem Vorsitzendem des Lutherischen Weltbundes und den Menschen, die dort feiern, eingehen wird.
(rv 22.10.2016 ord)
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