2016-09-20 13:37:00

UNO/D: „Erklärung zu Flucht und Migration braucht Konkretisierung"


Um Flüchtlinge und Migration und mithin um Frieden und Gerechtigkeit, gerade so wie beim Friedenstreffen in Assisi, geht es dieser Tage auch in New York. Dort haben sich die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen zu ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Flüchtlingskrise bekannt. In ihrer „New Yorker Erklärung" vom Montag bekräftigen sie ihr politisches Ziel, das Leben von Flüchtlingen zu schützen, deren Menschenrechte zu wahren und Migrantenkindern innerhalb von wenigen Monaten einen Schulbesuch zu ermöglichen. Anna Hlawatsch sprach mit dem deutschen Caritas-Präsidenten Peter Neher über diese internationale Absichtserklärung der UNO-Staaten und fragte ihn zunächst nach den aus seiner Sicht stärksten Punkten der „New Yorker Erklärung".

Neher: „Ich denke zum einen, ist es sehr zu begrüßen, dass das UN Treffen überhaupt stattgefunden hat und dass die Weltgemeinschaft erkannt hat, dass hier wirklich eine gemeinsame Verantwortung für Flüchtlinge und Migranten besteht. Darüber hinaus stellen ja die Staaten auch fest, dass eine gleichmäßigere Lastenteilung sowie die Aufnahme und Unterstützung der Weltflüchtlinge einsetzen muss und dabei auch berücksichtigt wird, dass hier ja bereits Beiträge erbracht werden. Das allerdings muss ich auch sagen: Mich macht das nachdenklich, die Diskrepanz zwischen solchen Hoffnung weckenden Erklärungen, die es ja auch schon in der Vergangenheit bereits gegeben hat, und der tatsächlichen Politik.“

 

„Es ist ein großer Mangel des Dokuments, dass es die Ziele nicht klar benannt“

RV: Anliegen der Erklärung ist es, die internationale Flüchtlingspolitik auf eine umfassendere Basis zu stellen. Wie realistisch ist das Anliegen kurz- und mittelfristig, Ihrer Meinung nach?

Neher: „Angesichts von 65 Millionen Flüchtlingen weltweit ist das, denke ich, ein ganz entscheidender Punkt, dass das tatsächlich jetzt auch aufgegriffen wird. Allerdings kritisieren wir als Caritas, dass das Schlussdokument eigentlich nicht über Verpflichtungen hinaus geht, welche die Staaten ja bereits jetzt durch das Völkerrecht haben oder in der Praxis bereits durchführen. Es ist ein großer Mangel des Dokuments, dass es die Ziele nicht klar benannt, dass zum Beispiel nicht deutlich wird, welche Staaten jetzt bereits zur Aufnahme von Flüchtlingen in der Lage und bereit sind. Es gibt keine Zeitangaben, und es ist auch keine Überprüfung vorgesehen, ob das Anliegen aufgegriffen wird. Insofern, wenn ich es positiv sehe, würde ich sagen, es ist ein wichtiger Ansatz, das Thema Flüchtlinge und Migration auf dieser hohen Ebene noch einmal in Angriff zu nehmen, aber ich bin auch skeptisch. Denn wortreiche Erklärungen haben wir schon genug. Eigentlich müssten jetzt konkrete Ziele und Zeitangaben erfolgen - und die fehlen in dem Papier.“

RV: Für wie sinnvoll halten Sie heute die Aufteilung zwischen „Migranten“ und „Flüchtlinge“? 

Neher: „Ich denke, das ist eine ganz entscheidende Frage. Und zwar es ist einfach ein Unterschied, ob Menschen in einem anderen Land um Aufnahme nachsuchen, weil sie aus wirtschaftlicher Not und Zukunft für ihre Familie sorgen, oder ob aus einem humanitären Grund der Schutz vor Verfolgung und damit Asyl ansteht. Zum einen: Was die Arbeitsmigration angeht, müssen wir klare Regeln definieren, unter welchen Bedingungen Menschen in einem Land Aufnahme finden. Es braucht Möglichkeiten der zirkulären  Arbeitsmigration, wo eine gewisse Zeit lang Menschen zum Beispiel in Deutschland sind, eine Ausbildung machen und dann auch wieder in ihr Heimatland zurückkehren. Aber davon ist das Thema Asyl zu unterscheiden, wo wirklich ein humanitärer Grund besteht, wegen Flucht und Vertreibung. Wenn wir das vermischen, dann ist meine Sorge, dass letztlich diejenigen zu kurz kommen, die wegen Verfolgung, Flucht und Vertreibung einen Asylantrag stellen. Deswegen, glaube ich, brauchen wir diese Unterscheidung, ich halte sie sehr sinnvoll, und zwar für beide Kategorien. Für jene, die Arbeit suchen, denn dann kann man sich mit denen auseinandersetzen und fragen, was bedeutet das für die Integration, aber auch für jene, die Anspruch auf Asyl haben angesichts der weltweiten Verfolgungsgründe, die ja auch ganz unterschiedlich gelagert sind. Es geht darum, ihnen ein sicheres Dach zu geben und ihnen einen sicheren Ort anzubieten.

RV: Was nehmen Sie von dem UN-Gipfel mit?

Neher: „Ich nehme von dem Gipfel mit, dass es das ernsthafte Bemühen gibt, weltweit vor den dramatischen Folgen von Flucht und Vertreibung nicht die Augen zu verschließen. Ich nehme mit, dass die Staaten aufgefordert werden, sich nicht einfach abzuschotten und zu meinen sie könnten ihr eigenes, kleines bewahren und ich nehme mit, dass es einen gewaltigen Auftrag gibt, für viele Länder dieser Erde, tatsächlich Menschen, die auf der Flucht sind, die unter Verfolgung leiden und die auch wirtschaftliche Not haben, jeweils die Wege anzubieten, damit tatsächlich im Sinne einer humanen Weltgemeinschaft tatsächlich hier auch eine Zukunft beschritten wird. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt aus dem Dokument und insofern ist es auch wichtig, dass es diese „New Yorker Erklärung“ gibt. Aber sie braucht dringend die Konkretisierung.“ 

(rv 20.09.2016 ah)








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