2016-09-18 10:58:00

Italien erinnert an seligen Anti-Mafia-Priester Giuseppe Puglisi


Diese Woche haben Politiker und Bürger Palermos mit Gottesdiensten und Gedenkveranstaltungen an den seligen Priester Giuseppe Puglisi erinnert. Er wurde vor 23 Jahren, am 15. September 1993 von der Cosa Nostra erschossen – an seinem 56. Geburtstag. Padre Puglisi scheute sich nicht, die Mafia öffentlich in Predigten anzuprangern und eröffnete 1993 in Palermos berüchtigtem Stadtviertel Brancaccio – seinem Heimatviertel - das Sozialzentrum „Padre Nostro“. Hier versuchte er Jugendliche vor dem organisierten Verbrechen zu bewahren und sie von einem Leben ohne Mafia zu überzeugen. Das missfiel den Paten des Viertels. Das Todesurteil war gefällt.

Das Zentrum Padre Nostro aber existiert bis heute – und die Mafia? Radio Vatikan sprach mit dem heutigen Leiter des Zentrums, dem Sozialarbeiter Maurizio Artale.

„Die Träume von Don Puglisi haben sich verwirklicht. Er wollte ein Fußballfeld für die Kinder von Brancaccio, und wir haben ein Sportzentrum gebaut. Puglisi wollte für misshandelte und benachteiligte Frauen sorgen und wir haben ein entsprechendes Frauenhaus gegründet. Er wollte, dass die Alten nicht alleine leben müssen, sondern gemeinsam Zeit verbringen. Und wir haben zwei Zentren für ältere Menschen gegründet. Er wollte, dass den Kindern nach der Schule bei den Hausaufgaben geholfen wird und sie verstehen, dass nur die Bildung der einzige Weg ist, der sie vor der Mafia retten kann. Und wir haben ein Zentrum für die Hausaufgabenbetreuung gegründet. Dann machen wir Feriencamps für die Kinder von Brancaccio. Puglisi fragte sich auch, was mit den Ex-Häftlingen passiert, wenn sie aus dem Gefängnis gekommen sind. Einige von ihnen haben wir in unserem Zentrum angestellt, aber alle können wir nicht aufnehmen. Wir wollten mit den Institutionen in diesem Anliegen zusammenarbeiten, aber es gab bis heute keine Unterstützung. Wenn uns jemand fragt, ob sich Brancaccio verändert hat, dann muss er diese Frage vor allem den Institutionen stellen und warum sie die Probleme des Viertels nicht bei der Wurzel packen.“

Die Probleme bei der Wurzel packen, das heißt für Maurizio Artale vor allem, Arbeit für die Menschen hier zu schaffen. Denn mit der Wirtschaftskrise in Italien ist vor allem der ohnehin schwache Süden stark betroffen, über die Hälfte der Jugendlichen ist hier arbeitslos. Da könne auch das Zentrum Padre Nostro nicht zaubern:

„Wenn eine Familie zu uns ins Zentrum kommt, weil sie keine Schulbücher, Mäppchen mit Farbstiften oder Hefte für die Kinder hat, stehen wir ihnen zur Seite, indem wir ihnen das Schulmaterial besorgen. Wenn sie nichts zu essen haben, reicht es nicht, ihnen für einen Abend eine Mahlzeit bereit zu stellen. Du musst vor allem etwas machen, um Arbeitsplätze für diese Menschen zu schaffen. Das ist aber nicht die Aufgabe der Freiwilligen vom Zentrum Padre Nostro. Schon Padre Puglisi sagte: Wir Freiwilligen allein können Brancaccio nicht retten. Es braucht also eine Synergie der Bürger, der Zivilgesellschaft und der Institutionen. Bis heute hat es kein echtes Projekt für die Entwicklung des Viertels gegeben.“

Bis heute hat das Projekt im Viertel einen schweren Stand, die Mafia ist durch aus noch sehr präsent und lässt das die Organisation auch spüren. In den letzten zwanzig Jahren hat Maurizio Artale über 80 Fälle von Vandalismus gezählt: Sachbeschädigungen, Diebstahl, Brandstiftung und erst vor Kurzem wurde das Gitter, das den Fußballplatz von Padre Nostro abgrenzt, gewaltsam entfernt.

„Mit dem Getreide wächst auch immer das Unkraut, dass immer versucht, das Getreide zu ersticken. Wir müssen wie gute Bauern versuchen, das Unkraut zu entfernen, ohne den Weizen zu beschädigen. Unsere Arbeit muss diesen Leuten zu verstehen geben, dass ihr Vandalismus und ihre Einschüchterungen uns nicht davon abhalten, morgen weiter zu machen. Im Gegenteil, dieser Vandalismus zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Padre Puglisi war der Überzeugung, dass, wenn jeder etwas tut, wir viel tun können. Mauricio Artale und zahlreiche Freiwillige versuchen diese Botschaft allen Bürgern der Stadt und in ganz Italien auch heute zu vermitteln.

„Es gilt, alle an ihre Bürgerrechte zu erinnern. Wir müssen die Institutionen ändern. Jedes Mal sagen wir, es ist die Schuld des Staates, die Schuld der Gemeinde, der Regierung. Aber was sind diese Einrichtungen ohne uns Bürger? Padre Puglisi sagte den berühmten Satz: Wenn jeder etwas tut, können wir viel tun. Jeder muss seinen Beitrag leisten. Er wurde ermordet, weil er alleine gelassen wurde.“

Am 25. Mai 2013 ist Don Puglisi in Palermo selig gesprochen worden. Über 80.000 Menschen waren zu der Messe unter freiem Himmel gekommen. Mauricio Artale sieht nicht zuletzt die Christen in der Verantwortung, Don Puglisi nicht alleine zu lassen und sein Erbe aktiv weiterzutragen.

„Ich habe mich gefragt: Wo sind die Taten all dieser Gläubigen. Ich glaube, dass bei vielen der Glaube eine Fassade ist, eine Bequemlichkeit, sie begnügen sich damit, am Sonntag zu Messe zu gehen, zu beichten, ihre Kinder zu taufen und zur Kommunion zu schicken. Das ist das Christentum des Wohnzimmers, das auch Papst Franziskus meint und wie es bereits Padre Puglisi gesagt hat. Angesichts einer Wertekrise, die auf allen Ebenen herrscht, müssen wir dieses Christentum wieder stärken. Und diese Kraft schöpfen wir aus dem Blut Padre Puglisis.“

(rv 18.09.2016 cz)








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