2016-09-16 09:55:00

Irak: Christen blicken mit Sorge auf Offensive von Mossul


Irakische Christen blicken mit gemischten Gefühlen auf die geplante Offensive internationaler Streitkräfte gegen den IS in der Niniveh-Ebene. Einerseits wünschen sie sich die Rückeroberung der Millionenstadt Mossul, die die Dschihadisten 2014 im Sturm genommen haben; andererseits befürchten die irakischen Christen noch mehr Zerstörung und eine weitere Fluchtwelle. Radio Vatikan sprach mit dem chaldäischen Bischof Amel Shamon Nona, der bis zum Eroberungszug des IS Erzbischof von Mossul war. Heute ist er Bischof der Eparchie Sankt Thomas der Apostel in Sydney.

„Unsere Gemeinschaft ist wirklich sehr besorgt angesichts der bevorstehenden Befreiung der Ebene von Niniveh. Zu welchem Preis wird diese Stadt befreit werden? Wird es einen Kampf geben, einen Krieg in der Stadt oder in der Niniveh-Ebene, wie es bereits in anderen irakischen Städten geschehen ist? Dann wird das ein Desaster sein, denn die anderen Städte – wie wir gesehen haben – sind alle komplett zerstört worden. Es ist logisch, dass, wenn es einen Kampf in der Stadt gibt, alles zerstört wird. Unsere Gemeinschaft ist sehr besorgt darüber; wir hoffen, dass die Befreiung ohne Krieg vonstatten gehen kann.“

US-Vizeaußenminister Antony Blinken betonte diese Woche bei einem Besuch in Bagdad, dass US-Streitkräfte und andere Militärformationen schon über die Hälfte des vom Islamischen Staat seit 2014 besetzten Territoriums zurückerobern konnten. 181 Millionen Dollar will die US-Regierung für humanitäre Hilfe im Land ausgeben, insbesondere mit Blick auf eine mögliche neue Flüchtlingswelle, wenn die Offensive auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Landes, startet. Bischof Nona ist skeptisch, ob im Fall einer Befreiung Mossuls die Christen auch wirklich in die Stadt zurückkehren können. Aber in der Niniveh-Ebene insgesamt bestehe Hoffnung; die Christen warteten ab, was passiert. „Konkret denken wir, dass es auch im Irak eine Gemeinde geben wird, aber sie wird sich vor allem auf den Norden des Landes konzentrieren. Wir hoffen auch, dass die, die noch in diesen Gebieten sind, bleiben können.“

Papst Franziskus hat diese Woche bei einer Messe für den von IS-Anhängern ermordeten französischen Priester Jacques Hamel formuliert, die Geschichte der Morde aus Glaubenshass sei derzeit noch blutiger als zu Zeiten der alten Kirche. Und wiederholt betont der Papst, dass es heute mehr Märtyrer gebe als damals. „Christen leiden heute im Gefängnis, durch Folter oder durch Mord, weil sie Jesus Christus nicht verleugnen, und das lässt uns wirklich die Grausamkeit dieser Verfolgung ermessen,“ so Franziskus. Bischof Nona spricht im Fall der Christen im Irak schlicht von Genozid.

„Der Genozid, der schon zwei Jahre andauert, ist eine Tatsache; er ist real, konkret. Es gibt ihn auch heute, denn wenn eine Gemeinschaft aus ihrer Heimat, ihrer Vergangenheit, entwurzelt wird, ihr alles genommen wird, was sie besaß, dann ist das Genozid!“

Die Christen, die vor den Dschihadisten in Sicherheit sind, blicken dennoch mit Sorge auf ihre Heimat. Auch im Exil, in Australien, seien sie mit den Gedanken immer im Irak.

„Das, was in unserer Gemeinschaft im Irak geschehen ist, hat auch negative Auswirkungen auf unsere Gläubigen in Australien, denn sie sind alle Iraker, sind alle aus dem Irak gekommen. Wir versuchen immer etwas für die Gläubigen, die noch dageblieben sind, zu tun und ihnen zu helfen. Diese Hilfe macht uns noch mehr zu einer Gemeinschaft, denn sie lässt uns das Bedürfnis spüren, Christen zu sein, eine starke Gemeinschaft zu sein, um den anderen zu helfen, die in einer schwierigen Situation leben.“

(rv 16.09.2016 cz)








All the contents on this site are copyrighted ©.