2016-08-18 13:53:00

Italien: Kleines Dorf zeigt große Kunst


„Weiter, nur fort.“ Das sagen sich viele Menschen in der strukturschwachen Region Carnia im äußersten Nordosten Italiens. Seit Jahrzehnten ziehen die Bewohner dieser ländlichen Gegend aus Friaul-Julisch Venetien fort, auf der Suche nach Arbeit und Perspektiven. Der kleine Ort Illegio ist ein gutes Beispiel: Hier wohnen in einer Alpenidylle mit rustikalen Steinhäusern, alten Mühlen und grünen Weiden nur noch 360 Einwohner. Doch einmal im Jahr wimmelt es hier nur so von Menschen – denn die lokale Kirchengemeinde organisiert im Sommer jedesmal eine Ausstellung, die hunderttausende Menschen aus ganz Italien und dem Ausland anlockt. Dieses Jahr lautet das Thema: „Weiter. Auf Reisen mit Forschern, Flüchtlingen und Pilgern“. Radio Vatikan sprach mit dem Kurator der Ausstellung, Pfarrer Alessio Geretti.

„Das Thema ist von der Heiligen Schrift und der Literatur der Antike inspiriert. Der erste große Mann des Glaubens in der Bibel, mit dem Gott eine echte Geschichte des Bundes und des Heils eingeht, Abraham, folgt dem göttlichen Ruf, sich auf den Weg zu machen. So geht es auch weiter in der Bibel bis hin zu den Aposteln, als die Einladung Gottes zum Glauben übersetzt wird in ein ‚Folge mir nach‘. Somit sind für uns Gläubige die Worte Reisen und Glauben gleichbedeutend. Aber auch in der Literatur der Antike kommt das vor, denken wir nur an die Odyssee, in der die menschliche Kondition immer entlang des Reisens erzählt wird.

Das war das Grundmotiv, weshalb wir dachten, das Thema könnte die Herzen aller berühren. Aber natürlich gibt es auch eine Aktualität, denn die großen Fluchtbewegungen unserer Zeit und die zum Teil beängstigenden Szenen der Flüchtlinge, die wir gesehen haben und sehen, rufen uns auf den Plan. Auch hier müssen wir uns erinnern, das die Familie Jesu selbst Flüchtlinge waren, oder aber, dass in der antiken Literatur Aeneas, der Gründer der großen römischen Zivilisation, ein Flüchtling war. Das hilft uns vielleicht, auf die Geschehnisse mit einem weniger voreingenommenen, intelligenteren Auge zu schauen.“

Seit 2004 hat die Sankt-Florian-Gemeinde mit den verschiedenen Ausstellungen mittlerweile über 230.000 Menschen angelockt, darunter waren Kardinäle, Politiker, Minister und auch Kunststudenten. Dieses Jahr soll die Zahl der Besucher noch steigen, es werden um die 30.000 Menschen erwartet. Bewundern können sie auf einem geführten Pfad 45 Bilder der griechischen und römischen Mythologie, der christlichen Literatur des Mittelalters sowie der Göttlichen Komödie, vom 15. bis zum 20. Jahrhundert. Der Parcours führt sie zu Bildern und ikonografischen Darstellungen von den Pilgern der Bibel und der Geschichte des Christentums bis hin zum Mittelalter; dann setzen sich die Forscher in Bewegung, und schließlich geht es zu den Ausreißern und den Flüchtlingen bis hin zur letzten Reise, der Reise in das Jenseits. Die Bilder stammen aus 30 Sammlungen in ganz Europa.

„Bei den Künstlern sind ganz großartige dabei. Zum Beispiel Sandro Botticelli mit seiner Anbetung der Heiligen Drei Könige, das Bild stammt aus den Uffizien in Florenz. Dann denken wir an Jacob Jordaens, der mit Peter Paul Rubens einer der wichtigsten Vertreter des flämischen Barock ist. Jordaens hat für die schwedische Königin Cristina eine riesige Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten gemalt. Das Bild wurde aus Schweden nach Illegio geholt. Oder denken wir an Jan Brueghel, Sohn von Pieter dem Älteren, der eine hervorragende, fantastische Tafel gemalt hat, auf der man den Abstieg des Orpheus in die Unterwelt sieht. Denken wir an Lorenzo Monaco, den Florentiner Pietro di Giovanni, der später den Namen Lorenzo annahm und der in seinem letzten Werk ein geistliches Testament hinterließ, das wir in Illegio sehen können: Das Wunder des heiligen Nikolaus, in dem die Pilger gerettet wurden, die ihn aufsuchten und anbeten wollten in seiner Kirche in Myra in der Türkei.“

Wer sich diese besondere Ausstellung nicht entgehen lassen will und auch die wunderbare Landschaft und Idylle der Region genießen möchte, der sollte sich auch auf den Weg machen. Die Ausstellung dauert noch bis zum 9. Oktober, der Eintritt für Erwachsene kostet 10 Euro.

(rv 18.08.2016 cz)

 








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