2016-08-02 14:36:00

Nachtrag: Papst und Polens Bischöfe - Pastoral und Migranten


Säkularismus, Barmherzigkeit, neue Formen der Pastoral und Flüchtlinge – das waren die wesentlichen Themen der Gespräche der polnischen Bischöfe mit Papst Franziskus zu Beginn des Weltjugendtags in Krakau. Der Osservatore Romano hat am Dienstag vier Fragen der Bischöfe und die entsprechenden Antworten von Papst Franziskus im Wortlaut veröffentlicht.

Rausgehen gegen eine Entchristianisierung

Der Erzbischof von Lodz, Marek Jedraszewski, verzeichnete eine Spaltung in Polen zwischen Gläubigen und säkularen Kräften und fragte Papst Franziskus, welche pastoralen Antworten die katholische Kirche Polens auf die „zeitgenössische atheistisch-liberale Kultur“ geben könne.

Franziskus betonte, dass es in der modernen Welt neben der Säkularisierung ein gravierenderes Problem gebe: die Entchristianisierung. Zwar nehme der Sinn für Spiritualität wieder zu, doch diese sei zunehmend agnostisch, sie sehe ab von Jesus Christus. Die Menschen suchten einen Gott ohne Christus, ein Volk ohne Kirche. Die Kirche verwaise aber ohne Jesus Christus. Gegen diese Verwaisung und eine agnostische Spiritualität könne nur die Nähe von Priestern, Ordensleuten und Laien zum Volk Gottes helfen.

Viele Märtyrer, Frauen und Männer hätten alles aufgegeben, um ihr Leben in Schulen und Krankenhäusern zu verbringen. Franziskus nannte hier das Beispiel einer 83-jährigen italienischen Ordensfrau, die seit über 20 Jahren in Zentralafrika lebte und wirkte. Die Werke der Barmherzigkeit bestünden im Anfassen, Lehren und Trösten, es gehe darum, Zeit zu schenken für die Armen und Kranken, betonte Franziskus.

Aus Sicht der Kirche sei es wichtig, dass die Bischöfe immer für ihre Priester da seien. Auch nach Feierabend müsse ein Bischof noch Anrufe entgegennehmen, um zu zeigen, dass er Vater sei und da sei für die Priester. Auch die Jugend müsste in den Blick genommen werden. Auch wenn es mühsam sei und Geduld erfordere, mit ihren Erwartungen umzugehen, sie hier Nähe entscheidend. Johannes Paul II. habe es vorgemacht: Er habe seine Studenten auf Ausflüge mitgenommen. „Es gibt kein Geheimrezept, aber wir müssen raus ins Feld“, betonte der Papst.

Barmherzigkeit wider des Götzens des Geldes

Eine zweite Frage drehte sich um das Thema Barmherzigkeit. „Wie können wir die Lehre der Barmherzigkeit anwenden und wem sollen wir sie vermitteln?“, fragte der Erzbischof von Danzig, Slawoj Leszek Glodz.

Franziskus betonte, dass die Barmherzigkeit nicht seine Erfindung sei, sondern bereits bei Paul VI. und Johannes Paul II., dem „Giganten der Barmherzigkeit“, hervorgehoben wurde. „Es ist seit Jahren ein Prozess in der Kirche“, so Franziskus. In einer Welt voller Ungerechtigkeit, fehlender Liebe und Korruption sei das Zeugnis der Barmherzigkeit entscheidend.

Franziskus wiederholte seine Formel vom herrschenden „Götzen des Geldes“, der den Menschen aus dem Zentrum der Schöpfung dränge, ihn ausbeute und töte. Auch die Schöpfung leide darunter, sowie die Jugendlichen, die keine Arbeit fänden. Sie müssten sich aber nützlich fühlen können.

Es gebe viele Zeugen der Barmherzigkeit, Laien, Jugendliche, die gute Werke vollbrächten, für die Kranken da seien, sich für Arme einsetzten. „Auf diesem Weg müssen wir vorangehen, Dinge tun, die die menschliche Würde stärken“, so Franziskus. Angesichts eines religiösen Analphabetismus sei es wichtig, die Menschen auf dem Weg des Glaubens zu begleiten. Mit Worten allein sei das nicht zu machen. „Wir müssen dem religiösen Analphabetismus heute mit drei Sprachen entgegentreten: der Sprache des Geistes, der Sprache des Herzens und der Sprache der Hände“, so der Papst.

Die Gemeinde als Referenzpunkt muss bleiben

Wie dem schnelllebigen Alltag der Gläubigen als Kirche begegnen? Darum drehte sich die dritte Frage eines Weihbischofs aus Tarnow.

Franziskus hob hier die Bedeutung der Kirchengemeinde als Referenzpunkt im Wandel der Zeit hervor. In einer dynamischen Welt verliere sie nicht an Wert – im Gegenteil: „Es ist eine Struktur, die wir nicht einfach zum Fenster rauswerfen dürfen“, so der Papst. Er räumte ein, dass es heute angesichts vieler Probleme sehr „anstrengend“ sein könne, eine Gemeinde zu leiten. „Die Bischöfe müssen die Erneuerung der Gemeinden immer im Auge behalten: Wie geht es der Gemeinde? Was wird getan? Wie läuft die Katechese? Wie wird sie vermittelt? Ist sie offen?“

Franziskus nannte ein Negativbeispiel aus seiner Zeit in Buenos Aires, wo ein Ehepaar sich an die Gemeinde wandte, um sich kirchlich trauen zu lassen. Die Gemeindesekretärin habe entgegnet: „In Ordnung, das kostet dann so und so viel“. „Das geht nicht, so kann eine Gemeinde nicht funktionieren,“ betonte Franziskus. Anstatt „Zeugen des Satans“ zu sein, die Menschen abzuschrecken und verschlossene Türen zu haben, müssten die Gemeinden die Menschen aufnehmen. Dazu gehöre auch, dass im Beichtstuhl immer das Licht an bleibe. Auch Spiel- und Fußballplätze in den Gemeinden seien eine wichtige Institution für die Kinder und Jugendlichen.

Trotz vieler Veränderungen im Alltag der Menschen gelte: „Die Gemeinde wird nicht angerührt: Sie muss ein Ort der Kreativität, ein Referenzpunkt bleiben. Nur so kann sie eine Gemeinde im Hinausgehen sein.“

Flüchtlinge: Aufnahme hängt vom einzelnen Land ab

Die letzte Frage betraf die Flüchtlingsthematik, die Papst Franziskus während seiner Polenreise häufig ansprach. Franziskus betonte, dass die Wurzel der Migration heute die Korruption sei. Heute flöhen viele Menschen weniger, weil sie Arbeit suchten, sondern vor Hunger und Krieg. Deshalb sei es wichtig, die Korruption und den Waffenhandel in den Herkunftsländern zu stoppen.

Nicht jedes Land könne auf gleiche Weise reagieren, aber es sei ein weltweites Problem. „Man kann keine allgemeine Antwort geben, die Aufnahme hängt stark von der Situation jedes Landes und seiner Kultur ab“, sagte Franziskus. Jedes Land, das Flüchtlinge aufnehme, müsse einen Weg finden, möglichst großzügig im christlichen Sinne zu sein. Manchen Ländern sei die Integration der Migranten gut gelungen, in anderen gebe es regelrechte Ghettos. „Es braucht eine weltweite Reform im Umgang und der Aufnahme von Flüchtlingen“, so Franziskus. Zwar habe jedes Land eigene Bedingungen, um zu helfen, eines müsse jedoch für alle gelten: „Ein offenes Herz, um aufzunehmen“, so Franziskus.

 

(rv 02.08.2016 cz)

 








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