2016-07-17 08:08:00

Menschen in der Zeit: Eva Maria Faber - Lebenswelt und Theologie


Eva Maria Faber  - Lebenswelt und Theologie

Im Spannungsfeld von Tradition und Moderne liegt der Wirkungskreis dieser katholischen Theologin, Hochschullehrerin und bis vor kurzem: Rektorin an der Theologischen Hochschule Chur, Schweiz. Sie geht Fragen nach Gott und der Welt auf den Grund. Vielen Fragen kann die Kirche heute nicht mehr aus dem Weg gehen, so Frau Prof. Faber, die auch Konsultorin des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen im Vatikan ist.

RV: Frau Prof. Faber, vielen Dank für Ihr Kommen in unser Studio im Vatikan. Wir möchten gerne heute von Ihnen erfahren, wie Sie Ihren Wirkungskreis im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne als hochrangige Theologin den Hörerinnen und Hörern von Radio Vatikan darstellen möchten.

Faber: Zunächst ist vielleicht wichtig, sich zu veranschaulichen dass ein Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne etwas Positives ist, Wir denken bei Spannungen oft gerne an etwas Negatives, Spannungen können aber fruchtbar sein. Ich denke, dass wir als Kirche wirklich diesen Reichtum haben und uns in dieser Spannung bewegen zu dürfen, von einer reichen Tradition herzukommen und gleichzeitig entschieden zu sein - das ist seit dem 2. Vatikanum sicher klar - entschieden zu sein und uns auf die Moderne einlassen zu wollen. Wir können uns also der Armut entgehen, nur der Tradition zugewandt zu sein und nur der Moderne zugewandt zu sein, sondern es geht gerade darum, den Reichtum der Tradition für heute fruchtbar zu machen. Für mich als Theologin ist immer wichtig, mir klar zu machen oder dafür einzutreten, dass die Geschichte unserer Kirche viel mehr Wandel kennt, als das man sich manchmal vorstellt, sodass wir eigentlich auf eine sehr bewegte Geschichte zurückblicken. Wenn wir uns die gesamten Jahrhunderte anschauen, sind viel mehr Möglichkeiten da, als wir sehen können, wenn wir nur die letzten 20 oder 50 Jahre anschauen. Ich glaube, dass wir da manchmal in der Aktualität kirchlicher Diskussionen  zu kurz greifen und da wirklich mehr Fundamente und Kenntnis einbringen müssten.

Auf der anderen Seite muss klar sein, dass die Moderne auch eine schöne Zeit ist. Das ist die Zeit, die uns gegeben ist, dass wir vor ihr nicht davonlaufen können und dass wir entsprechend in der Kirche nachdenklich sein müssen, beraten müssen, wie Kirche Sein heute möglich ist.

RV: Ihr Wirkungskreis, Frau Professor Faber, liegt also im Spannungsfeld von Tradition und Moderne. Dazu gehört sicher auch das Thema Frauen. Papst Franziskus äußerte bereits in seinem ersten Pontifikatsjahr seine Bedauern über eine unangemessene Beteiligung der Frauen in der Kirche. Franziskus hat sich in seinem Lehrschreiben „Amoris Laetitia” für eine Zunahme der Rolle der Frau in der Kirche ausgesprochen: Ist „Amoris Laetitia” einem Auftrag seitens der vorhergehenden außerordentlichen Weltbischofssynode 2015 nachgekommen und welche Punkte würden Sie als katholische Hochschulprofessorin besonders hervorheben?

Faber: Ich würde gerne zunächst auf „Amoris Laetitia” eingehen. Das Schreiben – ich habe es persönlich bedauert, dass ich dem Rat von Papst Franziskus, es nicht hastig zu lesen, anfangs nicht nachgehen durfte, weil ich wusste, ich muss jetzt dazu Auskunft geben können. Ich habe inzwischen das meditative Lesen nachgeholt, das ist wirklich ein Schreiben, das sehr viel enthält. Für mich persönlich ist es bedauerlich, dass die Diskussion eigentlich sehr stark hängen geblieben ist an der Frage, wie jetzt mit wiederverheirateten Geschiedenen umgegangen werden sollte. Ich glaube, dass das Schreiben klar genug ist, um jetzt da nicht darüber so lange zu diskutieren.

Was mir wichtig scheint für die Theologie von Ehe und Familie ist eigentlich, dass Papst Franziskus ein Prinzip, das er im „Evangelii Gaudium” aufgestellt hat – die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee – hier eigentlich anwendet, ohne darauf Bezug zu nehmen. Also die Wirklichkeit von Menschen, die in Ehe und Familie leben, wird sehr detailliert angesprochen, wird sehr einfühlsam angeschaut. Man kann vielleicht sagen, dass viele kirchliche Aussagen sonst sich zu sehr auf ein Ideal konzentrieren und zu wenig erkennen lassen, welche Personen und wie diese Personen, die dieses Ideal leben sollen, während das jetzt sehr detailliert zum Vorschau kommt. Das wird gesehen: es sind zwei Personen, die ihre Geschichte haben, die eine lange Geschichte vor sich haben und wo man wieder neu schauen muss, wie das konkrete Zusammenleben, die Partnerschaft gelingen kann. Es sind begrenzte Menschen, denen man nicht zu viel aufladen darf. Ich finde in dieser Hinsicht ist das Schreiben wirklich sehr weiterführend.

RV: Und in welchem spezifischen Punkt hat der Papst, der ja auch Jesuit ist, im Geist der ignatianischen Spiritualität seine Vollmacht in Anspruch genommen und Entscheidungen getroffen?

Faber: Ja, das Ignatianische kommt eigentlich an vielen Stellen vor, ich würde sagen, es ist schön, wie man da eine gewisse Kontinuität sehen kann. Papst Johannes Paul II, hat von Unterscheidung gesprochen, und der jesuitische Papst – der von der Unterscheidung jetzt wirklich viel versteht- nimmt das Thema auf und führt es konsequenter weiter. Das haben wir in der Theologie eigentlich schon lange moniert: dass wenn man unterscheidet, dass daraus auch Konsequenzen folgen müssen. Und das ist eben bis jetzt untersagt gewesen und dieser Hinsicht geht „Amoris Laetitia” wirklich darüber hinaus. Und das sind ja auch nicht nur zwei Fußnoten, sondern die ganze Wirklichkeit wird anders angeschaut. Das ist eine neue Würdigung von verschiedenartigen Partnerschaften – wie das vorher nicht gewesen ist.

RV: Welche sind die pastoralen, theologischen und moraltheologischen Gründe dafür, den nach einer Scheidung wiederverheirateten Gläubigen den Zugang zu den Sakramenten nicht kategorisch zu verwehren?

Faber: Ja vielleicht muss man zuerst einmal bei den kategorischen bleiben: ich denke, das ist ohnehin in der moraltheologischen Tradition der Kirche ein Novum gewesen in den letzten Jahrzehnten, dass man eine bestimmte Kategorie von Menschen kategorisch ausgeschlossen hat, absolut ausgeschlossen hat, dass man ein Prinzip ausgestellt hat, das sie nicht an der Kommunion teilnehmen dürfen. Das ja im Kirchenrecht so nicht steht. Und diese prinzipielle Verweigerung ist jetzt aufgehoben, indem Sinne, dass man wirklich schauen kann und die Situationen eben wirklich unterscheiden kann und dass auch die Zulassung zu den Sakramenten wirklich möglich ist.

RV: In welchen Belangen der Kirche ist die Mitsprache, die Beteiligung der Frau besonders dringlich? Können Sie auf diesem Gebiet klar abgesteckte Ziele formulieren?

Faber: Ja, ich würde gerne erstmal die Dringlichkeit deutlich machen, indem man versucht, dies ein bisschen zu veranschaulichen. Wenn wir ein bisschen Distanz nehmen und eigentlich die gesellschaftlichen und kulturellen Wirklichkeiten heute anschauen, dann sieht man, dass Frauen – und zwar kulturübergreifend – überall Verantwortung übernehmen können, in der Politik, das gilt für asiatische, das gilt für afrikanische Länder, Und wenn man dann vergleicht, wie es in der Kirche aussieht, dann müsste man eigentlich sehr erschrecken. Weil man dann wahrnehmen kann, dass Frauen, vor allem auf den höheren Ebenen, von Beratung und Entscheidung wirklich unterrepräsentiert sind oder überhaupt nicht repräsentiert sind. Das sich einfühlen, das ist für Frauen vor allem jüngere Frauen heute – die das anders gewöhnt sind – die nehmen dann einfach ohne es sich lange zu überlegen Distanz und es braucht schon eine hohe Identifikation mit der Kirche, um dann trotzdem zu sagen: mir ist das so viel Wert, dass ich dabei bleibe. Es ist heute vielleicht auch eine Generation, die nicht so kämpferisch ist und dann einfach sagt: ja, wenn ich da nicht erwünscht bin mit meinen Begabungen, dann gehe ich woanders hin. Und in diesem Sinne scheint es mir sehr wichtig zu sein, dass überall da, wo Kirche berät, wo Kirche in Entscheidungsprozesse eintritt, dass dort Frauen in einer angemessenen Weise – und das heißt eigentlich gleichberechtigt - repräsentiert sind.

RV: Viele Frauen fühlen sich in der Kirche etwas fremd. Sie haben vielleicht das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, weil sie zu wenig in verantwortlichen Gremien eingebunden und an Entscheidungsprozessen beteiligt sind. – in Ihrem Fall Frau Professor Faber ist allerdings das Gegenteil der Fall. Wird die Kirche einen Weg dazu finden?

Faber: Ich hoffe es und ich glaube es geht nicht anders und ich bin jetzt da so überzeugt von dem, dass diese Kirche vom Heiligen Geist getragen ist. Ich glaube, sie wird ihren Weg finden . mein Anliegen wäre es, dass das schnell geschieht. Ich persönlich habe für mein Leben und in meinem Leben Entfaltungsmöglichkeiten in der Kirche gefunden, das ist richtig, aber wenn ich für dieses Thema eintrete, dass nicht im Blick auf mich selbst, sondern eben im Blick auf viele Frauen, die ich kenne und von denen ich weiß, dass sie ein anderes Erscheinungsbild vor sich sehen wo dann eben in den entscheidenden Situationen doch nur Männer zu sehen sind.

RV: Der Vatikan gibt seit zwei Monaten jetzt ein eigenes Frauenmagazin heraus. Mit einem Umfang von 40 Seiten. Inhaltliche Schwerpunkte liegen auf biblischen und spirituellen Themen. Der Impuls- so hieß es – kam noch von Papst Benedikt XVI. emeritus, der eine stärkere Medienpräsenz von Frauen gewünscht hatte. Übrigens ist auch das Papst-Gebetsanliegen von Franziskus im Monat Mai von vielen Seiten als wichtiger Beitrag zur Überwindung von Frauenbenachteiligung, weltweit, bezeichnet worden. „Muttertag erfordert mehr als nur Blumen und Schokolade” – so der Papst wörtlich.

Faber: Ja, das Anliegen von Papst Franziskus ist glaube ich sehr glaubwürdig herübergekommen, was ein bisschen gefehlt hat ist, dass man nicht nur die Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft beklagt, sondern dass man eben auch innerhalb der Kirche das Problem wahrnimmt. Was mir wichtig ist, ist, dass man nicht Unternehmungen macht, wo dann „auch” noch Frauen gewürdigt werden, sondern ich bin auch immer auch ein bisschen skeptisch, wenn es heißt: Sie müssen auch eine Theologie der Frau entwickeln – das mag interessant und wichtig sein – aber ich glaube, die Frauen möchten erstmal in dem was Kirche allgemein ist, angemessen repräsentiert sein. Also nicht ein Sonderbereich, nicht auch eine Sonderbeilage, die jetzt für Frauen ist, sondern es muss möglich sein, dass da, wo Kirche lebt, Frauen wie Männer beteiligt sind, sich äußern können, berücksichtigt werden.

(rv 17.07.2016 ap)








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