2016-07-16 11:38:00

Ökumene: Eigenständigkeiten sind nicht zwangsläufig schlecht


Ökumene braucht eine gute Balance zwischen Einheit und Vielfalt: Mit dieser Feststellung beantwortete Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, bei einem Österreich-Besuch die Frage, ob eine Einheit der Kirchen überhaupt noch zu erreichen ist. Der Schweizer Kurienkardinal zitierte dazu Blaise Pascal, der in seinen „Pensées" formulierte: Einheit, die nicht von Vielheit abhänge, sei Diktatur; umgekehrt sei Vielheit ohne Einheit Anarchie. Die Ökumene brauche beides - Einheit und Vielfalt, so Koch. Gemeinsam sei zu klären: „Wie viel Einheit braucht es, und wie viel Vielfalt ist möglich?"

Wie eine Einheit unter den Kirchen aussehen muss, werde von den Kirchen sehr unterschiedlich beantwortet, erklärte Koch. Der Dialog mit den Orthodoxen dazu gestalte sich anders als jener mit den Protestanten, erst recht mit den Pfingstkirchen. Eigenständigkeiten müssten nicht zwangsläufig aufgegeben werden, verwies Koch auf die von Papst Benedikt XVI. für übertrittswillige Anglikaner geöffneten Türen. Ihnen habe der Papst erklärt: „Ihr könnt euren spirituellen, liturgischen, disziplinären Rucksack mitnehmen, ihr müsst nicht alles vor der Tür ablegen.“

Auch in der katholischen Kirche gebe es eine enorme Vielfalt, erklärte der Kardinal, etwa zwischen den katholischen Ostkirchen und der lateinischen Kirche, die auch ein unterschiedliches Kirchenrecht hätten.

Mehr Kooperation in „weltlichen" Fragen

Jedenfalls möglich ist nach der Überzeugung Kochs ein koordiniertes Vorgehen der Kirchen in politischen Fragen und bei Krisenfällen: Er halte es sogar für „dringend notwendig", großen Herausforderungen wie den Flüchtlingsbewegungen gemeinsam und mit gebündelten ökumenischen Kräften zu begegnen. Als vorbildlich stufte der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates die gemeinsame Initiative der katholischen Gemeinschaft Sant' Egidio mit den Waldensern ein, für Flüchtlinge humanitäre Korridore vom Libanon, von Marokko und Äthiopien nach Italien einzurichten. Auch der vor einem Monat in München durchgeführte Kongress des ökumenischen Netzwerkes „Miteinander für Europa" weise in die richtige Richtung.

Frauenweihe: „Riesenproblematik" für jede Kirche

In dem Journalistengespräch ging Kardinal Kurt Koch auch auf die Frage des Frauenpriestertums ein und warnte diesbezüglich vor drohenden Spaltungen und Zerreißproben innerhalb der Kirchen. Die Frage der Öffnung von Weiheämtern für Frauen bringe fast alle Kirchen „in eine Riesenproblematik hinein", sagte er in Kremsmünster. Auch unter den Lutheranern gibt es nicht wenige Kirchen ohne Frauenordination, in Lettland sei die Entscheidung dafür erst jüngst wieder zurückgenommen worden. „Und diejenigen Kirchen, die das haben, zum Beispiel die anglikanische Kirche, stehen wegen der Einführung der Ordination von Bischöfinnen vor einer Zerreißprobe", erinnerte Koch. Deshalb müsse diese Frage „mit äußerster Sensibilität angegangen werden", um keine Spaltungen auszulösen.

Der Kurienkardinal wies auch darauf hin, dass es dazu „die sehr schwerwiegende Entscheidung von Papst Johannes Paul II." gebe, wonach er nicht die Vollmacht habe, das Priesteramt für Frauen zu öffnen. „Und das ist auch von Papst Franziskus bestätigt, dass diese Frage für ihn nicht offen ist."

Der „Ökumene-Minister" der katholischen Kirche äußerte sich am Schlusstag der Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster, die vom 13. bis 15. Juli den „Anstößen der Reformation" gewidmet war.

(kap 16.07.2016 gs)








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