2016-07-10 08:45:00

Kampf gegen den Welthunger - auch im Interesse reicher Länder


Hunger und Perspektivlosigkeit: das sind neben Kriegen die Hauptgründe für Fluchtbewegungen. Die Hunderttausenden von Flüchtlingen, die gerade in jüngster Zeit an die Grenzen wohlhabenderer und friedlicherer Länder schwemmen, stellen sogar den mächtigen Solidar- und Wirtschaftsverbund Europa vor eine nie da gewesene Zerreißprobe. Umso wichtiger, einen Fürsprecher wie Papst Franziskus zu haben, der auf Nachhaltigkeit und Solidarität pocht, sagt uns Botschafter Hinrich Thölken. Er leitet die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Landwirtschafts- und Ernährungsinstitutionen des UN-Systems, die in Rom ansässig sind. „Es ist eine sehr große Unterstützung. Die katholische Kirche und der Papst genießen eine sehr hohe moralische Autorität. Die Tatsache, dass dieser Papst den Weg zum Welternährungsprogramm WFP und zur FAO gesucht hat, zeigt ja auch, dass er sehr nahe an den realen politischen Problemen arbeiten will,“ sagte der Botschafter uns im Interview. Die von ihm betreuten UN-Organisationen haben sich ganz dem Kampf gegen Welthunger verschrieben: Neben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der FAO sind dies das Welternährungsprogramm WFP sowie der Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung IFAD.

Papst Franziskus und der Kampf gegen Welthunger

Erst Mitte Juni stattete Papst Franziskus dem Welternährungsprogramm einen Besuch ab und betonte in seiner Ansprache, wie wichtig das gemeinsame Ziel sei, den Hunger auf der Welt nachhaltig zu bekämpfen. Botschafter Thölken: „Zwischen FAO, Welternährungsprogramm WFP und IFAD auf der einen Seite und auf der anderen Seite dem Heiligen Stuhl gibt es eine große inhaltliche Übereinstimmung. Hunger und Armut sind zu bekämpfen, und es geht darum, für den Menschen eine Existenz in Frieden und in Sicherheit zu gewährleisten.“

Ehrgeiziges Ziel der Vereinten Nationen: Kein Hunger mehr auf der Welt im Jahr 2030. Einer aktuellen Studie zufolge leiden derzeit rund 800 Millionen Menschen an Mangelernährung. Insbesondere das Welternährungsprogramm WFP ist auf freiwillige Zuwendungen der Geberländer angewiesen. „Wir sehen ja erfreulicherweise, dass das WFP, das durch freiwillige Spenden finanziert wird, zur Zeit durchaus Zuwächse im Budget zu verzeichnen hat. Die Tatsache, dass der Papst sich dafür ausspricht, den Menschen zu helfen und sie aus ihrer schlechten Lage herauszuholen, hilft dabei sicherlich,“ würdigt der Botschafter den Beitrag des Papstes. Bei seinem Besuch des WFP hatte Papst Franziskus den Einsatz der Mitarbeiter für den Kampf gegen den Hunger gewürdigt und eindringlich davor gewarnt, sich an die Bilder des Hungers in der Welt zu gewöhnen. Doch leider, so der Botschafter mit einem Augenzwinkern, täten die Regierungen heutzutage nicht mehr automatisch das, was der Papst ihnen vorschlage.

Hunger und Perspektivlosigkeit 

Allerdings hat sich mittlerweile auch in den hintersten Bänken des Politikbetriebes eine wichtige Erkenntnis herauskristallisiert: Ohne eine Perspektive vor Ort zu schaffen, auch und vor allem in Krisengebieten, wird das Flüchtlingsdrama kein Ende finden. Deshalb schafft der Strom an Flüchtlingen, der gerade in Deutschland auf ein besseres Leben hofft, auch in der breiten Öffentlichkeit eine zunehmende Sensibilisierung für die Arbeit der Vereinten Nationen bei der Hungerprävention und Nothilfe, betont Thölken:

„Ich glaube dass die Erfahrung der Ankunft vieler Hunderttausend Menschen in Deutschland dazu geführt hat, dass man sich die Frage stellte, woher kommen diese Menschen denn eigentlich und warum haben sie sich auf den Weg gemacht? Und da kommt man sehr schnell zu den Themen, die wir hier behandeln, Hunger, Armut, ländliche Entwicklung und humanitäre Hilfe. Das sind die zentralen Themen der drei Organisationen der Vereinten Nationen hier in Rom.“

Fluchtursachenbekämpfung

Das neue Schlagwort der deutschen Politik: Fluchtursachenbekämpfung. Botschafter Thölken ist dafür verantwortlich, dass die Gelder, die Deutschland als einer der größten Geldgeber der Vereinten Nationen für diese Belange zu Verfügung stellt, auch in die richtigen Kanäle gelangen.

„Warum gehen Menschen aus ihren Heimatländern weg? Das passiert, wenn dort Kriege stattfinden, größere Katastrophen passieren, die eine etwas längere Wirkung entfalten. Dann suchen diese Menschen Zuflucht woanders. Im Fall der Lage von Syrien haben wir gesehen, dass viele Menschen zuerst in die Nachbarländer Syriens, also Türkei, Jordanien und Libanon, geflohen sind. Als sie dann feststellten, dass sie dort keine Zukunft haben oder schlicht Hunger leiden mussten, haben viele beschlossen, von dort auszuwandern und nach Europa zu gehen.“

Ein wichtiges Etappenziel ist zumindest bis Ende 2016 erreicht: Mit einer Rekordhilfe von 570 Millionen Euro hat Deutschland in diesem Jahr Nothilfe-Programme des WFP in Syrien und den Nachbarländern unterstützt. Damit ist die Versorgung für Flüchtlinge, die vor dem Konflikt aus Syrien in die Anrainerstaaten geflohen sind, zumindest bis Jahresende sicher gestellt – für die Zeit danach müssen nun aufs neue Gelder eingeworben werden, um die nächste vorhersehbare Flüchtlingswelle frühzeitig einzudämmen. 

Hintergrund

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO ist die älteste und größte Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Etwa 3400 Mitarbeiter arbeiten in Rom und auf der ganzen Welt dafür, den Hunger weltweit zu bekämpfen und den Lebensstandard vor allem der Menschen in ländlichen Gebieten zu verbessern. Derzeit sind 194 Staaten und die Europäische Gemeinschaft als Staatenverbund Mitglied der FAO. Sie verfügt über ein großes Expertenwissen zu Ernährung und Landwirtschaft, was sie zu einem wichtigen Berater für die Mitgliedsländer sowie andere UN-Einrichtungen macht. Generaldirektor der FAO ist aktuell der Brasilianer Jose Graziano de Silva; Papst Franziskus hat im November 2014 eine Ansprache vor dem Plenum der Organisation gehalten.

Auch der International Fund für landwirtschaftliche Entwicklung (International Fund for Agricultural Development - IFAD) ist eine in Rom ansässige Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Ihre Aufgabe ist es, kleinbäuerliche Landwirtschaft mit Beratung und dem Zugang zu Krediten zu fördern. Damit soll ein Beitrag zur Schaffung von Ernährungssicherheit und Bekämpfung der Armut in ländlichen Gebieten geleistet werden. Die Sonderorganisation wurde 1977 gegründet. Deutschland ist Gründungsmitglied. Aktuell hat IFAD 176 Mitglieder, Präsident ist der Nigerianer Kanayo Nwanze.

Das Welternährungsprogramm (World Food Programme - WFP) ist ein gemeinsames Programm der Vereinten Nationen und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO). Im Unterschied zu FAO und IFAD hat es nicht den Status einer Sonderorganisation, das heißt, die Beiträge zu seiner Arbeit sind freiwillige Leistungen der Internationalen Gemeinschaft. WFP könnte als „Task Force“ der Vereinten Nationen zur Nothilfe bezeichnet werden. Seit 1963 (Gründungsjahr 1961) ist das Programm weltweit aktiv. Auf schnelle und professionelle Weise können Nahrungsmittel beschafft und dort verteilt werden, wo sie dringend benötigt werden. Zusätzlich nimmt das WFP in vielen Fällen Koordinationsaufgaben im Bereich der Logistik und Telekommunikation wahr. Das Welternährungsprogramm ist die größte humanitäre und Entwicklungshilfeorganisation der Vereinten Nationen. Papst Franziskus hat das WFP, das ebenfalls in Rom ansässig ist, im Juni 2016 besucht und die teils unter Lebensgefahr vorgenommene Arbeit der Mitarbeiter für die Linderung der Not auf der Welt eindrücklich gewürdigt. Die Direktorin des Programms ist seit 2012 die US-Amerikanerin Ertharin Cousin.

(rv/pm 09.07.2016 cs)








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