2016-07-07 09:00:00

Nordkoreanische Zwangsarbeiter in Europa


Nordkoreanische Zwangsarbeiter mitten in Europa, heute: Das gibt es nicht, denkt man, und doch ist es bittere Realität, wie eine Studie vom Asienzentrum der Universität Leiden in den Niederlanden herausgefunden hat. Laut einem UN-Bericht arbeiten weltweit rund 50 000 nordkoreanische Zwangsarbeiter, die meisten von ihnen in Asien und Afrika. Insgesamt nimmt die wegen ihres Atombombenprogramms mit Sanktionen belegte Diktatur weltweit durch Zwangsarbeiter geschätzt bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr ein. Dietmar Roller ist Vorsitzender des deutschen Zweigs der internationalen Menschenrechtsorganisation International Justice Mission (IJM) und für andere Nicht-Regierungsorganisationen als Berater in der Entwicklungshilfe. Im Gespräch mit Pia Dyckmans erklärt Roller, wie eine Diktatur - trotz internationaler Isolation und Sanktionen - Zwangsarbeiter nach Europa schicken kann.

Dietmar Roller: „Insgesamt geht man davon aus, dass es in weit über 40 Ländern weltweit so ist. Man kann natürlich heutzutage in Zeiten der Globalisierung ganz viel erreichen, indem man Arbeitsagenturen gründet oder hat, mit denen man zusammen arbeiten kann, über die dann Menschen in Zwangsarbeit oder Zwangsarbeitsähnlichen Verhältnissen überführt werden können.“

Radio Vatikan: Bei den Agenturen ist aber bekannt, dass sie nordkoreanischen Unternehmen  gehören. Gibt es durch Sanktionen nicht Mittel, um mit solchen Firmen nicht zusammen zu arbeiten?

Roller: Bisher hat man dieses Problem, so glaube ich, in der Politik und in der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen. Auf der anderen Seite, immer wenn einer eine private Firma gründet, sieht man nicht direkt, wo das hinführt. Aber wenn man vom Grund her schaut, wie die Menschen ausgebeutet werden, was für Arbeiten die machen. Dann dürfte das alleine schon wegen den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen in Europa nicht vorkommen, die meistens nicht eingehalten werden. Die Menschen arbeiten zum Teil bis zu 17 Stunden am Tag, bekommen den Lohn nicht selber, der wird ihnen vorenthalten, geht dann direkt an die Regierung. Solche Dinge sind mit dem europäischen Recht nicht vereinbar.“

RV: Die Studie der Universität zeigt, dass mit der Zwangsarbeit auch das System der Unterdrückung importiert wird. Von was für Arbeitsverhältnissen sprechen wir hier?

Roller: „Auf der einen Seite kommen einige freiwillig, weil sie aus dem Land herauskommen wollen. Aber dann kommt hinzu, dass sie in dem Land, in dem sie sind – ob das Katar, China, Russland oder Polen ist – in Gruppen zusammenleben, da ist ein hoher Gruppendruck, dass sie ganz genau überwacht werden. Und sie können kaum rebellieren. In Nordkorea herrscht immer noch die Sippenhaftung. Das heißt, bei der Auswahl der Menschen wird stark darauf geachtet, dass sie Familien haben, Familien, auf die man Druck ausüben könnte, wenn jemand wegläuft oder wenn etwas passiert. Von daher wird quasi das System, das in Nordkorea herrscht, in Länder wie Polen, Russland, Katar oder China übertragen.“

RV: Wie können Sie sich erklären, dass das System u.a. in Polen, also Europa, so funktioniert?

Roller: „In Polen kann man nur vermuten, dass es in einzelnen osteuropäischen Ländern immer noch gute Verbindungen aus früherer kommunistischer Zeit gibt. Sogenannte Seilschaften, die das immer noch nutzen und auch nutzen können. In Polen geht man davon aus, dass es ein Freundeskreis ist, der schon lange zwischen Nordkorea und Polen existiert, der an der Vermittlung mit beteiligt ist.“

RV: Was ist der Sinn hinter diesem Export des Systems der Unterdrückung?

Roller: „Nordkorea ist immer klamm an Devisen und muss sehen, wie Geld hereinkommt. Das Land hat verschiedene Abteilungen, die darauf angewiesen sind, Devisen zu erwirtschaften, die auch unter sehr hohem Druck stehen. Da kommt man auf kreative Ideen, eine davon ist eben diese. Schon seit Jahrzehnten ist es lukrativ, Arbeitskräfte nach außen zu geben und sie dann quasi für den Staat arbeiten zu lassen. Im Prinzip geht es darum, Geld für den klammen Staat zu erwirtschaften.“

RV: Gibt es politische Pläne, dieses System zu stoppen?

Roller: „Mir ist bisher nichts bekannt, aber ich denke mit der Bekanntgabe dieser Studie der Universität aus Leiden ist nun wichtig, dass die EU und die Politiker sich damit beschäftigen. Zu fragen wäre auch einmal, wie es in Deutschland aussieht. Ich weiß es nicht, aber gibt es hier vielleicht auch solche Systeme, von denen wir bisher noch nichts wussten?“

(rv 30.06.2016 pdy)

 








All the contents on this site are copyrighted ©.