2016-06-06 14:48:00

Minen räumen am Ort der Taufe Jesu


Eine der heiligsten Stätten der Christenheit ist gleichzeitig eine der unzugänglichsten: die Taufstelle Jesu am Jordan. Der Quadratkilometer am Rand der palästinensischen Westbank, auf dem sich sieben Kirchen und Klöster erheben, ist seit fast fünfzig Jahren eine No-go-Zone; Tausende von Tretminen und Sprengfallen lauern seit dem Sechstagekrieg von 1967 hier im Boden. Jetzt sollen die Minen geräumt werden. Ein britischer Verband, der „Halo Trust“, hat dazu schon das Plazet aller beteiligten christlichen Konfessionen eingeholt – und natürlich auch das Plazet der israelischen Besatzer.

„Wir sind alle sehr aufgeregt darüber und glauben, dass darin eine riesige Symbolik steckt“, sagt James Cowan vom „Halo Trust“ im RV-Interview. „Uns allen ist ja klar, was für ein wichtiger Ort das ist. Es ist doch sehr traurig, dass ausgerechnet der Ort der Taufe Jesu die Menschen ausschliesst und dass der römisch-katholischen und anderen Kirchen der Zugang zu ihr schon so lange verweigert wird! Wir haben sehr hart mit den Israelis, den Palästinensern und allen christlichen Gruppen verhandelt, bis endlich der Konsens erreicht war: Das ist ein guter Plan, eine gute Sache. Uns ist es gelungen, alle drei großen Religionen – Christentum, Judentum und Islam – für den Plan zu erwärmen. Also, ein aufregendes Projekt.“

Qar al-Jahud – Judenburg. Das ist für Palästinenser der Name dieser Zone am Westufer des Jordan. Gleich gegenüber liegt Jordanien – auch dort wird übrigens eine Taufstelle Jesu verehrt, die für Pilger gut zugänglich ist und die auch Papst Franziskus vor zwei Jahren besucht hat. Für Johannes Paul II., der im Heiligen Jahr 2000 ins Heilige Land reiste, wurde Jesu Taufstelle auf palästinensischer Seite für wenige Stunden zugänglich gemacht; dabei wurde aber nur ein schmaler Streifen von Minen gesäubert.

„Der Halo Trust hat schon viel Erfahrung mit so heiklen Themen. Wir haben schon verminte Tempelanlagen in Kambodscha wieder freigeräumt, oder auch Herat in Afghanistan und ein orthodoxes Kloster im Kosovo. Natürlich ist die Politik im Westjordanland noch einmal komplizierter – doch das hat alles schließlich gut geklappt. Ich kann Israelis und Palästinenser da nur loben; auch der ökumenische Geist, den die Kirchen in dieser Angelegenheit bewiesen haben, ist herzerfrischend! Es gab nicht viel Negatives rund um dieses Projekt; das wurde eine sehr positive Erfahrung.“

Die Zone am Jordan, die der Halo Trust von Minen säubern will, ist relativ klein, so James Cowan. „Der weitaus größte Teil – etwa eine Million Quadratmeter – ist weiter voller Minen. Panzerbrechende Minen, Anti-Personen-Minen, die Kirchen selbst sind voller Sprengfallen, und überall liegen außerdem noch nicht explodierte Bomben und Granaten des Kriegs herum. Die Taufstelle ist sehr alt, aber die Kirchen selbst wurden erst in der Zeit des britischen Mandats erbaut, sind also eher modern. Seit dem Ende des Sechstagekriegs vor fünfzig Jahren durfte sie niemand mehr betreten.“

Die Zahl der zu räumenden Minen ist sehr hoch; man kenne, sagt Cowan, ihre ungefähre Zahl, weil das israelische Militär ziemlich genau Buch geführt habe. 4.000 Minen müssen die Räumfahrzeuge aufspüren. „Dazu kommen aber noch viele weitere Minen im Westjordanland und in Gaza; wir wissen ja, dass diese Weltregion nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sehr viele Kriege erlebt hat. Beide Seiten setzen zu Defensivzwecken Minen ein, um den Vormarsch ihres Gegners zu stoppen. Darum ist es so attraktiv, dieses Gelände jetzt mal zu reinigen und wieder seinem eigentlichen Gebrauch zuzuführen!“

Natürlich hoffen alle Seiten auf einen kräftigen Anstieg der Pilgerzahlen in dieser Region. Schon jetzt dürfen manchmal kleinere Gruppen die Taufstelle besuchen, dabei bewegen sie sich allerdings nur auf dem engen Streifen, der vor sechzehn Jahren für Johannes Paul II. geräumt worden ist. „Es wird künftig nicht mehr nur einen kleinen Punkt am Jordan geben, den man erreichen kann, sondern mehrere Punkte, für jede einzelne christliche Konfession! Aber ich sehe da auch eine breitere Symbolik: In einer Zeit, in der in vielen Teilen der Welt Orte mit historischer und religiöser Bedeutung zerstört werden, machen wir einen solchen Ort neu der Öffentlichkeit zugänglich – und nicht irgendeinen, sondern den Ort der Taufe Jesu, einen der großen Orte des Christentums!“

Das Schwierigste stehe allerdings jetzt erst noch bevor: Der „Halo Trust“ braucht drei Millionen US-Dollar, um das Projekt zu finanzieren. Er bittet vor allem Christen aus aller Welt, sich zu beteiligen.

(rv 06.06.2016 sk)








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