2016-05-12 13:33:00

Schönborn vor Wahl: Einigung Europas nicht „zurückbuchstabieren“


Kardinal Christoph Schönborn hat im Blick auf die anstehende Stichwahl zum Bundespräsidentenamt davor gewarnt, den Prozess der europäischen Einigung „zurückzubuchstabieren“. Wie „seit Jahrzehnten üblich“, geben er und andere Bischöfe keine Wahlempfehlungen ab, im Vertrauen darauf, dass die Katholiken in Österreich nach ihrem besten Wissen und Gewissen entschieden, sagte er in einem Interview in der „Kleinen Zeitung“ vom Donnerstag.

Zugleich sprach sich der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz dafür aus, den Weg des Aufeinanderzugehens der europäischen Länder nicht zu verlassen. „Weil ich zutiefst überzeugt bin vom Friedensprojekt Europa, das nicht vollkommen ist”, begründete der Kardinal. Gegenüber einer „abgeschotteten Nationalstaatlichkeit, die so viel Unheil über Europa gebracht hat“, sei der Weg der Einigung „unvergleichlich wünschenswerter“. Dass hier in der Flüchtlingsfrage ein „Auseinanderbrechen“ drohe, halte er „sogar für das eigentliche Drama“, erklärte Schönborn. “

Zu den zur Wahl stehenden Bundespräsidentschaftskandidaten äußerte sich der Wiener Erzbischof nicht. Beide Kandidaten kämen aus politischen Richtungen, die in manchen Aspekten ein „gewisses Naheverhältnis zum Christentum“ haben; bei anderen Punkten gebe es „eher kritische Distanz“. Bei allen bestehenden „unterschiedlichen Sensibilitäten und Traditionen“ würden aber alle Parteien, die innerhalb des Verfassungsbogens sind, „in die politische Landschaft Österreichs“ gehören. Er - Schönborn - werde dem von der Mehrheit der Bevölkerung gewählten Bundespräsidenten „respektvoll gegenüberstehen“.

Statt sachlich über Chancen, Gefahren und Herausforderungen der Zuwanderung zu reden, habe sich in Österreich „ein Klima der Angst verbreitet, das auf einfache Antworten hofft“. Die Grenzen zuzumachen und eine pauschalisierende „Negativcharakterisierung von Flüchtlingen“ seien solche simplen Antworten. Dass die Stimmung im Land aufgrund der Flüchtlingsthematik sehr besorgt ist, sei „verständlich“. Jedoch, wie Schönborn einschränkte: „Die Verheißung einfacher Lösungen wird einmal eingelöst werden müssen. Dessen muss sich jede politische Partei bewusst sein.”

Er selbst habe „von Anfang an sehr klar gesagt, dass die Bereitschaft, Flüchtlingen zu helfen, nicht grenzenlose Offenheit bedeuten kann“. Angesichts von potenziellen 200 Millionen Flüchtlingen aus Afrika und dem Nahen Osten sei es „das Vordringlichste, den Menschen zu Lebensmöglichkeiten in ihrer Heimat zu verhelfen, statt sie in Österreich teuer, aufwendig und nicht immer mit Erfolg zu integrieren“. Dazu nötig seien endlich Frieden in Syrien und ein Marshallplan für Afrika. Auf jeden Fall sei festzuhalten: „Flüchtlinge sind als Flüchtlinge zu behandeln. Das ist Völkerrecht! Das ist Menschenrecht!”, betonte Schönborn.

Die Wende in der Flüchtlingspolitik hin zu Grenzschließungen war nach den Worten des Kardinals auch ein Punkt, mit dem er sich beim jüngst zurückgetretenen, ansonsten von ihm geschätzte Bundeskanzler Werner Faymann „schwergetan“ habe. Diesen Kurswechsel, die für Schönborn nur „als provisorische Notmaßnahme“ akzeptabel sei, habe freilich die ÖVP schon vor Faymann vollzogen. Mit dem Kanzler habe er „eine ausgezeichnete Gesprächsbasis” gehabt. Faymann sei „ein überzeugter Christ“, kirchlich verheiratet, mit getauften Kindern, nie aus der Kirche ausgetreten. „Das ist für einen engagierten Sozialdemokraten doch auch ein beachtliches Zeugnis”, so Schönborn.

Auf die Frage, ob Faymann nicht zu sehr „Moderator“ gewesen sei und Mut zu Reformen habe vermissen lassen, antwortete der Kardinal, auch er „hätte erwartet, dass SPÖ und ÖVP die dringend notwendigen Reformschritte setzen in der Pensionsfrage, in der Bundesstaatsreform und und und. Dazu gibt es schließlich eine Große Koalition.” Versäumnisse hier könne man aber nicht einseitig Faymann vorwerfen. „Das ist schon ein Problem der Koalition insgesamt gewesen“, sagte Schönborn. Er kenne „keinen Kanzler, keinen Bischof und nicht einmal einen Papst, der alle Qualitäten hat, die für sein Amt wünschenswert wären“.

 

(kap 12.05.2016 cz)








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