2016-05-11 11:55:00

D: Kranke sind kein Systemfehler


Krankenhäuser sind für Patienten da, aber sie sind auch Wirtschaftsbetriebe. Dass diese beiden Zwecke öfters miteinander kollidieren, weiß jeder, der schon einmal auf Behandlung hat warten müssen oder sich über mangelnde Ausstattung beklagt hat. Nun hat der Deutsche Ethikrat dazu eine neue Empfehlung heraus gegeben; es ist die letzte des Rates in der alten Zusammensetzung. Mit dabei war auch noch der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, der im Interview mit dem Domradio betont, dass das Patientenwohl Vorrang haben müsse. „Wir sehen das Krankenhaus auch immer wieder als Apparat, in dem Ärzte, Heilende, Pflegende und auch Patienten an ihre Grenzen stoßen“, so Losinger. „Es fehlt einfach die Ressource Zeit. Zudem kann Zuwendung nicht in dem Maße gegeben werden, wie man es sich wünschen würde. Deshalb kam es zu dieser Stellungnahme. Das Patientenwohl ist das zentrale ethische Kriterium, nach dem ein Krankenhaus organisiert sein muss.“ Krankheit sei keine „Funktionsstörung“, es sei eine Lebenssituation, die als solche wahrgenommen werde müsse. Hier gebe es aber oft genug den Konflikt. „Wir haben beispielsweise immer wieder Patienten, die darüber klagen, dass Ärzte im Hinblick auf ihre Krankheit keine Zeit haben. Auch Pflegende haben zu wenig Zeit, um sich um sie zu kümmern. Auf der anderen Seite werden bei der Verrechnung der Dienste maschinelle und technische Anwendungen sehr viel höher bewertet als menschliche Zuwendung“, fasst Losinger die Kosten-Nutzen Logik, die es bei Krankenhäusern auch geben muss, zusammen. „Da Geld immer knapp ist und Knappheit geradezu eine Lebensmaxime unter den Ökonomen ist, muss man sehen, wie man mit knappen Ressourcen ein möglichst optimales Ergebnis für kranke Menschen erreicht.“ Der Deutsche Ethikrat stelle die Frage, ob das aktuelle Verrechnungssystem von Leistungen adäquat sei. Man könne Gesundung nicht planen, es brauche Begleitung und langfristige Pflege, das ließe sich im augenblicklichen System nicht gut darstellen.

Ein erster Schritt wäre nun eine andere Perspektive auf Krankheit und Heilung. „Es muss darauf hingewiesen und darauf hingearbeitet werden, dass kranke Menschen nicht ein Systemfehler sind, sondern sich in einer existentiellen Lage mit Fragen und Ängsten befinden. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass Pflege besser organisiert wird und auch dort, wo es notwendig ist, besser ausfinanziert werden kann, damit kranke Menschen in ihrer spezifischen Pflegesituation die notwendige Hilfe erfahren.“ Und schließlich müsse ganz praktisch auch das Verrechnungssystem, das kranken Menschen in einer Vielzahl von Fällen nicht gerecht werde, neu angedacht werden.

(domradio 11.05.2016 ord)








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