2016-05-05 11:56:00

Brasilien: „Das ist ein hässlicher, schwieriger Moment“


Die Schlinge zieht sich immer weiter zu: Eine Sonderkommission des brasilianischen Senats hat jetzt empfohlen, Präsidentin Dilma Rousseff vom Amt zu suspendieren. Das entsprechende Votum im Senat findet am nächsten Mittwoch statt, und von den Zahlen her scheint es klar, dass die Staatschefin (zunächst für maximal 180 Tage) noch am Mittwoch ihren Sessel räumen muss.

Es ist nur der neueste Akt in einer immer weiter eskalierenden Staatskrise in Brasilien. Kardinal Orani João Tempesta versucht allerdings, die Ruhe zu bewahren. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagt der Erzbischof von Rio:

„Es ist schon das zweite Mal, dass es in Brasilien so ein Amtsenthebungs-Verfahren gibt. Das erste Mal war unter Präsident Collor (de Mello); dieser verzichtete damals (1992) auf sein Amt, bevor das Verfahren an sein Ende kam. Aber das waren andere Zeiten... Das jetzige Amtsenthebungs -Verfahren ist schon durch das Parlament gegangen und wird nun im Senat verhandelt. Die Kirche hat Vertrauen zu den Institutionen und betet darum, dass das Volk in diesem Augenblick geeint bleibt. Wir wissen, dass es auch in der Kirche Menschen für und Menschen gegen die Präsidentin gibt, für und gegen Lula; doch die Kirche muss geeint bleiben. Das ist ein hässlicher, schwieriger Moment.“

Es mache ihm besonders zu schaffen, dass gegen Lula – Rousseffs Amtsvorgänger an der Staatsspitze – wegen Korruption ermittelt wird, sagt Tempesta noch. Und auf die Frage, ob Brasiliens Krise nicht auch eine Belastung für die Olympischen Spiele bedeutet, die in weniger als hundert Tagen in Rio starten sollen, sagt er unumwunden:

„Ja. Das kann gar nicht anders sein: Was dem Land passiert, passiert auch Rio. Rio ist übrigens ein eher armer Bundesstaat. Aber die Planungen für die Olympischen Spiele gehen natürlich weiter, und es ist für Rio sehr wichtig, die Völker der Welt dort gut zu empfangen. Vielleicht tut es uns auch ganz gut, mal diesen Kontakt zu Menschen aus anderen Ländern zu haben – aus Ländern, die manchmal untereinander verfeindet sind, deren Sportler aber für Olympia geeint antreten. Diese Eintracht färbt hoffentlich ein bisschen auf uns ab. Eine antike griechische Tradition bestand ja darin, dass während der Olympischen Spiele keine Kriege geführt werden durften. Hoffen wir also, dass im Moment der Spiele auch in Rio und generell in Brasilien nicht Krieg herrscht, sondern Frieden!“

Das mit dem Krieg meint der Zisterzienser, der seit 2009 Erzbischof von Brasiliens heimlicher Hauptstadt ist, natürlich nur metaphorisch. Was die Kirche betreffe: Die habe angesichts der heranrückenden Spiele ihre Hausaufgaben gemacht. Sie will, so kündigt er an, dafür sorgen, dass die Sportler im Olympischen Dorf ihre jeweiligen Religionen frei praktizieren können. „Wir arbeiten auch mit Adveniat zusammen, das eine Reihe von deutschen Unternehmen dazu gebracht hat, insgesamt 17 soziale Projekte während der Spiele in Gang zu bringen.“ Das Erzbistum Rio will Sportlern wie angereisten Zuschauern in möglichst vielen Sprachen geistliche Begleitung „direkt am Spielfeldrand“ bieten, sagt der Kardinal.

Aber dann kommt er natürlich doch wieder auf Rousseff zu sprechen, auf das Amtsenthebungs-Verfahren, auf die Krise. „Ich habe den Heiligen Vater gebeten, in diesem heiklen Moment für unser Land, für Brasilien zu beten. Er hat gesagt, er verfolge die Lage, sei besorgt und bete für unser Land.“

(rv 05.05.2016 sk)








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