2016-03-30 09:19:00

Schönborn: Flüchtlingshilfe vor Ort effektiver als Zäune


„Bei der Flüchtlingshilfe vor Ort sparen und gleichzeitig in Europa Zäune bauen ist unlogisch“: Das hat Kardinal Christoph Schönborn am Rande eines Solidaritätsbesuchs bei Christen im Irak gesagt. Die Hilfe für die von Verfolgung und Flucht betroffenen Menschen im Nahen Osten sei allemal effektiver und letztlich auch günstiger, als in Europa Zäune zu errichten: „Es genügen vergleichsweise geringere Mittel als jene, die wir jetzt für Flüchtlinge hier im Land aufwenden müssen, wenn wir den Menschen hier vor Ort helfen würden“, so der Wiener Erzbischof. Wenn Menschen in ihrer Heimat selbst eine Zukunft erkennen könnten, würden sie sich nicht auf den gefährlichen Weg in Richtung Europa machen. Dies sei „eine europäische Aufgabe - aber auch eine österreichische“.

Der Wiener Erzbischof hielt sich bis diesen Mittwoch in Erbil, der Hauptstadt der autonomen irakischen Region Kurdistan auf, wo er Flüchtlingslager besuchte und Gespräche mit kirchlichen und politischen Vertretern führte. Bei Besuchen in verschiedenen Flüchtlingslagern sprach der Kardinal den Menschen Mut zu und versicherte sie seiner Solidarität. Zugleich rief er seine Kollegen im Bischofsamt auf, weiterhin die Christen in der Region der Solidarität zu versichern – etwa in Form von Besuchen und Begegnungen. „Das ist ein ganz wichtiges Zeichen für die Menschen in der Region“, sagte Schönborn.

Ebenso wichtig sei es, die Hilfsprogramme für die Flüchtlinge in den Ländern um Syrien nicht herunterzufahren. Er sei mehrfach mit Berichten konfrontiert worden, dass die Hilfe etwa für Christen in der Region in den vergangenen Monaten spürbar zurückgegangen sei, so Schönborn. „Das ist fatal, denn dann entscheiden sich noch mehr Menschen, die Flucht als Alternative zu wählen.“ Zugleich gebe es immer wieder auch motivierende und hoffnungsvoll stimmende Berichte, dass auch Muslime „sehr energisch bitten, dass die Christen doch bleiben sollen - weil sie spüren, dass die Präsenz der Christen vor Ort ein wichtiges Element für die Gesellschaft und die Kultur hier darstellt“.

Schließlich warnte Schönborn vor einem undifferenzierten Blick auf den Islam: Zwar seien die Erfahrungen der Christen vor Ort ernst zu nehmen, die auf eine zum Teil jahrhundertealte Konflikt- und Unterdrückungsgeschichte zurückblicken können; zugleich jedoch gebe es „auch Stimmen, die durchaus Chancen für ein tolerantes künftiges Zusammenleben sehen“, sagte der Kardinal. Es gelte, auf der einen Seite nicht „blauäugig“ zu sein im Blick auf radikalen Islamismus, auf der anderen Seite jedoch müsse mit dem Islam ein direkter, offener Dialog gepflegt werden - dies sei „allemal besser, als um den heißen Brei herumzureden“.

(kap 30.03.2016 ord)








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