2016-03-24 14:46:00

Irak: „Kampf gegen IS braucht Einheit, keine christlichen Milizen"


Im Irak formieren sich nach Monaten des Terrors durch den sogenannten „Islamischen Staat“ sogenannte christliche Milizen, die gegen die Fundamentalisten vorgehen wollen. Die chaldäische Kirche im Irak freilich hält das für keine gute Idee. In Bagdad erreichten wir den Patriarchen von Babylon, Louis Raphaël I. Sako, Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Kirche, der uns sagte: Einheit und nur Einheit kann allenfalls helfen im Kampf gegen den „Islamischen Staat“.

„Viele Leute haben uns geschrieben und gefragt, ob die Kirche diese Milizen unterstützt oder mit ihnen zu tun hat. Nun: Für uns ist das eine Gefahr, eine christliche Miliz zu machen. Sie sind nicht gut vorbereitet und ohnehin nicht dazu in der Lage, Mossul oder die Ninive-Ebene zu befreien. Es ist besser, mit der irakischen Armee zu sein oder der kurdischen Armee. Sie alle sind irakische Bürger und haben das Recht, zur Armee zu gehen, aber nicht, eine eigene Armee zu gründen, die von anderen geleitet wird. Und als Christen sollten wir nicht eine eigene Zielscheibe sein für all den Radikalismus, den es hier gibt. Das ist eine reale Gefahr, denn die Leute wurden bereits von Extremisten attackiert.“

Patriarch Sako beschreibt die sogenannten christlichen Milizen als paramilitärische Gruppen von etwa fünfzig oder hundert Kämpfern. „Das ist keine Armee, sondern ein Bataillon, ausschließlich aus Christen, und genau das ist die Gefahr: denn die anderen akzeptieren nicht eine rein christliche Kampfeinheit, die Muslime tötet, auch wenn das Extremisten sind. Das sind hier andere Gegebenheiten als im Westen.“

Das Oberhaupt der chaldäischen Kirche erinnert sich daran, dass bereits vor 20 Jahren der damalige Herrscher Saddam Hussein im Kampf gegen die Türkei eine christliche Miliz gründete. Fazit: „Fast alle ihre Angehörigen wurden getötet“, referiert Sako. Die derzeitige Lage der Christen im Irak wenige Tage vor Ostern bezeichnet der Patriarch als „sehr fragil“.

„In Bagdad kann man das Haus und die Stadt nicht verlassen, die Straßen sind abgesperrt. Es gibt einen Streik. Es gibt nichts Konkretes, keine Handlungen, nur Reden und Erklärungen. Auch die Wirtschaft ist Null. So kann man schlecht gegen den „Islamischen Staat“ vorgehen. Die Leute sind enttäuscht. Für uns Christen, die wir auf Ostern zugehen, ist es besonders düster. Als ich unlängst zur Kathedrale aufgebrochen bin, habe ich die Straßen versperrt vorgefunden, ich musste unverrichteter Dinge umkehren. Immer noch sind Teile des Irak vom Islamischen Staat besetzt. Es gibt einen Konflikt zwischen den Gruppen der Koalition, es wird gestritten um Geld, Boden, Macht. Die Leute sehen keinen Horizont.“

(rv 23.03.2016 gs)

 








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