2016-03-23 13:15:00

Brüssels Weihbischof nach den Anschlägen: „Nicht in Stereotype verfallen"


Nach den Terror-Anschlägen von Brüssel herrscht in ganz Belgien Ausnahmezustand. Zu MIttag läuteten die Glocken aller katholischen Kirchen und Kapellen im Land. Der König hat drei Tage Staatstrauer für die Todesopfer ausgerufen, und hinter den Kulissen wird fieberhaft nach den verantwortlichen terroristischen Netzwerken gefahndet; der sogenannte „Islamische Staat“ hat sich zu den Anschlägen bekannt.

Telefonisch erreichten wir den Weihbischof von Mecheln-Brüssel, Jean Kockerols. Er sagte uns, trotz der Tragik und der Angst der Bevölkerung vor weiteren Anschlägen sei dies „keine Stunde der Polemik“, vielmehr hätten sich die Menschen in Brüssel hinter die Regierung, die Einsatzkräfte und die Sicherheitsleute gestellt. „Die Worte sind heute noch verhalten und voller Trauer. Aber man muss sicherlich in Zukunft weiterhin an der Einheit arbeiten und an der Versöhnung. Man muss Vermischungen, Vereinfachungen meiden. Und beten.“

Risiko vor Generalverdacht

Der Brüsseler Weihbischof warnt zugleich davor, sich in Sorge, Angst und stereotypem Denken zu verschließen. „Das Grundmuster der unmittelbaren Reaktionen war sicherlich Angst. Es ist legitim, Angst zu haben, aber man muss mit dieser Angst auch umzugehen wissen und Vertrauen wiederfinden. Gewiss gibt es das Risiko, sich gedanklich einzuschließen, in Stereotype zu verfallen und bestimmte Kategorien oder Personengruppen unter Generalverdacht zu stellen. Dazu muss man wissen, dass in Brüssel gut 20 Prozent der Bürger muslimisch sind. Da besteht heute die Gefahr, dass man diesen Menschen noch mehr als bisher in Ghettos einschließt: städtische Ghettos, aber auch soziologische und ideologische Ghettos.“

Mit der muslimischen Gemeinde hat sich die katholische Kirche in Brüssel bisher noch nicht ausgetauscht, erzählt uns Weihbischof Kockerols. Das liege daran, dass „gerade in Brüssel“ kaum offizielle muslimische Würdenträger auftreten. „In der muslimischen Tradition gibt es viele Menschen, die Ämter einnehmen, aber die eher im eigenen Namen sprechen, weniger im Namen einer ganzen Gemeinschaft“, so der Weihbischof, der diesen Tatbestand als „Herausforderung für die kommenden Jahre“ bezeichnete. Ein Koordinierungsrat der Muslime habe das Attentat jedenfalls scharf verurteilt.

Belgien ist Papst Franziskus dankbar

Bereits seit den jüngsten Terroranschlägen von Paris war das Sicherheitsniveau im benachbarten Belgien sehr hoch gewesen. Nach den Brüsseler Attacken gilt nun die höchste Sicherheitsstufe. Wir fragten Belgiens Botschafter beim Heiligen Stuhl, Bruno Nève de Mévergnies, nach den Prioritäten der belgischen Regierung im Zug der Terroranschläge. „In diesem Moment habe wir die genaue Zahl der Toten ermittelt: es sind 31 und mehr als 200 Verletzte. Die erste Priorität ist, für die Verletzten zu sorgen und für die Kommunikation mit den Familien. Darüber hinausgehend hat die Regierung jetzt zwei Prioritäten: die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren und die Untersuchung über die Täter und die Komplizen so schnell wie möglich zu leisten.“

Papst Franziskus hatte noch am Tag der Anschläge selbst in einem Beileidstelegramm sein Entsetzen über die Attentate ausgedrückt, die er als Ergebnis „blinder Gewalt“ verurteilte. Nève de Mévergnies: „Belgien ist dem Heiligen Stuhl besonders dankbar für die Beileidsmitteilung des Papstes, die von Kardinal Parolin geschickt wurde. Wir schätzen aber auch sehr die Mitteilung von Pater Lombardi, der uns aufruft, den Hass nicht mit Hass zu beantworten, sondern mit Maßnahmen, die die Beziehungen in der Gesellschaft wieder aufbauen können. Wir sind gleichfalls berührt von den zahlreichen Nachrichten und Sympathiebezeugungen, die wir von überall her bekommen, unter ihnen die von dem Nuntius in Brüssel, Erzbischof Berloco. Das ist für uns wichtig, diese Bekundungen der Anteilnahme zu bekommen.“

Widerstände gegen religiöse Stellungnahme

„Der Herr erleuchte die vielen Personen, die gegen den Menschen gerichtete Pläne verfolgen“, lautete noch am Dienstag der geistliche Einwurf aus Brüssel von Nuntius Erzbischof Giacinto Berloco. „Ein Plan, der sich gegen Menschen richtet, richtet sich auch gegen Gott. Und bitten wir den Herrn, dass er Licht in den Geist und die Herzen dieser Personen bringe und dass es keine Ereignisse wie diese in Zukunft gibt. Das ist unser Wunsch und unser Gebet.“

Weihbischof Jean Kockerols hat in Brüssel allerdings auch gewisse Widerstände gegen eine solche dezidiert religiöse Stellungnahme registriert. „Ich höre Kritik an unserer Einladung zum Gebet. Aber das Gebet ist im Zentrum des Handelns. Es ist das Gebet von Maria zu Füßen des Kreuzes. Die Kirche war anwesend, zuhörend, demütig, aber gut sichtbar in dieser Prüfung. In den kommenden Tagen wollen wir uns mit unseren Brüdern und Schwestern der anderen christlichen Konfessionen im Gebet vereinen, in der Kathedrale von Brüssel.“

Chrisam-Messe in Brüssel abgesagt

Zugleich hat die Erzdiözese Mecheln-Brüssel einen für Dienstagabend in der Hauptstadt-Kathedrale geplanten traditionellen Ölweihe-Gottesdienst in der Karwoche abgesagt. Die Messe könne „aus offensichtlichen Sicherheitsgründen" nicht stattfinden. Die Osterfeiern an sich sind von der Maßnahme zunächst nicht betroffen.

(rv 23.03.2016 gs)








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