2016-03-15 12:49:00

Frankreich: Regierungschef mahnt Kardinal


Die Welle von Missbrauchsskandalen hat die französische Kirche erreicht. Ein Priester des Erzbistums Lyon wird des sexuellen Missbrauchs von Kindern bzw. Jugendlichen in den Jahren 1986 bis 1991 beschuldigt; einige Opfer werfen dem Erzbistum vor, die Fälle nicht zur Anzeige gebracht zu haben. Die Justiz ermittelt u.a. gegen den jetzigen Erzbischof, Kardinal Philippe Barbarin. Der sozialistische Premierminister Manuel Valls rief Barbarin an diesem Dienstag auf, „sich seiner Verantwortung zu stellen“. Er erwarte sich „nicht nur Worte, sondern auch Taten“, so Valls in einem Radio-Interview. Allerdings wolle er sich angesichts der laufenden Ermittlungen weder „an die Stelle der französischen Kirche“ noch „an die Stelle der Richter“ setzen.

Um Barbarin geht es auch in einem weiteren Fall, über den jetzt „Le Monde“ berichtete. Ein Mann, der als Junge in den neunziger Jahren von einem anderen Priester missbraucht worden sei, habe Barbarin 2009 darüber informiert. Dieser habe den Priester aber zunächst weiter in einer Pfarrei arbeiten lassen und auch die Justiz nicht informiert. Kardinal Barbarin reagierte darauf in einem Statement mit der Bitte, „seine Rechte, seine Ehre und die Unschuldsvermutung zu respektieren“.

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi betonte am Dienstag in einer Note: „Es ist klar, dass jede Form von Missbrauch an Minderjährigen ein schweres Verbrechen ist und die Auswirkungen auf die Opfer in ihrer Tiefe und Tragweite nicht zu unterschätzen sind.“ Zugleich wies er darauf hin, dass die Kirche in Frankreich und auf der Welt kontinuierlich einen „gebührenden und unbestreitbaren Einsatz“ für einen bewussten und verantwortlichen Umgang mit dem Thema mache. Er betonte, dass die französischen Behörden den Fall nun untersuchten und die Ergebnisse abzuwarten seien.

Unterdessen brachte der Vatikan-Sprecher seine Unterstützung für Kardinal Barbarin zum Ausdruck. Ohne jemanden beleidigen zu wollen, spreche er seinen Respekt und die Wertschätzung für das Verantwortungsbewusstsein des Kardinals aus. Des Weiteren wies Lombardi darauf hin, dass eine von den französischen Opfern gewünschte Audienz bei Papst Franziskus nicht allein auf Druck der Medien zu realisieren sei. „Die nicht wenigen Treffen der Päpste mit Missbrauchs-Opfern sind bislang in dem notwendigen Klima des Zuhörens und des spirituellen Dialogs entstanden, damit sie Früchte tragen können.“

Missbrauchsskandale wurden zuerst zu Beginn des Jahrhunderts in den Ortskirchen der USA und Irlands aufgedeckt; vor ein paar Jahren brachen sie auch in anderen katholischen Ortskirchen auf, darunter in Deutschland. Der Oscar-prämierte Kinofilm „Spotlight“ (2015) schildert die Ermittlungen von Journalisten zum Umgang des Erzbistums Boston (USA) mit Missbrauchsfällen im Jahr 2001.

(afp/rv/le monde 15.03.2016 sk/cz) 








All the contents on this site are copyrighted ©.