2016-03-11 09:54:00

Bangladesch: Bald ein säkularer Staat?


Keine leichte Entscheidung: Das Oberste Gericht in Bangladesch denkt im Moment darüber nach, einen Artikel aus der Verfassung zu streichen, der den Islam zur „Staatsreligion“ erklärt. Bangladesch würde dadurch per Federstrich zu einem, zumindest nominell, säkularen Staat – und das bei einem muslimischen Bevölkerungsanteil von stolzen neunzig Prozent, und auf dem Hintergrund episodischer Gewalt gegen religiöse Minderheiten.

Allerdings wäre die Streichung des Islam-Artikels eine Art Rückkehr zu den Anfängen, erklärt uns Pater Bernardo Cervellera, Asien-Kenner und Direktor der Nachrichtenagentur asianews. „Diesen Begriff vom Islam als Staatsreligion hat es in der Verfassung von Bangladesch aus dem Jahr 1971 noch nicht gegeben. Es waren zwei Generäle, Ziaur Rahman und Ershad, die ihn später einfügen ließen; durch den Islam wollten sie der Nation mehr innere Geschlossenheit geben. In Wirklichkeit erleben wir aber das Gegenteil: Diese Tatsache, den Islam als Staatsreligion zu haben, führt zu viel mehr Gewalt im Land.“

Im September letzten Jahres brachten muslimische Extremisten einen aus Italien stammenden Entwicklungshelfer in Bangladesch um. Einen Monat später überlebte der – ebenfalls italienische – Priester Pietro Parolari nur mit viel Glück einen Anschlag in der Provinz, 400 km von der Hauptstadt Dhaka entfernt. „Ja, der islamische Fundamentalismus wächst. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Saudi-Arabien diesem bitterarmen Land viel Geld zukommen lässt; auf diesen Druck hin kam es auch zur Aufnahme der Staatsreligion Islam in die Verfassung. Aus Saudi-Arabien kommen auch viele wahabitische Prediger, und das lässt den Fundamentalismus und die Gewalt wachsen. Doch diese Gewalt richtet sich nicht nur gegen Entwicklungshelfer oder Priester, sondern auch gegen Hindus oder sogenannte „Atheisten“; viele junge Blogger zum Beispiel, die sich zu Atheisten erklärt hatten, sind massakriert, buchstäblich mit der Machete in Stücke geschlagen worden – furchtbar!“

Und trotzdem: Ausgerechnet dieses Land denkt gerade über einen beherzten Sprung ins Säkulare nach. Dafür gibt es nur eine Erklärung: „Eigentlich ist der einheimische Islam in Bangladesch moderat. Er hat über Jahrhunderte mit dem Hinduismus und mit den Christen koexistiert, ist also von seinen Ursprüngen her gar nicht fundamentalistisch. Man kann darauf hoffen, dass eine moderat-islamische Gesellschaft ihr Gewicht in die Waagschale wirft. Das große Problem in Bangladesch ist aus meiner Sicht, dass der Islam politisch eingesetzt wird. An der Regierung ist die „Awami League“, die säkulare Partei; aber die nationalistische Partei in der Opposition bedient sich stark des islamischen Fundamentalismus, um Druck in der Gesellschaft aufzubauen und die nächsten Wahlen zu gewinnen. Es wäre also viel geholfen, wenn man irgendeinen Ausgleich zwischen diesen beiden Parteien fände.“

(rv 11.03.2016 sk)








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