2016-02-26 09:00:00

Naher Osten: „Mit allen Möglichkeiten helfen“


Die Christen des Nahen Ostens leiden unter dem Exodus und der Flucht, sowohl diejenigen, die in der Region bleiben als auch diejenigen, die nach Europa oder anderswohin fliehen. Wie man diesen Menschen helfen kann, darüber hat in Rom eine Konferenz beraten, die im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz von ihrer Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben durchgeführt wurde. Hochrangige Kirchenvertreter aus den betroffenen Ländern, Vatikanvertreter, Wissenschaftler, Priester und Ordensleute kamen auf Einladung von Erzbischof Ludwig Schick, dem Weltkirchenbeauftragten der DBK, in Rom zusammen, um über die Situation insbesondere der Christen und christlichen Kirchen im Nahen Osten zu sprechen. Wir haben Erzbischof Schick gefragt, was für Ergebnisse er sich von dieser Tagung erhofft.

Schick: „Zunächst einmal Informationen darüber, wie sieht es wirklich aus, was erleben Christen in Syrien, im Irak und auch im Libanon oder Jordanien und dem Heiligen Land. Wie geht es ihnen dort? Es ist wichtig, dass wir das zunächst einmal wahrnehmen. Das Zweite ist, wir wollen die Gründe für diese Konflikte, die sich dort abspielen, näher erörtern und dann natürlich auch Botschaften in die Politik hinein geben, für eine Beseitigung der Fluchtursachen. Der Krieg muss aufhören und die Menschen müssen dort bleiben können, wo sie ihre Heimat haben. Jeder Mensch hat das Recht auf seine Heimat! Über all diese Dinge sprechen wir und wir hoffen, dass wir einen Beitrag zur Information, aber auch zum Frieden in der Region leisten können.“

RV: Die Situation im Nahen Osten und die Verwerfungen, die sich dort ergeben, sind ja sehr dramatisch. Sie sprachen selbst auch von einem Arabischen Winter, der nun nach dem hoffnungsvollen Frühling einbricht. Was kann denn die katholische Kirche konkret dafür tun, die Situation der Menschen vor Ort zu verbessern?

Schick: „Wir arbeiten ja immer zusammen mit den Kirchen vor Ort und die Kirchen sind dort. Zum Teil mussten sie auch fliehen, zum Beispiel von Mossul nach Erbil… Wir helfen dort materiell, damit Häuser gebaut werden können, damit Nahrungsmittel gekauft werden können. Wir helfen natürlich auch dabei, dass wieder Gottesdiensträume geschaffen werden können, dass wieder Priester dort leben können. Das ist unsere Hilfe dort in der Region. Und wenn die Christen dann hierher nach Europa oder nach Deutschland kommen, dann helfen wir dabei, dass sie hier auch entsprechend ihrer christlichen Riten leben können. Wir haben auch schon Kirchen zur Verfügung gestellt oder zahlen Priester des chaldäischen oder koptischen Ritus… Wir versuchen, mit allen Möglichkeiten zu helfen und den Notwendigkeiten zu begegnen.“

RV: Sie sprechen jetzt natürlich für die Deutsche Bischofskonferenz, die eine sehr wichtige Bischofskonferenz ist. Aber wie ist denn international die Zusammenarbeit zwischen den Bischofskonferenzen bei diesem wichtigen Thema?

Schick: „Die Europäische Konferenz der Bischofskonferenzen hat sich auch schon zu diesem Thema geäußert, und die verschiedenen Kirchen in Europa, also die Italienische oder die Spanische und Französische Bischofskonferenzen helfen natürlich auch ihren Möglichkeiten entsprechend in den Regionen und kümmern sich auch um die Flüchtlinge, die zu ihnen kommen.“

RV: Um nochmals zur Tagung zurück zu kommen, was für eine Bilanz können Sie denn jetzt schon ziehen?

EB Schick: „Die Tagung ist sehr interessant, es gibt sehr viele Informationen aus erster Hand und wir spüren auch, dass die Christen dort zusammen mit ihren Bischöfen, Priestern und Ordensleuten sehr leiden, dass sie durch die Vertreibung in furchtbare Situationen gebracht werden. Worunter sie auch sehr leiden, ist, dass die Zahl der Christen dort massiv zurück geht. Es gibt einen richtig gehenden Exodus dort in dieser Region, die eigentlich zu den Mutterländern des Christentums zählt. Das ist eine sehr leidvolle Situation und wir wollen versuchen, auch ganz konkrete Handlungsmöglichkeiten zu finden, wie wir den Krieg beenden können. Da müssen wir mit unseren Politikern Gespräche führen, es muss mehr Friedensinitiativen geben. All das sind Themen hier, und wir werden sicher auch gute Ergebnisse haben.“

Im Verlauf der Tagung beschrieben die Bischöfe aus den arabischen Ländern mit dramatischen Worten das alltägliche Leiden in den Konfliktregionen und den Niedergang der christlichen Kirchen, die durch Vertreibung und Abwanderung ausgezehrt werden. Heiner Bielefeldt, einer der Relatoren und Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, sprach gar von einer „genozidalen Dimension“ der Verfolgung religiöser Minderheiten, die sich im Herrschaftsgebiet des sogenannten Islamischen Staates (IS) gegen Christen, Jesiden, Schiiten und muslimische Abweichler richte. Bei der Konferenz wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass die Christen von Konflikten betroffen sind, die nicht von ihnen ausgehen. Dazu gehören die Konfrontationen zwischen Sunniten und Schiiten, Identitätskonflikte innerhalb des Islam und eine damit einhergehende Radikalisierung sowie seit Langem ungelöste politische Auseinandersetzungen, etwa zwischen Israelis und Palästinensern. Die Bedeutung dieses Konfliktes betonte insbesondere der Weihbischof von Jerusalem, William Shomali, indem er nachdrücklich die Anerkennung einer Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina forderte. Die immer wieder neu gestarteten Friedensverhandlungen hätten bislang zu keinem greifbaren Ergebnis geführt; insofern sei es nun Aufgabe der UNO und insbesondere der USA, kohärent zu sein und eine derartige Lösung nicht durch ständiges Veto im Weltsicherheitsrat zu blockieren. Der Vatikan ist eines von bisher mehr als 130 Ländern weltweit, die Palästina als souveränen Staat anerkannt haben.

(rv 25.02.2016 cs)

 








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