2016-02-25 08:09:00

„Religion muss politisch sein, weil es um den Menschen geht“


Religion muss politisch sein, weil es um den Menschen geht. Das sagt Dieter Althaus im Gespräch mit Radio Vatikan. Der ehemalige Ministerpräsident Thüringens und Mitglied im ZdK war an diesem Mittwoch zu einer Buchvorstellung gemeinsam mit Kardinal Luis Antonio Tagle in Rom, in dem Buch geht es um das Verhältnis von Religion und Politik.

In seinem eigenen Bundesland hat die AfD gerade einen Antrag in den Landtag eingebracht, der christliche vor muslimischen Flüchtlingen schützen soll, so die Begründung. Das heiße, Religion zu instrumentalisieren und die Ängste, Probleme und Überzeugungen von Christen zu nutzen, um sie gegen andere auszuspielen, urteilt Althaus. „Das ist verwerflich. Politik soll darauf achten, dass sie das, was aus dem Glauben, aus der christlichen Überzeugung heraus wächst – Werte, Überzeugungen – nutzt, um Gesellschaft und Gemeinschaft zu bilden, nicht um sie zu trennen.“ Religion selber wolle ebenfalls ein-, nicht ausschließen; um Religion gehe es also gar nicht in diesem Antrag. „Und zweitens hat es nicht mit der Wirklichkeit zu tun, weil unsere Aufgabe in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sein wird, durch einen guten interreligiösen Dialog und einen Dialog mit allen, denen es wichtig ist, Gesellschaft zu gestalten, eine Plattform zu entwickeln, in der eine multi-religiöse, multi-ethnische, multi-wertehafte Struktur wachsen kann.“

Dass gerade in den östlichen Bundesländern aus den Problemen eher Konflikte denn Dialoge zu wachsen scheinen, habe auch mit der Vergangenheit zu tun: Hier übt Althaus Kritik sowohl an der ferneren Vergangenheit als auch den letzten Jahren. „Wenn der SED-Staat leider etwas sehr radikal geschafft hat, dann ist es eine starke Entwurzelung von Religion.“ Jetzt müsse es gelingen, die Werte, auf denen die Ordnungen wie etwa die Verfassungen der Bundesländer oder das Grundgesetz aufruhen, als universale Werte durchzusetzen. Alle Religionen sollten sich dort wiederfinden können, weil es „Menschen-Werte“, den Menschen gerechte Werte seien, so Althaus. „Das muss gelingen, da ist in den letzten Jahren zu wenig geleistet worden, weil wir uns zu sehr auf strukturelle Fragen wie die Infrastruktur und die Wirtschaftsentwicklung konzentriert haben. Menschenbildung heißt eben auch, Werte zu vermitteln und grundzulegen, die gesellschafts- und gemeinschaftsprägend sind. Diese Arbeit muss jetzt in den nächsten Jahren, gerade auch in den neuen Ländern, verstärkt werden.“

Religion und Politik – geht das?

„Religion muss politisch sein, weil es um den Menschen geht,“ sagt der ehemalige Ministerpräsident. „Deshalb bin ich dankbar, dass Papst Franziskus sowohl bei seinen Besuchen in der Welt als auch bei seinen öffentlichen Reden deutlich macht, dass seine Überzeugung, die er als Oberhaupt und wir als Katholiken teilen, die Grundlage bildet, aber dass er auch offen ist, aus anderen Religionen und Überzeugungen die Wahrheitsfrage mit zu beantworten.“ Er sei dankbar, dass dieser Papst „ein klares politisches Momentum“ habe, Akzente setze und damit auch die Katholiken auffordere, in dieser Gesellschaft Gesicht zu zeigen und sich einzubringen.

Einen gemeinschaftsstiftenden Ideenkonsens finden

Er könne sich nicht vorstellen, dass die großen Probleme der Zukunft nur von wenigen Organisationen und Institutionen gelöst werden könnten. Es brauche eine Kraftanstrengung aller, von UNO und Kirche angefangen, „um einen gemeinschaftsstiftenden Ideenkonsens zu organisieren. Da muss man dann auch einige ethische Vorstellungen wie zum Beispiel Homosexualität auf die zweite und dritte Ebene legen, um dieses Gemeinsame erst einmal in den Mittelpunkt zu rücken.“

Das hat zum Beispiel Papst Franziskus getan, als er bei der Pressekonferenz auf dem Rückflug von Mexiko auf die Frage nach der gesetzlichen Regelung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht eingegangen sei, auf eine andere politische Frage aber sehr wohl. „Wenn dann Politiker wie jetzt im US-Wahlkampf Donald Trump sehr billig und sehr einseitig politisches Kapital anhäufen wollen, um ihre Positionen als allein gültige zu definieren, dann finde ich es auch richtig, dass der Papst mit deutlichen Worten sagt, dass das nicht christlich ist! Christlich heißt offen zu sein, tolerant zu sein. Es heißt nicht, die eigene Meinung aufzugeben, aber es heißt, das man in Toleranz die Meinung anderer erträgt und mit der Meinung anderer umgeht. Toleranz ist nicht nur Konsens, sondern heißt auch, die Unterschiedlichkeit zu akzeptieren und als Wert zu empfinden.“

(rv 25.02.2016 ord)








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