2016-02-17 20:11:00

Franziskus in Mexiko: „Fluss des Kapitals darf nicht Fluss der Menschheit bestimmen“


„Baut das Mexiko, das eure Kinder verdienen!“ Dazu hat Papst Franziskus in der nördlichen Grenzstadt Ciudad Juárez Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Arbeitslose aufgerufen. In Ciudad Juárez bündeln und überkreuzen sich auf fatale Weise die Probleme, die Mexiko heute zu meistern hat: Drogen, Gewalt, Prostitution, Menschenhandel und Migration. Zehntausende Menschen aus ganz Lateinamerika passieren die Region Chihuahua jährlich in der Hoffnung, auf der anderen Seite der Grenze, in den USA oder Kanada, ein besseres Leben zu finden. Zuvor an diesem Tag hatte Franziskus Häftlinge in Ciudad Juarez und ganz Mexiko ermutigt und ihnen gesagt: „Wer wie ihr die Hölle durchgemacht hat, kann ein Prophet werden“.

Das Treffen mit der „Welt der Arbeit“ fand in einer höheren Schule statt, dem Kolleg Bachilleres. Begeistert empfingen rund 3.000 Anwesende den Papst. Franziskus hörte zunächst den Erzählungen einer Sekretärin, eines Angestellten und eines Arbeiters in einer Textilfabrik zu, die von menschenausbeutenden Arbeitsbedingungen berichteten.

In seiner eigenen Rede betonte Franziskus die Wichtigkeit des Dialogs für eine Verbesserung der Situation in der Arbeitswelt. Er ermahnte vor allem die Arbeiterorganisationen. Sie sollten sich ein gemeinsames Ziel  setzen und gemeinsam an diesem Strang ziehen, nämlich den Jugendlichen und der Gesellschaft menschenwürdige Arbeit zu bieten: „Eine der größten Geißeln, der Ihre jungen Menschen ausgeliefert sind, ist der Mangel an Möglichkeiten zur Ausbildung und zu nachhaltiger sowie einträglicher Arbeit, die es ihnen gestattet, Pläne zu machen; das erzeugt in vielen Fällen Situationen der Armut. Und diese bilden dann den günstigen Nährboden, um in die Spirale des Rauschgifthandels und der Gewalt zu geraten. Es ist ein Luxus, den sich keiner leisten kann; die Gegenwart und die Zukunft Mexikos dürfen nicht sich allein überlassen und aufgegeben werden.“

Wieder prangerte Franziskus ein falsches Verständnis von Wirtschaft an. Das Vergessen der Menschen für ein Produkt, für den Gewinn sind Teile einer Wegwerfgesellschaft, die Papst Franziskus auf all seinen Reisen verurteilt. Diese Gesellschaft sei jedoch eine falsche Investition. Der Verlust der ethischen Dimension der Unternehmen sei beängstigend und führe zur gnadenlosen Ausbeutung der Arbeiter und Angestellten. „Der Fluss des Kapitals darf nicht den Fluss und das Leben der Menschheit bestimmen“, mahnte Franziskus.

Die kirchliche Soziallehre sei hier eine helfende Hand für jeden, so Franziskus, um sich nicht in einem „verführerischen Meer des Ehrgeizes“  zu verlieren: „Jeder Bereich hat die Verpflichtung, sich um das Wohl aller zu sorgen; wir sitzen alle im gleichen Boot. Wir alle müssen dafür kämpfen, um zu erreichen, dass die Arbeit ein Ort der Humanisierung und der Zukunft ist, ein Raum, in dem man Gesellschaft und Bürgerlichkeit aufbauen kann.“

Natürlich könne diese Entwicklung nicht in kurzer Zeit geschehen. Geduld sei notwendig, damit die „Kultur, die aus Spannungen erwächst“, einen neuen „Stil der Nation“ entwickeln könne, so der Papst.  

Wörter, die die Seelen der Menschen treffen sollten, wählte Franziskus bei diesem Treffen mit der Arbeitswelt in Mexiko. Die ewige Gewissensfrage sei essentiell und betreffe jeden: Welche Welt wollen wir unseren Kindern hinterlassen? Welches Mexiko wollen wir unseren Kindern hinterlassen?

„Will es ihnen eine Erinnerung an die Ausbeutung, an nicht ausreichende Löhne, an Mobbing am Arbeitsplatz hinterlassen? Oder will es ihnen eine Kultur der Pflege einer würdigen Arbeit, eines anständigen Heims und eines Stück Landes zum Bearbeiten hinterlassen? In welcher Kultur wollen wir die Geburt der nach uns kommenden Menschen sehen? Welche Atmosphäre werden sie atmen? Eine von der Korruption, von der Gewalt, der Unsicherheit und des Misstrauens vergiftete Luft, oder vielmehr eine Luft, die in der Lage ist, Alternativen hervorzubringen, Erneuerung und Veränderung zu schaffen?“

Schließlich rief Franziskus dazu auf, sich im Sinn des Gemeinwohls gegen Profitgier zu entscheiden, denn das Kapital stehe nicht über dem Menschen. Unter dem Jubel der Anwesenden lud er dazu ein, von Mexiko zu träumen und gemeinsam ein Mexiko aufzubauen, das ihre Kinder verdienen würden.

(rv 17.02.2016 no)








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