2016-02-10 17:30:00

Die Papstpredigt zur Aschermittwochsfeier


Hier lesen Sie die Predigt des Papstes zur Aschermittwochsfeier im Petersdom in einer deutschen Arbeitsübersetzung.

Das Wort Gottes zu Beginn der Fastenzeit lädt die Kirche und jeden von uns in zweierlei Weise ein. Als erstes geht es um das, was uns der heilige Paulus sagt: „Lasst euch mit Gott versöhnen“ (2 Kor 5,20). Das ist nicht einfach ein guter väterlicher Rat und auch nicht nur ein Vorschlag; das ist eine wahrhaftige Bitte im Namen Christi: „Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (ebd.) Weshalb gibt es diesen andächtigen und beherzten Aufruf? Weil Christus weiß, wie schwach und welche Sünder wir sind, er kennt die Schwächen unserer Herzen; er sieht die Wunden des Bösen, was wir getan und erlitten haben; er weiß, wie viel Vergebung wir brauchen, er weiß, dass wir uns geliebt fühlen wollen, um Gutes zu tun. Alleine sind wir nicht dazu imstande: deshalb sagt uns der Apostel nicht, dass wir etwas unternehmen sollten, sondern dass wir uns mit Gott versöhnen lassen sollen, damit er uns vergeben kann, damit wir zuversichtlich sind, weil „Gott größer als unser Herz ist“. Er besiegt die Sünde und hebt uns vom Elend auf, wenn wir uns ihm anvertrauen. Es liegt an uns, uns selber als Bedürftige der Barmherzigkeit anzuerkennen: das ist der erste Schritt auf dem christlichen Weg; es geht darum, durch das offene Tor, das Christus ist, hindurchzuschreiten, bis dorthin, wo er selbst, der Retter, auf uns wartet und uns auf diese Weise ein neues und erfreutes Leben schenkt.

Es kann da einige Hindernisse geben, die das Tor des Herzens wieder zuschließen könnten. So gibt es die Versuchung, die Türen zu verschließen, oder anders ausgedrückt, sich mit den eigenen Sünden zufrieden zu geben, kleinzureden, sich immer zu rechtfertigen, indem man denkt, dass man nicht schlimmer ist als die anderen. Auf diese Weise aber wird die Seele verschlossen bleiben und man bleibt drinnen gefangen, als ein Gefangener des Bösen. Ein weiteres Hindernis ist die Scham, die geheime Tür zum Herzen zu öffnen. Die Scham ist in Wirklichkeit ein gutes Zeichen, weil es uns zeigt, dass wir uns vom Bösen trennen wollen; doch darf sich dies nicht in Angst oder Schrecken verwandeln. Und es gibt noch eine dritte Gefahr und zwar jene der Entfernung von dem Tor: das passiert jedes Mal dann, wenn wir uns in unserem Elend verstecken, wenn wir ständig murren und die negativen Dingen miteinander verbinden, bis wir in den dunkelsten Keller der Seele hinunterkommen. Dann werden wir sogar mit der Traurigkeit vertraut, die wir gar nicht wollen, wir verlieren den Mut und werden schwächer gegenüber den Versuchungen. Das kommt davon, wenn wir mit uns alleine bleiben, uns verstecken und vom Licht fliehen; doch nur die Güte des Herrn kann uns befreien. Lassen wir uns also versöhnen, hören wir auf Jesus, der dem Müden und Unterdrückten sagt, „kommt zu mir“ (Mt 11,28). Bleib nicht in dir verschlossen, sondern geh zu ihm! Er ist unser Halt und Frieden.

In dieser Feier sind die Missionare der Barmherzigkeit anwesend, die den Auftrag erhalten, Zeichen und Werkzeuge der Vergebung Gottes zu sein. Liebe Brüder, seid Helfer als Türöffner der Herzen, damit die Scham überwunden wird und niemand vor dem Licht flüchtet. Mögen eure Hände segnen und die Brüder und Schwestern mit väterlicher Hingabe aufheben; damit durch euch der Blick und die Hände des Vater auf seine Kinder wirken können und die Wunden geheilt werden!

Es gibt noch eine zweite Einladung Gottes, der durch den Propheten Joel sagt: „Kehrt um zu mir von ganzem Herzen“ (2,12). Wenn wir zurückkehren, dann nur weil wir uns entfernt haben. Das ist das Geheimnis der Sünde: wir haben uns von Gott entfernt, von den anderen, von uns selber. Es ist schwer, dies anzuerkennen: wir sehen alle, wie schwer es ist, wirklich Vertrauen in Gott zu haben, uns ihm als Vater anzuvertrauen, ohne Angst. Wie schwer ist es, die anderen zu lieben, statt Böses über sie zu denken; wie viel kostet es uns, Gutes zu tun, während wir stattdessen von den materiellen Dingen angezogen und verführt werden, die allerdings verschwinden und uns am Schluss noch arm da lassen. Neben dieser Geschichte der Sünde hat Jesus eine Geschichte des Heils gebracht. Das Evangelium, das die Fastenzeit eröffnet, lädt uns ein, Protagonisten zu sein, indem wir drei Gegenmittel anwenden, drei Medikamente, die uns von der Sünde heilen (vgl. Mt 6,1-6. 16-18).

Als erstes ist es das Gebet, als Ausdruck der Öffnung und des Vertrauens im Herrn: es ist das persönliche Treffen mit ihm, um die Distanz, welche die Sünde geschaffen hat, zu verkürzen. Beten bedeutet zu sagen: „ich selber genüge nicht, ich brauche dich, du bist mein Leben und mein Heil“. Als zweites ist die Barmherzigkeit, die das Befremden gegenüber den anderen überwindet. Die wahre Liebe ist kein äußerlicher Akt, es geht nicht darum, wie ein Vater etwas zu geben, um das Gewissen zu beruhigen, sondern es geht darum, jenen Menschen zu akzeptieren, der von unserer Zeit, unserer Freundschaft und unserer Hilfe benötigt. Es ist, den Dienst zu erleben, indem die Versuchung der Selbstzufriedenheit überwunden wird. Und drittens ist es das Fasten, die Reue, um uns von den Abhängigkeiten zu befreien gegenüber dem, was passiert und so üben wir, noch sensibler und barmherziger zu sein. Es ist eine Einladung zur Bescheidenheit und zur Teilung: etwas wegzugeben von unserem Tisch und unseren Gütern, um das wahre Gute der Freiheit wiederzufinden.

„Kehrt um zu mir – sagt der Herr – von ganzem Herzen“: nicht nur mit einigen äußerlichen Gesten, sondern in unserem tiefsten Inneren. Denn Jesus ruft uns auf, das Gebet, die Barmherzigkeit und die Buße mit Kohärenz und Authentizität zu leben, indem wir die Heuchelei besiegen. Die Fastenzeit sei für uns alle eine Zeit der gütigen „Beschneidung“ der Falschheit, der Weltlichkeit, der Gleichgültigkeit: um nicht zu denken, dass alles gut geht, wenn es mir gut geht; um zu verstehen, dass es nicht darum geht, ob etwas gutgeheißen wird, Erfolg bringt oder Zustimmung, sondern es geht um die Reinigung des Herzens und des Lebens; um die christliche Identität wiederzufinden, also die Liebe, die benötigt wird, nicht den Egoismus, der nur ausnützt. Machen wir uns auf den Weg gemeinsam, als Kirche, indem wir die Asche annehmen und den Blick auf das Kreuz festhalten. Er, der uns liebt, lädt uns ein, mit Gott zu versöhnen und zu ihm zurückzukehren, um uns wiederzufinden.

(rv 10.02.2016 mg)

 








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