2016-01-31 10:00:00

Polen: Bischofskonferenz wartet ab


Die polnische Bischofskonferenz hält es noch für zu früh, eine Beurteilung der Vorgänge abzugeben, die momentan die Gesellschaft in Polen spalten - in Befürworter der radikalen Reformen, die die neue Regierungspartei PiS seit ihrem Amtsantritt vorgenommen hat, und in deren Gegener, die nicht weniger als die Demokratie in Gefahr sehen. Radio Vatikan hat mit Pater Pawel Rytel Andrianik, Sprecher der polnischen Bischofskonferenz, gesprochen. 

RV: Polen ist in den vergangenen Wochen unter strenge Beobachtung durch die EU-Kommission geraten. Gesetzesänderungen werden als eventuell nicht konform mit der Rechtsstaatlichkeit eingestuft. Wie sehen die Bischöfe die Ereignisse im Land?

Rytel-Andrianik: Die Veränderungen in Polen sind ein Beweis für eine gut funktionierende Demokratie. Die jetzige Demokratie in Polen ist eine Frucht des Weges, der zur Freiheit geführt hat, auf diesem gab es Meilensteine, wie u.a. die Bewegung „Solidarność“, die Ereignisse von 1989 und den Fall des Kommunismus. Auf diesem gemeinsamen Weg respektiert die Kirche die demokratisch gewählten Autoritäten. Die Änderungen wurden von der neuen Regierung angekündigt, sie waren ein Teil des Wahlprogramms. Man darf sich also nicht wundern, dass die neue Regierung dieses Programm realisiert, für das sie einen gesellschaftlichen Auftrag hat.

Die Kirche ist nicht parteiisch und deshalb nicht in den Parteienkonflikt wegen des Verfassungstribunals involviert.

Kardinal Stanisław Dziwisz, Erzbischof von Krakau, hat gesagt: „Wir haben keinen politischen Ehrgeiz, weil wir größere Ambitionen haben. Wir wollen schon hier auf diese Erde, in unseren Herzen, in unseren Familien, in unseren Gemeinschaften und Milieus das Reich Gottes der Liebe und der Solidarität, der Vergebung, der Versöhnung und des Friedens bauen.“  Die Kirche ist deshalb gesellschaftlich engagiert und unterstützt Initiativen, die das Ziel haben, die Würde des Menschen zu respektieren, sich um die Familie zu kümmern und den Armen zu helfen. 

Was die Reform der Medien betrifft, so erleben wir derzeit lediglich die Ankündigung eines neuen Mediengesetzes, das im Juni im Sejm verabschiedet werden soll. Erst dann kann man über diesen Sachverhalt sprechen.

RV: Haben Sie den Eindruck, dass die Gesetzesänderungen auch zu einer Veränderung der öffentlichen Berichterstattung geführt haben? Oder hat die Europäische Union vielleicht ein wenig überreagiert?

Pawel Rytel-Andrianik: Die Medien in Polen sind frei. Jeder kann auf verschiedene Art und Weise in den zahlreichen Fernseh- und Rundfunkanstalten sowie Zeitungen etwas schreiben, sagen und veröffentlichen. Die Sprache des öffentlich-rechtlichen Senders ändert sich, weil sich das Konzept der politischen Führung verändert hat. Der Prozess der Veränderungen hat gerade erst angefangen und es ist noch schwierig einzuschätzen, welche Ergebnisse er bringen wird. Deshalb muss man noch ein bisschen warten. 

Diese jetzt schon wegen ihrer Richtung zu beurteilen, dürfte etwas zu früh sein. 

RV: Was denken Sie über die internationale Berichterstattung und Reaktionen. Haben Sie den Eindruck, dass die Journalisten die Problematik für die öffentliche Meinungsbildung gut aufarbeiten?

Rytel-Andrianik: Die Medien wiederholen teils recht gängige Stereotypen. Ein Journalist aus Westeuropa, der mich mit der Bitte um einen Kommentar besucht hat, sagte mir, dass die Redaktionen nicht ihre Korrespondenten schicken, sondern aufgrund dessen, was sie im Internet oder in anderen Medien finden, berichten. Dies bedeutet, dass es keine Informationen aus erster Hand gibt.

RV: Wie positionieren sich die katholischen Laienverbände?

Rytel-Andrianik: Es gibt auch hier einen Pluralismus der Meinungen, das ist nicht heterogen zu beurteilen.

RV: Die polnische Bischofskonferenz hat stets unterstrichen, dass die Aufnahme von Flüchtlingen für Christenmenschen  Pflicht ist. Die neue Regierung hat in diesem Zusammenhang aber andere Töne angeschlagen. Was für einen Appell würden Sie an die Politiker richten?

Rytel-Andrianik: Die Kirche ist immer bei denjenigen, die Hilfe brauchen. Erzbischof Stanisław Gądecki hat bereits einen Tag vor dem Aufruf von Papst Franziskus die Pfarreien dazu ermuntert, Flüchtlinge, welche geflohen sind, um ihr Leben oder ihre Gesundheit zu schützen, aufzunehmen.

In der offiziellen Erklärung des Präsidiums der Polnischen Bischofskonferenz liest man: „Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen.“ (Mt 25,35) Mit diesen Worten ruft Jesus Christus jeden von uns – besonders in der heutigen Zeit, da so viele Flüchtlinge das Drama des Krieges und lebensbedrohliche Gefahren erleben –dazu auf, diesen zu helfen, ihnen die christliche Gastfreundschaft anzubieten. 

Wenn es um die konkrete Hilfe für Flüchtlinge in Polen geht, steht  außer Frage, dass die Hauptverantwortung bei den staatlichen Behörden liegt. Sie sind die zunächst zuständigen Stellen. Und daraus lässt sich ableiten, dass sie die Kontrolle, Sicherheit und Hauptleistungen für die Flüchtlinge garantieren. Die Kirche kann sich nicht vorstellen, in dieser Frage auf eigene Faust zu handeln ohne Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden. Dies hat Papst Franziskus in der Botschaft zum Welttag des Migranten und Flüchtlings (2015) deutlich betont: „Die Wanderungsbewegungen haben allerdings solche Dimensionen angenommen, dass nur eine systematische und tatkräftige Zusammenarbeit, welche die Staaten und die internationalen Organisationen einbezieht, imstande sein kann, sie wirksam zu regulieren und zu leiten.“

Auf Seiten der katholischen Kirche unseres Landes übernimmt Caritas Polska die Verantwortung für diese Aufgabe.

Das Problem besteht darin, dass nur wenige Flüchtlinge in Polen bleiben wollen.

(rv 31.01.2016 cs)








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