2016-01-18 15:00:00

Schönborn: Europa braucht Barmherzigkeit mehr denn je


In Europa ist der Eiserne Vorhang zurückgekehrt. Das sagte mit Blick auf die Flüchtlingspolitik der Wiener Kardinal Christoph Schönborn. „Ich hoffe auf eine gemeinsame Stimme der europäischen Bischöfe zur Frage der Flüchtlinge, aber das haben wir noch nicht erreicht“, bekannte der österreichische Kardinal in Rom am Rand einer Pressekonferenz zu zwei bevorstehenden kirchlichen Kongressen der Barmherzigkeit. Schönborn ist Präsident des Komitees der Kongresse der Barmherzigkeit. „Die Frage der Barmherzigkeit in der Politik ist sehr aktuell“, betonte der Kardinal unter Hinweis auf die Herangehensweise europäischer Länder in der Flüchtlingspolitik. „Anstatt voranzugehen mit dem Friedensprozess in Syrien, was die allererste Pflicht der internationalen Gemeinschaft wäre, erwägt man in allen Nationen, die Grenzen zu schließen – in Deutschland, Schweden, Österreich, Dänemark, in Ungarn ist es schon geschehen, in Kroatien – überall“, beklagte Schönborn. Das sei nicht das Europa, wie es von seinen Gründungsvätern her angelegt gewesen sei. Robert Schumann, Alcide De Gasperi und Konrad Adenauer hätten „ein Projekt des Friedens und in diesem Sinn auch der Barmherzigkeit“ angepeilt.

Der nächste „Europäische Apostolische Kongress der Barmherzigkeit“ (EACOM) wird in Rom von 31. März bis 4. April stattfinden, hieß es bei der Pressekonferenz. Auf Anregung von Kardinal Schönborn wird dabei auch von Robert Schumann und der „politischen Barmherzigkeit in Europa“ die Rede sein. Unter den Vortragenden ist auch der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, der über Barmherzigkeit aus theologischer Sicht sprechen wird. Der nächste Weltkongress der Barmherzigkeit (WACOM IV) wird hingegen im Januar 2017 auf den Philippinen stattfinden.

Kongresse der Barmherzigkeit sind eine junge Entwicklung der katholischen Kirche. Die Idee wurde beim Tod von Papst Johannes Paul II. geboren, erläuterte Kardinal Schönborn bei der Pressekonferenz. Der polnische Papst starb am 2. April 2005, am Vorabend des Sonntags der Barmherzigkeit, den er selbst in den Kirchenkalender eingeführt hatte. Johannes Paul hatte im Heiligen Jahr 2000 die polnische Ordensfrau und Mystikerin Faustyna Kowalska (1905-1938) zur Ehre der Altäre erhoben, die als Prophetin der göttlichen Barmherzigkeit verehrt wird. Das ihr zugeschriebene Gnadenbild „Jesus, ich vertraue auf Dich“ ist ein populäres Werk katholischer Volkskultur, das weite Verbreitung gefunden hat.

Der erste Weltkongress der Barmherzigkeit fand 2008 in Rom statt, schon damals unter Präsidentschaft von Kardinal Schönborn. Die Idee dazu sei gewissermaßen „unter Freunden geboren“ worden, erklärte der Wiener Erzbischof und nannte die Kardinäle Stanisław Dziwisz aus Polen, Audrys Bačkis aus Litauen, Luis Antonio Tagle von den Philippinen und Kurienkardinal Jean-Louis Tauran. Man habe die „Abschiedsrede“ Johannes Pauls an sein Heimatland Polen von 2002 gelesen, als der schwerkranke Papst den Wallfahrtsort Schwester Faustynas in Krakau-Lagiewniki segnete. „Wie dringend braucht die heutige Welt das Erbarmen Gottes!“, hatte Johannes Paul damals gesagt. „Aus der Tiefe des menschlichen Leids erhebt sich auf allen Erdteilen der Ruf nach Erbarmen.“

Kritisch merkte Kardinal Schönborn an, es gebe heute „auch Spannungen“ zwischen verschiedenen „Schulen der Verehrung der Barmherzigkeit“. Die Absicht der Kongresse sei es zu zeigen, dass Barmherzigkeit nicht der einen oder anderen Schule angehöre, sondern ein zentrales Thema des Christentums und darüber hinaus sei, so etwa auch für den interreligiösen Dialog.

(rv 18.01.2016 gs)








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