2016-01-13 14:38:00

Roms Oberrabbiner: „Franziskus hat Beziehungen zu Juden bestärkt“


Papst Franziskus hat in den knapp drei Jahren seines Pontifikats die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und Judentum bestätigt und bestärkt. Das sagte der römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni im Gespräch mit Radio Vatikan wenige Tage vor dem Besuch des Papstes in der Großen Synagoge von Rom. Franziskus habe „wiederholt sein Interesse am Dialog bekundet“, unzählige jüdische Delegationen empfangen, Israel besucht und „wichtige Aussagen“ gemacht wie jene, dass „auch die Ablehnung des Staates Israel eine Form des Antisemitismus“ sei, erklärte Di Segni.

Franziskus wird am kommenden Sonntag zum ersten Mal als Papst ein jüdisches Gebetshaus aufsuchen. Die römische Synagoge hat zu diesem Anlass viele italienische und einige ausländische Rabbiner sowie den Präsidenten der europäischen Rabbinerkonferenz eingeladen, sagte Di Segni. Auch der Schweizer Kardinal und Präsident der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, Kurt Koch, wird dort anwesend sein.  

Der Rabbiner würdigte gegenüber Radio Vatikan das im Dezember vorgelegte neue Vatikan-Dokument zur Beziehung mit dem Judentum als „sehr wichtig“. 50 Jahre nach der Konzilserklärung Nostra Aetate sei eine Bestandsaufnahme über den Stand des katholisch-jüdischen Dialogs nötig gewesen. „Es ist eine Reflexion ganz im Inneren der christlichen Welt, über die wir uns theologisch absolut nicht einbringen noch Einwände erheben können. Wir betrachten aber die praktischen Folgen, und die sind wichtig“, erklärte der Rabbiner und nannte den im Dokument formulierten „Respekt gegenüber dem Judentum als lebendiges Gottesvolk und „die Ablehnung organisierter Formen der Bekehrung und Evangelisierung“ von Juden durch katholische Christen. Das seien „sehr wichtige Dinge“. Über andere Fragen könne und müsse man sich weiter austauschen. Di Segni fügt hinzu, dass vielen die Feinheiten der katholisch-jüdischen Debatten überhaupt kein Begriff seien. „Demgegenüber trägt ein Besuch, eine konkrete Geste der Anwesenheit und der Freundschaft, dazu bei, das Klima sehr viel mehr aufzuhellen als Dutzende Seiten wenn auch wichtiger doktrineller Überlegungen.“

Italienische Medien kolportieren, dass der römische Oberrabbiner Papst Franziskus in einem Telefonat gebeten habe, Pharisäer und Schriftgelehrte nicht immer wieder ins Zwielicht zu rücken. Zudem treffe das von Papst Johannes Paul II. geprägte Wort von den Juden als „älteren Brüdern“ auf Empfindlichkeiten, weil im Alten Testament ältere Brüder oft eine düstere Rolle spielen. Di Segni sagte vage, er habe „einige Gelegenheiten“ gehabt, sich mit Papst Franziskus auszutauschen, wobei es unter anderem um „Predigtstile oder historische Aspekte“ gegangen sei. Der Papst habe „einen ganz besonderen Stil“, formulierte Di Segni, „interessant ist seine Freimütigkeit und auch seine Verfügbarkeit zum Austausch“.

Von der Visite des Kirchenoberhaupts in seiner Synagoge erhofft sich der Rabbiner eigenen Angaben zufolge „die grundlegende Botschaft, dass die religiösen Differenzen ein Reichtum für die Gesellschaft sind, dass sie Frieden und Fortschritt bringen und deshalb ganz gegenläufig sind zu den alarmierenden Vorkommnissen aus anderen religiösen Welten“.

Mit Blick auf die Vielzahl der – überwiegend muslimischen – Flüchtlinge, die derzeit nach Europa strömen, verwies Di Segni auf zwei Anforderungen: Solidarität vonseiten der Zielländer und Anpassung durch die Asylsuchenden. Der Rabbiner sprach von seiner „Sorge bezüglich jener, die nicht dazu bereit sind, die elementarsten Regeln des Zusammenlebens zu akzeptieren und die, statt sich zu integrieren, andere, gewalttätige Modelle auferlegen wollen.“ Das Judentum liefere ein „bedeutendes Modell der Integration in die Gesellschaft, zu deren Fortschritt wir immer beigetragen haben, wenn uns das ermöglicht wurde“.

Auch Johannes Paul und Benedikt waren in der römischen Synagoge

Die römische Große Synagoge ist das Zentrum der ältesten jüdischen Gemeinde des Westens. Auch der heilige Johannes Paul II. und Benedikt XVI. waren in der römischen Synagoge zu Besuch. Nach dem Schrecken des Holocaust war der Pole Karol Wojtyla der erste Papst, der es wagen konnte, den Juden die Hand zur Versöhnung auszustrecken. Er hob das seit 2000 Jahren belastete Verhältnis zwischen den beiden Schwesterreligionen auf eine neue Ebene. 1979 besuchte er als erster katholischer Oberhirte das Konzentrationslager Auschwitz, im Jubiläumsjahr 2000 des Heilige Land. An der Klagemauer bat ein bereits schwer gezeichneter Johannes Paul um Vergebung für Untaten, die Christen Juden angetan hatten.  Synagoge, KZ, Jerusalem: Der deutsche Papst Benedikt XVI. steuerte dieselben Ziele an wie Johannes Paul, legte aber die ihm eigene Zurückhaltung an den Tag. Er suchte seinen Vorgänger nicht zu übertrumpfen. Einzelne Vorstöße seines Pontifikats aber bereiteten Juden Sorgen, so etwa Benedikts neue Karfreitags-Fürbitte für den alten Ritus der römischen Liturgie, den der Papst wieder zuließ, und sein Versöhnungsversuch mit der Piusbruderschaft, die das Zweite Vatikanische Konzil ablehnt. Genau dort freilich hatte die Kirche mit der Erklärung „Nostra aetate“ von 1965 den Grundstein eines neuen geschwisterlichen Umgangs mit Andersgläubigen gelegt.

Dass der jüdisch-christliche Dialog beständig voranschreitet, zeigt sich auch und gerade in Rom. Im vergangenen September konnte zum ersten Mal eine Abordnung deutscher Bischöfe die römische Synagoge besuchen, ein Schritt, der zehn Jahre davor noch undenkbar gewesen wäre, wie Oberrabbiner Riccardo Di Segni bei der Gelegenheit eingestand.

 

(rv 13.01.2016 gs)

 








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