2016-01-04 10:32:00

D: Debatte um Flüchtlings-Obergrenze ist eine „Nebelkerze“


Lageso – das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin – ist nach den Feiertagen wieder auf Normalbetrieb und versorgt Flüchtlinge mit Essen und Hilfen. Wie Berliner Medien berichten, haben sich ab sechs Uhr morgens bei Minus zehn Grad die ersten Schlangen von hunderten von Flüchtlingen gebildet. Die Lageso war wegen chaotischer Zustände lange in der Kritik, der Leiter der Lageso war zurück getreten. Der Berliner Senat verspricht nun Verbesserungen bei der Flüchtlingsaufnahme. Da passt es nur zu gut in die Debatte, dass in der Politik wieder von Obergrenzen gesprochen wird, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatte sie am Wochenende erneut ins Spiel gebracht. Nur durch eine solche Begrenzung sei Integration und Versorgung machbar.

Die Debatte um Flüchtlingsobergrenzen ist eine „Nebelkerze“, die von den tatsächlichen Problemen ablenkt. So kommentiert der Jesuiten Flüchtlingsdienst im Gespräch mit Radio Vatikan die über das Wochenende neu aufgekommene Debatte über eine maximale Anzahl von Menschen, die pro Jahr in Deutschland aufgenommen werden könnten.

„Die Obergrenzen würden im Prinzip nur eine künstliche Grenze darstellen“, sagt Stefan Keßler vom Jesuiten Flüchtlingsdienst in Berlin. „Dann taucht aber sofort die Schwierigkeit auf, wenn der erste oberhalb einer solchen Obergrenze ankommt, was man dann mit dem macht. Man kann die Leute schlecht einfach mal eben so zurück schicken. Eine Obergrenze würde zu neuen praktischen Problemen führen, ohne dass die tatsächlichen Probleme dadurch gelöst würden.“

Und doch scheint die Debatte attraktiv zu sein, anders lässt sich nicht erklären, dass immer wieder aus verschiedenen gesellschaftlichen und vor allem politischen Lagern Zahlen und Grenzen ins Spiel gebracht werden. „Es ist eine geworfene Nebelkerze“, die von Fehlern und Mängeln ablenken solle, kommentiert Keßler, er identifiziert drei Bereiche. „Die Obergrenzendebatte lenkt davon ab, dass die staatlichen Einrichtungen auch in Deutschland tatsächlich nicht darauf vorbereitet waren, dass mehr Flüchtlinge kommen würden, obwohl das eigentlich abzusehen war. Sie lenkt außerdem davon ab, dass die Fluchtursachen weiterhin bestehen und dass der Druck auf die Flüchtlinge, ihre Herkunftsländer zu verlassen wie in Syrien, Irak und Iran, aber auch Afghanistan, Eritrea und so weiter weiterhin steigt. Und sie lenkt davon ab, dass man eigentlich eher dafür sorgen muss, dass die Leute vernünftig aufgenommen werden müssen und ein vernünftiges Asylverfahren erhalten.“

Dass die Frage nach Grenzen, zahlenmäßigen Obergrenzen oder physischen Grenzen, politisch für die Regierungen in Europa attraktiver wird, kann man tagtäglich in den Nachrichten verfolgen. Einige Länder wollen gar keine Flüchtlinge aufnehmen oder wehren sich gegen ein vereinbartes Verteilverfahren, andere nehmen nur sehr wenige auf. „Unser Vorschlag dazu ist, dass man innerhalb der Europäischen Union ein System der gemeinsamen Verantwortung entwickelt“, setzt Stefan Keßler dagegen. „Nicht dass die Menschen wie Apfelsinenkisten zwischen den Ländern hin und her verschoben werden, sondern dass man finanzielle und personelle Aufwendungen miteinander teilt.“

(rv 04.01.2016 ord)








All the contents on this site are copyrighted ©.