2015-12-12 09:52:00

Erstes Heiliges Jahr im Twitter-Zeitalter


Vor drei Jahren, im September 2012, drückte Benedikt XVI. auf einen Knopf – und eröffnete damit seinen Twitter-Account @Pontifex. Ausgerechnet der Bücherpapst war damit ein Pionier in den sozialen Netzwerken. Heute hat der Account, der längst von seinem Nachfolger Franziskus bespielt wird, mehr als 25 Millionen Follower. Die Tweets werden in neun Sprachen veröffentlicht, von Arabisch bis Latein. Und die Präsenz des Papstes in den sozialen Netzwerken ist etwas sehr Wichtiges, sagt uns der Jesuit Antonio Spadaro, ein Vertrauter von Franziskus, Direktor der Jesuitenzeitschrift „Civiltà Cattolica“ und Autor des Buches „Wenn der Glaube social wird“.

„Mein erster Gedanke ist: Franziskus ist ein taktiler, ein sehr körperlicher Papst: Er fasst gerne andere Menschen an, umarmt gerne. Gerade diese körperliche Dimension wird im Digitalen gerne geteilt; es gibt gar keinen Bruch zwischen dem Körperlichen und dem Digitalen. Gerade seine Aufmerksamkeit für den Einzelnen, für das Menschliche, für Gesten stimuliert das digitale Teilen. Und dann gibt es in den sozialen Netzwerken ein Riesenbedürfnis nach Weisheit, nach Reflexion – diese Reflexion muss sehr kurz sein, aber doch dazu imstande, in die Tiefe zu gehen. Und das kann der Papst auch: einen kurzen, aber zugespitzten Tweet schreiben. In einem solchen Fall ist die Kürze eines Tweet keine Einschränkung, sondern genau richtig, um den Menschen mitten in einem frenetischen Leben zu helfen, mal kurz nachzudenken.“

Manche machen es diesem Papst ja schon fast zum Vorwurf, dass er derart in der Kürze, im Zuspitzen brilliert. Als sei er gar nicht zur Langstrecke imstande wie sein emeritierter Vorgänger. „Der Papst ist auch zu extrem breiten und komplexen Ausführungen imstande; man muss doch einfach nur mal lesen, was er früher geschrieben hat, bevor er Papst, ja bevor er Erzbischof wurde. Allerdings ist ihm klar geworden, dass die Weisheit des Evangeliums sich durch einfache und kurze Botschaften vermitteln lässt, dass sich dadurch ein Auf-den-Punkt-Nachdenken auslösen lässt.“ Natürlich seien 25 Millionen Follower bei Twitter eine stolze Zahl, so der Jesuit. „Aber die Zahl, die uns noch mehr zum Nachdenken bringen sollte, ist die der Menschen, die die Worte des Papstes teilen. Und in dieser Hinsicht ist Franziskus ein globaler Führer. Nicht nur seine Worte werden im Innern der sozialen Netzwerke, die ja oft Freundschafts-Netze sind, stark weitergeteilt, sondern auch die Bilder, also die Gesten, die der Papst setzt.“

Vor zwanzig Jahren war noch Steinzeit: Da veranlasste der heilige Johannes Paul II. die Gründung der Homepage vatican.va, und der Heilige Stuhl stolperte in die Internet-Ära. Bis heute fühlen sich nicht alle Vatikanmenschen so richtig wohl im Digitalen. Pater Spadaro rät dazu, sich klarzumachen, warum die Kirche ins Netz geht. „Die Mission – wenn wir so wollen, die Berufung – der Kirche ist, dort zu sein, wo die Menschen sind. Und heute sind die Menschen eben im Netz. Also muss die Kirche auch dort sein! In dieser Hinsicht müssen wir sozusagen inkarniert sein. Auch im Netz kann man sich inkarnieren, denn es ist kein kalter, technologischer Ort, wie sich einige das so vorstellen, wo es nur Kabel, Computer und Maschinen gibt. Nein, in Wirklichkeit ist es ein sehr warmer Ort, wo die Menschen heute auch religiöse Bedürfnisse und Vorstellungen äußern.“

Heißt das, Papst Franziskus sollte auch im Internet eine Heilige Pforte der Barmherzigkeit öffnen, so wie er das vor ein paar Tagen ganz analog am Petersdom getan hat? Spadaro: „Die Herausforderung speziell bei diesem Heiligen Jahr besteht nicht darin, das Netz zu benutzen, um eine Botschaft darin zu verbreiten. Das Netz ist kein Werkzeug, es ist ein Ambiente, ein Lebensumfeld, in dem man seine eigenen Erfahrungen mit anderen teilt. Was mir bei diesem Heiligen Jahr also wichtig scheint, ist, dass man Erfahrungen der Barmherzigkeit mit anderen teilt, dass man Barmherzigkeit zu einem „key word“ im Netz macht.“

(rv 12.12.2015 sk)








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