2015-12-11 12:28:00

Das Heilige Jahr in der Schweiz


„Auch Wiederverheiratete dürfen durch die Heilige Pforte schreiten“: Mit diesen Worten macht der Heilig-Jahr-Beauftragte des Bistums St. Gallen auf sich aufmerksam. Der Theologe Philipp Hautle hält zwar, wie er der Nachrichtenagentur kath.ch verriet, nichts von einem „mechanistischen Abrechnen von Sündenstrafen“. Doch hat er den Eindruck, dass der Papst den Ablass auf eine neue Weise interpretiert. Die Verantwortlichen im Bistum St. Gallen hätten sich allerdings dafür entschieden, bei diesem Heiligen Jahr den Ablass gar nicht zu thematisieren: „Heutzutage über den Ablass zu reden, das ist doch nicht zeitgemäß.“

Barmherzigkeit: Niemand wird ausgegrenzt

In St. Gallen wie in den anderen Schweizer Bistümern liegt der Akzent bei der Feier des Heiligen Jahres vielmehr darauf, „sich der Barmherzigkeit des Vaters anzuvertrauen“. Hier verortet Hautle auch den Kern des Ablasses; nur dass es auf das Vertrauen in Gottes Barmherzigkeit ankomme, nicht auf die Erfüllung gesetzlicher Vorschriften. Der Theologe weist darauf hin, dass Franziskus das Jahr der Barmherzigkeit so inklusiv will wie nur möglich: Auch Gefangene oder Frauen, die abgetrieben haben, seien gemeint.

„Misericordia, Barmherzigkeit“: Dieses Wort ist in den steinernen Bogen der Heiligen Pforte in St. Gallen gemeißelt worden. Sie führt nicht in die Kathedrale hinein, sondern in einen Kreuzgang, der über das ganze Jahr als Weg der Besinnung gestaltet ist und auf dem immer wieder neue Akzente gesetzt werden. Der Weg führt dann schließlich in den Kuppelraum der Kathedrale. Hier besteht die Möglichkeit, sich am Taufbecken mit dem Weihwasser und dem Kreuzzeichen an die eigene Taufe zu erinnern.

Die Heilige Pforte als Skulptur

Am kommenden Sonntag öffnen die Ortsbischöfe in der Schweiz die Heiligen Pforten in ihren Kathedralen. Das Bistum Basel verbindet das mit einem Solidaritätsgottesdienst für verfolgte Christen und Menschen auf der Flucht in der St. Ursen-Kathedrale von Solothurn.

In Einsiedeln wird Abt Urban Federer eine Pforte der Barmherzigkeit öffnen, die rund acht Meter vor dem Hauptportal der Klosterkirche steht. Damit bekommt sie in gewissem Sinn den Charakter einer Skulptur: 2,5 Meter hoch, 1,8 Meter breit. Die Einsiedler Heilige Pforte wird jene sein, die am nächsten zur einwohnerreichsten Stadt der Schweiz steht. In Zürich hätte man sich gewünscht, dass die Mutterkirche der Stadt, die Kirche Peter und Paul, oder die Liebfrauenkirche aufgrund ihrer zentralen Lage für die Errichtung einer Heiligen Pforte ausgewählt worden wäre. Der Bischof von Chur hat aber bestimmt, dass die Heilige Pforte in Chur sein wird – und zwar das Eingangsportal in die Kathedrale.

Pforte, Beichtstuhl und Tabernakel

In der Kathedrale Freiburg trifft man derzeit auf ein ähnliches Problem wie in Chur: Beide Kathedralen verfügen lediglich über einen öffentlichen Zugang. In Freiburg wird ein Eingangsportal an der Seite der Kirche restauriert. Dieses war als Heilige Pforte auserlesen. Die Arbeiten werden aber nicht rechtzeitig auf den 13. Dezember beendet. Darum wird – ähnlich wie in Einsiedeln – eine spezielle Pforte aufgestellt, aber nicht außerhalb der Kirche, sondern innerhalb. Diese Pforte wird aus Holz gefertigt und angesichts des Jahrs der Barmherzigkeit unweit eines Beichtstuhls am Eingang des rechten Seitenschiffs zu stehen kommen. Wer die Pforte durchschreitet, hat auf diese Weise direkte Sicht auf den Tabernakel der Kathedrale.

Außerdem werden über das ganze Gebiet des Bistums Freiburg-Lausanne-Genf sieben weitere Heilige Pforten verteilt. So werden die Wallfahrtsorte Les Marches bei Broc FR und Bourguillon in Freiburg eine solche erhalten. Auch die Kirche von Siviriez FR wird mit einer Pforte versehen. Im Dorf werden die Reliquien der seligen Marguerite Bays aufbewahrt, deren Heiligsprechungsprozess 2005 eröffnet wurde. Im Tessin wiederum sollen zwei Heilige Pforten eröffnet werden: eine bei der Madonna delle Grazie in Bellinzona und eine bei der Basilika Sacro Cuore in Lugano.

Die Schweizer Bischöfe laden die Gläubigen dazu ein, am Jahr der Barmherzigkeit aktiv teilzunehmen. Sie ermutigen dazu, Pilgerfahrten zu unternehmen, sei es nach Rom, sei es zu den Heiligen Pforten in der Schweiz. Sich selbst haben die Bischöfe im Heiligen Jahr auch etwas vorgenommen: Sie wollen sich besonders um den Kontakt zum Judentum und zum Islam kümmern. Vorherrschendes Thema bei diesen Begegnungen soll die Barmherzigkeit sein.

(kath.ch 11.12.2015 sk)








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