2015-12-06 15:06:00

Vor 50 Jahren hoben Rom und Konstantinopel Kirchenbann auf


Vor 50 Jahren, am 7. Dezember 1965, haben der damalige orthodoxe Patriarch von Konstantinopel, Athenagoras I., und Papst Paul VI. die bei der Kirchentrennung von 1054 ausgesprochene gegenseitige Verdammung für unwirksam erklärt. In einem gemeinsamen Papier hielten sie fest, dass sie die rund 900 Jahre zuvor verkündeten Exkommunikationen, "deren Erinnerung einer Annäherung in der Liebe bis heute hindernd im Wege steht, bedauern, aus dem Gedächtnis und der Mitte der Kirche tilgen und dem Vergessen anheimfallen lassen". Der Schritt, der mit dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) zusammenfiel, gilt als ökumenischer Meilenstein.

Paul VI. verkündete die Erklärung in der Konzilsaula im Petersdom vor den versammelten Konzilsvätern, Patriarch Athenagoras - Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie - zur gleichen Zeit an seinem Sitz im Phanar in Istanbul. Unter brausendem Applaus der Versammlung im Petersdom umarmte der Papst den Gesandten des Patriarchen, der selber den Phanar noch nicht hatte verlassen können - in Sorge, aus der Türkei ausgebürgert zu werden oder die brüchige Einheit unter den orthodoxen Kirchen zu gefährden.

Paul VI. war ein Meister symbolischer Gesten und des Dialogs. Seine ökumenische Liebe galt den Kirchen des Ostens. Im Jänner 1964 hatte er eine Pilgerfahrt nach Palästina unternommen, um die Heiligen Stätten in Israel und Jordanien aufzusuchen und dort Athenagoras persönlich zu begegnen. Dieser besaß einen ähnlich weiten Ökumene-Horizont wie Paul VI.

Die beiden führte einen neuen Brauch ein. Jedes Jahr entsendet der Patriarch von Konstantinopel seitdem eine Gesandtschaft nach Rom zur Feier der Apostelfürsten Paulus, während eine päpstliche Delegation am Andreasfest im Phanar teilnimmt.

Die Aufhebung der Bannflüche von 1965 blieb nicht die letzte Geste Pauls VI. Um Besorgnisse vor einem möglichen Missbrauch des Papstdienstes an der Einheit zu zerstreuen, wagte er im Dezember 1975 eine erschütternde Demutsgeste: Als bei einer Feier in der Sixtina der Aufhebung der Exkommunikationen gedacht wurde, warf sich der greise Papst vor dem Gesandten des Ökumenischen Patriarchen zu Füßen, um Verzeihung für das Schisma von 1054 zu erbitten.

Erster ökumenischer Papst-Gottesdienst

Wie sehr Papst Paul an der Einheit der Kirchen lag, wird auch an einem weiteren zentralen ökumenischen Ereignis deutlich, dass wenige Tage vor dem 7. Dezember 1965 stattfand: am 4. Dezember. Erstmals feierte an diesem Tag ein Papst einen ökumenischen Gottesdienst. Damit verwirklichte Paul VI. ein großes Anliegen des Konzils: den ökumenischen Dialog. Das Konzil hatte in seinem Ökumene-Dokument ausdrücklich dazu ermuntert, mit Vertretern anderer christlicher Konfessionen Gottesdienste zu feiern.

Mit der Anrede "Meine Herren, meine lieben Beobachter" eröffnete Papst Paul VI. in der römischen Kirche Sankt Paul vor den Mauern seine Ansprache. Gemeint waren damit Protestanten, Orthodoxe, Anglikaner und weitere Vertreter anderer christlicher Konfessionen, die als sogenannte Beobachter am Konzil teilgenommen hatten. Doch dann passierte etwas Unerhörtes: Der Papst korrigierte sich selbst und fuhr fort: "Lasst mich besser jenen Namen sagen, der in diesen vier Jahren des Ökumenischen Konzils wieder lebendig geworden ist: Brüder, Brüder und Freunde in Christus".

An dem ökumenischen Gottesdienst in Sankt Paul nahmen alle aktiv teil: Paul VI. sprach ein Gebet, der US-Methodistenpfarrer Albert Butler, der katholische Ordensmann Pierre Michelon und der griechisch-orthodoxe Archimandrit verlasen Stellen aus der Bibel. Zum Abschluss rief Paul VI. alle 103 Beobachter auf, das Vaterunser in ihrer Sprache zu beten. Das "Magnificat" im Gregorianischen Choral beendete den Gottesdienst. Anschließend empfing der Papst die Vertreter der christlichen Konfessionen im angrenzenden Benediktinerkloster. Jedem von ihnen schenkte er eine Glocke.

Nach dem damals noch geltenden, wenn auch wohl kaum mehr angewandten Kirchenrecht von 1917 hätte es den ökumenischen Gottesdienst in Sankt Paul vor den Mauern nicht geben dürfen. Es untersagte eine aktive Teilnahme an nichtkatholischen Gottesdiensten und Gebeten.

Vespergottesdienst in München

In Erinnerung an den 7. Dezember 1965 wird an diesem Sonntag, 6. Dezember, mit einer Vesper in der Münchner griechisch-orthodoxen Allerheiligenkirche für die Ökumene gebetet. Die Vorsitzenden der orthodoxen Bischofskonferenz und der katholischen Bischofskonferenz, Metropolit Augoustinos (Lampardakis) und Kardinal Reinhard Marx, nehmen teil. Dabei soll das für die Einheit der Christen bedeutende Ereignis vor 50 Jahren gewürdigt werden.

(kna 06.12.2015 mc)








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