2015-12-03 14:12:00

EU-Politiker Elmar Brok: „Der Krieg ist hier!“


Während die 155 Staaten in Paris über die Umweltkrise sprechen, diskutieren Politiker in den Parlamenten die Bombardierungen Syriens. England hat bereits die ersten Ziele in Syrien getroffen berichtet BBC an diesem Donnerstag. Deutschland bespricht noch im Bundestag, ob sie sich nächste Woche diesen Bombardierungen anschließen. Seit den Anschlägen von Paris hat sich etwas verändert, das sagt auch der CDU-Außenpolitiker Elmar Brok, der vergangenen Freitag  im Vatikan zu Besuch war. Er, als derzeitiger Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament, und als Dienstältestes Mitglied des Europäischen Parlaments sagt: Der Krieg ist da und je früher wir das akzeptieren, desto eher werden wir eine Lösung finden.

„Ja, wir sind in einem Krieg, aber in einem neuen Krieg. Das sind nicht mehr Panzer gegeneinander, sondern wir haben den Hybridkrieg in der Ukraine – wo man Menschen in andere Uniformen steckt und so tut, als wäre man es selbst nicht gewesen. Und ist es wirklich Krieg oder nicht Krieg, die klassischen Definitionen funktionieren nicht. Wir haben den Cyberkrieg, wo ohne direkte physische Tätigkeit ein ganzes Land zerstört werden kann. Und wir haben auch diesen asymmetrischen Krieg, wie wir ihn jetzt haben: In der Gegend selbst findet ein Krieg statt und wir haben mit der ISIS, jemanden der formal kein Staat ist, aber funktioniert wie ein Staat. Man kann keine klassische Kriegsdefinition machen – aber es ist Krieg in der Praxis. Und dieser Krieg kann auch asymmetrisch geführt werden und das ist Paris. Das heißt man kann heute auch mit den Transportmöglichkeiten, den Waffenmöglichkeiten ein Stück Krieg tausend Kilometer an einer anderen Stelle machen in dem man Menschen in die Luft jagt. Das ist Bestandteil dieses Krieges, eine Art von neues Krieges und darauf müssen wir uns einstellen – sonst wird die Lösungsfindung noch länger dauern.“

Der seit 1980 im europäischen Parlament sitzender Politiker traf vergangen Freitag auf den vatikanischen Außenminister Gallagher und auch auf Kardinal Müller. Erleichtert wirkte er nicht, eher bedrückt, denn die Themen seien nicht angenehm: „Hier waren auch die Fragen, die mit den Flüchtlingen, die mit dem Terror zu tun haben, welche Rolle Europa hier zu spielen hat. In welcher Weise auch Werte eine Rolle spielen können in der europäischen Politik, sowohl was unsere innere Gestaltung angeht als auch der Umgang mit den Flüchtlingen. Und natürlich auch die Debatte, die mit interreligiösen Dialog zu tun hat: Europa, Christentum und Islam. Das sind alles Dinge, die miteinander verwoben sind, wo wir auch Unterscheidungen machen müssen, damit wir nicht  in die falsche Richtungen laufen und die richtigen Entscheidungen treffen. Wir dürfen nicht den islamistischen Terror mit Islam gleichsetzen.“

Konkretes Thema war der Libanon. Dieser Staat könnte als Paradebeispiel für die Region dienen – als ein mutlireligiöser und funktionsfähiger Staat: „Der Krieg von Irak und Syrien ist letztendlich ein Stellvertreterkrieg von Saudi-Arabien und Iran. Libanon fällt auch darunter. Wir haben die besondere Situation, dass wir seit eineinhalb Jahren keinen Präsidenten haben, der nach deren Verfassung ein Christ sein muss. Und die christlichen Parteien, können sich nicht einigen, weil die eine Partei in den Iran bricht und die andere Richtung Saudi-Arabien. Und hier ist auch die Frage, ob wir nicht von europäischer Politik von den christdemokratischen Parteien, und auch vom Vatikan, eine gemeinsame Anstellung unternehmen können. Das wäre eine wichtige Frage für die Christen in der Region und ein Beispiel dafür wäre, dass man einen multireligiösen Staat Funktionsfähigkeit hat. Was wichtig ist, wenn wir auf einen Kompromiss in Syrien zusteuern.“

Europa dürfe jedoch nun das Vertrauen in Europa selbst nicht verlieren, betonte Brok. Denn seit 70 Jahren sei Europa eine Erfolgsstory für Frieden, Freiheit und Wohlstand. Aber die große Gefahr für Europa sehe er in den Populisten, die nun mit nationalstaatlichen Ideen das europäische Gedankengut verunreinigen. Er warnt vor dem Fremdenhass - Nationalstaat, Grenzen ziehen, Zäune und Mauern aufstellen: „Das ist nicht die Antwort, die man für Menschen haben kann, die vor dem Terror weglaufen, die rennen um ihr Leben. Und auf der anderen Seite ist es keine Lösung, Ordnung in das Verfahren zu bringen. Die Römer hatten auch gegen die Germanen, die größte Mauer, nämlich den Limes, hat ihnen auch nichts geholfen. Deswegen müssen wir erkennen gegen alle Rechtspopulisten, dass wir nur eine gemeinsame Lösung finden können, die den Geboten der Nächstenliebe und der Rechtsstaatlichkeit versprechen und gleichzeitig nicht die Überforderung unserer eigenen Länder zur Folge hat. Das kriegen wir nur gemeinsam hin.“

(rv 03.12.2015 no)








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