2015-11-29 10:30:00

Zentralafrika: Eine neue Etappe der Geschichte beginnen


Die Verantwortungsträger Zentralafrikas sollten in Sachen Einheit und Frieden mit gutem Beispiel voran gehen. Dazu rief Papst Franziskus bei seiner ersten Ansprache in der Zentralafrikanischen Republik auf. Die Begegnung fand im Präsidentenpalast von Bangui statt, an dem Ort, „der in gewisser Weise das Haus aller Zentralafrikaner ist“, so der Papst. In seiner Ansprache grüßte der Papst Interimspräsidentin Catherine Samba-Panza, die seit Januar diesen Jahres im Amt ist, sowie die übrigen Verantwortungsträger des Landes. Er grüßte aber auch die Repräsentanten der internationalen Organisationen, die im Bürgerkriegsland tätig sind; ihre Arbeit erinnere „an das Ideal der Solidarität und der Zusammenarbeit“, das unter den Nationen gepflegt werden müsse.

Der Papst sprach vom Prozess der „schrittweisen Normalisierung“ im Land, er selber komme als „Pilger des Friedens und als Apostel der Hoffnung“. „Es ist mein brennendster Wunsch, dass die verschiedenen nationalen Konsultationen, die in einigen Wochen abgehalten werden, dem Land erlauben, gelassen eine neue Etappe seiner Geschichte zu beginnen.“ Damit sprach der Papst die Frage der Wahlen an, die nach wie vor sehr umstritten und heikel ist. Vorgesehen sind sie für Anfang 2015, doch sehen viele Beobachter im Augenblick nicht die Möglichkeit, bei der anhaltenden Gewalt im Land Wahlen abzuhalten. Gegen die Gewalt zitierte der Papst in seiner Ansprache das Motto der Republik: „Einheit – Würde – Arbeit. Diese Trilogie bringt heute noch mehr als damals die Bestrebungen jedes Zentralafrikaners zum Ausdruck und ist folglich ein sicherer Kompass für die Verantwortungsträger, die beauftragt sind,  das Geschick des Landes zu leiten. Einheit, Würde, Arbeit! Drei sinnträchtige Worte, deren jedes ebenso eine Baustelle wie ein nie abgeschlossenes Programm darstellt, eine Aufgabe, die unaufhörlich von neuem in Angriff genommen werden muss.“

Einheit müsse auf der Basis der Vielfalt aufgebaut werden, führte Papst Franziskus aus. „Dabei muss man die Versuchung der Angst vor dem anderen vermeiden, der Angst vor dem, was uns nicht vertraut ist, vor dem, was nicht Teil unserer Ethnie, unserer politischen Option oder unseres religiösen Bekenntnisses ist.“ Einheit in Verschiedenheit sei eine „ständige Herausforderung“ für das Land. Zur Zeit stehen sich vor allem zwei Gruppen im Land feindlich gegenüber, die Séléka und die Anti-Balaka; erstere bezeichnet sich als muslimisch und letztere als christlich. Dem Terror der Gruppen setzte der Papst seinen Aufruf zu „Kreativität, zu Großherzigkeit, zu Selbstlosigkeit und zur Achtung des anderen“ entgegen.

Der Papst rief ferner dazu auf, alles zu tun, um den Status und die Würde des Menschen zu schützen. Das gelte besonders für die Armen. „Folglich müssen der Zugang zu Bildungs- und Gesundheitswesen, der Kampf gegen die Unterernährung und das Ringen, um jedem eine annehmbare Wohnung zu garantieren, in einer um die Menschenwürde besorgten Entwicklung an erster Stelle stehen.“

Dieser Gedanke führte den Papst zu seinem dritten Punkt, der Arbeit. Der Papst rief dazu auf, die Ressourcen des Landes sinnvoll zu nutzen. Zentralafrika besitzt reiche Rohstoffvorkommen an Uran, Gold, Diamanten und Holz, außerdem wird Kaffee angebaut. Trotzdem zählt das Land zu den ärmsten Afrikas. „Ihr Land befindet sich in einer Region, die aufgrund ihrer außerordentlich reichen biologischen Vielfalt als die eine der beiden Lungen der Menschheit angesehen wird. In diesem Zusammenhang möchte ich mit dem Verweis auf die Enzyklika Laudato si’ jeden Einzelnen – Bürger,  Verantwortungsträger des Landes, internationale Geschäftspartner und multinationale Gesellschaften – auf die große Verantwortung aufmerksam machen, die sie bei der Nutzung der Umweltressourcen und bei der Entscheidung und Planung der Entwicklung tragen, eine Verantwortung, die in der einen oder anderen Weise ihre Auswirkungen auf den gesamten Planeten hat,“ fügte der Papst hinzu.

Alle Verantwortungsträger rief der Papst dazu auf, die Ersten zu sein, welche die Werte von Einheit, Würde und Arbeit konsequent verkörperten.

Kirche und internationale Organisationen

Auf die Rolle der Kirche im Land eingehend betonte der Papst, dass sie sich für diese Werte engagiert habe und engagieren werde. Er bekräftigte den Willen der Kirche, zur Förderung des Gemeinwohls beizutragen. Und er ermutigte gleichzeitig auch die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft und der internationalen Organisationen im Land. „Ich ermutige sie nachdrücklich, auf dem Weg der Solidarität immer weiter voranzugehen, und wünsche, dass ihr Engagement, vereint mit dem Handeln der zentralafrikanischen Verantwortungsträger, dem Land hilft, weitere Fortschritte zu machen, besonders in der Versöhnung, der Entwaffnung, der Erhaltung des Friedens“, so der Papst.

„Zum Abschluss möchte ich noch einmal meine Freude darüber ausdrücken, dieses wunderschöne Land im Herzen Afrikas zu besuchen“, schloss Franziskus seine Ausführungen. Das Volk sei tief religiös und besitze ein reiches Erbe. „Ich sehe darin ein von den Wohltaten Gottes erfülltes Land! Möge das zentralafrikanische Volk, ebenso wie seine Führungspersönlichkeiten und alle seine Partner, diese Wohltaten gebührend zu schätzen wissen, indem es unablässig für die Einheit, die Menschenwürde und den auf Gerechtigkeit gegründeten Frieden arbeitet! Gott segne Sie alle!“

Präsidentin: „Ihr Kommen ist ein Sieg über die Angst“

Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza, die von vielen Beobachtern als schwach oder überfordert gesehen wird, hatte zuvor in ihrer Begrüßungsansprache an Franziskus gesagt, ihre Landsleute seien heute einmal „trotz all unserer Verschiedenheiten geeint“. Angesichts der „Unsicherheiten“, die diesen Papstbesuch in Bangui umgeben hätten, sei es, als erlebe man jetzt, da Franziskus tatsächlich gekommen sei, „einen Segen des Himmels“ oder gar „einen Sieg“. „Einen Sieg des Glaubens über die Angst, über das Misstrauen, einen Sieg von Mitleid und Solidarität der Weltkirche.“ Diese zwei Tage des Aufenthalts von Franziskus in Bangui müssten „in der Geschichte unseres Landes mit einem weißen Stein bezeichnet“ werden: „Denn in diesen historischen Tagen sind wir das Herz Afrikas, der Stolz einer Region!“

Samba-Panza räumte ein, dass die Reise des Papstes nach Bangui riskant sei: Es gebe „tatsächliche Sicherheitsbedenken“ und ein „Wiedererstarken extremistischer Bewegungen in diesen Tagen“. Dass Franziskus dennoch an seinem Besuch festgehalten habe, stelle „eine Lektion an Mut und Entschlossenheit“ dar. Einmal mehr habe er unter Beweis gestellt, dass er wirklich „der Papst der Armen, der Gebeugten und Verlassenen“  sei.

Die Interims-Präsidentin erinnerte an die Schrecken, die ihre Republik seit dem Sturz von Präsident Bozizé vom Frühjahr 2013 im Griff halten, und rief ihre Landsleute dazu auf, „ihre Schuld anzuerkennen und um Vergebung zu  bitten“. „Im Namen dieser Führungsgruppe und auch im Namen aller, die auf irgendeine Weise zum Abstieg des Landes in die Hölle beigetragen haben, bekenne ich alles Böse, was hier verübt worden ist, und bitte von ganzem Herzen um Vergebung“, so die Politikerin. Sie fuhr fort: „Wir brauchen diese Vergebung unbedingt, weil unsere Herzen durch die Mächte des Bösen verhärtet worden sind.“

Samba-Panza hieß den Papst als einen „Botschafter des Friedens“ willkommen. Er verschaffe ihrem gemarterten Land „Hoffnung auf eine Wiedergeburt“. Zentralafrika sei „heute ein gottverlassener Ort“, könne aber morgen „ein Land der Gelegenheiten und der Zukunft“ sein. „Gott hat unsere Gebete erhört und uns seinen Friedensbotschafter gesandt!“, rief sie zum Schluss ihrer Rede aus. „Wir sind gerettet!“

(rv 29.11.2015 ord)








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