2015-11-21 09:21:00

Missbrauchskonferenz: Im System stimmt etwas nicht


Missbrauch in der Kirche kann man besser begegnen und vor ihm schützen, wenn die einzelnen Ortskirchen zusammen arbeiten. Leider sind aber die Unterschiede in der Aufarbeitung in Europa und weltweit noch groß. Das ist eines der Ergebnisse einer Konferenz von kirchlichen Missbrauchsbeauftragten, welche in dieser Woche in Luxemburg getagt hat. Vertreter aus dreizehn europäischen Ländern waren unter dem Titel „Eine Krise – verschiedene Antworten“ zusammengekommen.

Andreas Zimmer ist Präventionsbeauftragter des Bistums Trier. Er betont im Gespräch mit Radio Vatikan, dass dem Kinderschutz Vernetzung unter den Institutionenen gut tut. „Am Ende der Konferenz stand die klare Erkenntnis, wie viel wir in Europa beim Thema des Kinderschutzes von dem lernen können, was in den einzelnen Ortskirchen an einzelnen Erfahrungen und Projekten bereits vorliegt“, so Zimmer. Bei der Konferenz sei der Unterschied zwischen den Ländern deutlich geworden, die schon zwanzig Jahre mit dem Problem umgehen, und denen, für die das noch ein Tabu ist, „zumal deutlich wurde, dass es überall mit der Frage zu tun hatte, ob es öffentlichen Druck gab, der das verursacht hat. Die Initialzündung war in den englischsprachigen Ländern bereits 2002 und in anderen Ländern 2010. In anderen Ländern steht sie noch aus.“

Was kann man also tun? Zimmer betont die Bedeutung ganz praktischer Hilfe für die Ortskirchen, es brauche Ermutigung und Zusammenarbeit.

Zu viel Machtdenken, es braucht Bekehrung

So wichtig die Praxis auch ist, es gibt noch eine weitere Dimension, die im Laufe der Debatte um die Missbräuche aufgetaucht ist und die noch nicht wirklich angegangen wurde, sagt Andreas Zimmer. „Ein ganz zentraler Punkt ist das Schweigen der Theologie, das auch bei der Konferenz von einigen beklagt wurde. Das gerade auch theologisch zu diskutieren und von unserem Glauben her zu begründen, ist ein weiterer Meilenstein, den wir erreichen müssen.“

Das Thema Missbrauch zeige, was falsch gelaufen sei in der Kirche, sagt auch einer der Gastgeber der Konferenz, Luxemburgs Bischof Jean-Claude Hollerich. „Da ist Schreckliches in der Kirche passiert, da ist sehr vieles versteckt worden, unter den Teppich gekehrt worden. Wir stehen in vielen Medien zu Recht als Heuchler da!" Hollerich zieht auch den Schluss daraus: „Wir haben vielleicht ein zu großes Machtdenken gehabt und nicht genug die Bescheidenheit, zuerst Jünger Christi zu sein“, das habe mit Glaubwürdigkeit als Christ und auch als Hirte zu tun. Da brauche es eine „Bekehrung“, die mehr sei als die Bekehrung des Einzelnen. Die Kirche sei streng, wenn es darum gehe, zu urteilen, und sei gleichzeitig gut darin, alle möglichen Fehler und Sünden im Klerus zu relativieren und zu verharmlosen. „Das bezeugt, dass etwas im System nicht stimmt.“

Das gesamte Thema sei „so entsetzlich, dass man leicht in einer Betroffenheit hängen bleibt“, warnt Zimmer. Man müsse aber querdenken und andere Wege und Zugänge suchen, um kreativer mit diesem Themenfeld umzugehen. Ein Beginn dazu sei immer das Zuhören: Kirchenleitungen seien sehr bemüht, müssten aber noch deutlicher zuhören, als sie es im Augenblick schon tun. „Ich denke, dass die Frage, warum in Europa so unterschiedliche Schritte gegangen worden sind, sehr stark damit zusammenhängt, wann man begonnen hat, Betroffenen, Opfern oder - wie man in England sagt - Überlebenden zuzuhören.“ Dazu gehören sicherlich Hotlines, aber auch das alltägliche Gespräch der Seelsorge. Nicht zuletzt gehört dazu auch das Zuhören der Bischöfe, um das Leiden aus der Perspektive derer zu sehen, die es durchgemacht haben.

Konferenzen wie die in Trier zu Ende gegangene seien wichtig, weil sich hier Menschen vernetzten, die wirklich etwas ändern wollten, sagt Zimmer noch. Hier würden Ideen zu kleinen Schritten vor Ort ausgetauscht. „Ich gehe mit dem Gefühl da heraus, dass das eine Bewegung ist. Das ist nicht nur etwas, was einfach nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, sondern wo etwas in Bewegung gekommen ist und wir hoffentlich auch weiter viel bewegen können.“

(rv 21.11.2015 ord)








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