2015-11-12 10:39:00

Papst: Was sagst du Gott, wenn du ein ausgebeutetes Kind siehst?


„Immer unter Spannung leben, sich nicht an die Weltlichkeit verkaufen“: So sollten Jesuiten sein – und Jesuitenschüler und überhaupt alle, die versuchen, im Geist des heiligen Ignatius von Loyola zu leben. Das sagte Papst Franziskus in einer Meditation, die er per Video an ein Treffen ehemaliger Jesuitenschüler in der ecuadorianischen Stadt Guayaquil schickte. Franziskus ist selbst Jesuit und hat an Schulen seines Ordens unterrichtet. Er ging in seiner Meditation von den „Geistlichen Exerzitien“ des heiligen Ignatius aus.

„Der Jesuit – und auch der, der bei Jesuiten in die Schule gegangen ist – hat ein bestimmtes Erbe mitbekommen: Er muss immer in Spannung sein, ständig unter Spannung stehen. In der Spannung zwischen dem Himmel, der Erde und sich selbst. Er kann nicht wie der Vogel Strauß den Kopf vor der Realität der Welt in den Sand stecken. Er kann sich nicht eine eigene Welt erschaffen mit einer „Religiosität light“ angesichts der Realität Gottes. Und er kann sein Gewissen nicht an die Weltlichkeit verkaufen!“ Drei Fragen sollten sich seine Zuhörer einmal stellen: „Wie stehe ich da vor Gott? Wie stehe ich da vor der Welt? Wie stehe ich da angesichts des Geistes der Weltlichkeit, der sich mir immer wieder anbietet? Wenn Sie auf diese drei Fragen antworten, können Sie ermessen, inwieweit Ihre Jesuiten-Erziehung Sie wirklich prägt – oder inwieweit sie im Schrank eingeschlossen geblieben ist.“

Wenn sie über die Menschwerdung Gottes in der Welt nachdächten, dann sollten sie daran denken, dass Gott in eine ganz konkrete Welt mit brennenden Problemen komme, empfahl der Papst den Jesuitenzöglingen. Typisch Franziskus: ein Sprung vom Thema Inkarnation ins Heutige. „Sie treffen sich ja in Lateinamerika – wie sieht es denn da aus? Wie viele Kinder gehen nicht zur Schule? Warum können sie das nicht? Wie viele Kinder haben nicht genug zu essen? Wie viele Kinder sind krank? Drei Dinge: Gesundheitswesen, Ernährung, Bildung. Denken Sie darüber nach. Denken Sie über die menschlichen Tragödien – ich will jetzt nicht „soziale Tragödien“ sagen! – nach. Menschliche Tragödien, weil jeder Mensch ein Tempel der Dreifaltigkeit ist. Denken Sie an die menschlichen Tragödien in Lateinamerika! Was mir in Buenos Aires sehr zu denken gab: In einer Gegend am Fluss gab es 36 Restaurants nebeneinander, alle barbarisch teuer. Die waren meist gut besucht. Gleich daneben eine Bahnstation, und dahinter eine Favela.“

Unter denen, die in den guten Restaurants am Fluss speisten, seien doch sicher viele Christen, überlegte Papst Franziskus. Vielleicht hätten doch auch viele von ihnen katholische Schulen besucht... Nun gut, das sei jetzt „nur ein Beispiel“. „Wenn Sie in sich den Jesus-Christus-Virus haben, dann sollten Sie darauf achten, was Sie Gott sagen, wenn Sie diese Ungleichheit sein. Was Sie Gott sagen, wenn Sie die Ausbeutung von Kindern sehen, das Ausnutzen der Arbeiter. Wenn Sie sehen, dass sich niemand um die Erde kümmert und dass Wälder abgeholzt werden. Wenn Sie sehen, wie Bergbau-Unternehmen das Mineral mit Arsen zutage fördern, und wie das der Gesundheit so vieler Menschen schadet, unter ihnen auch Kinder.“

Ignatius lade in den „Geistlichen Exerzitien“ dazu ein, sich den Blick Gottes auf die Erde und die Menschen zu eigen zu machen. „Wie schaust du auf die Wirklichkeit? Oder anders gesagt: „Wie übersteigst du dich selbst? Oder bist du in dich selbst eingesperrt? Kannst du dir vorstellen, wie Maria die Tür zusperrt, damit sie bloß keinen Auftrag von Gott bekommt? Nein, das kannst du dir nicht vorstellen. Aber wenn Sie ein Christ sind, dann tun Sie doch das, was sie getan hat.“ Das heißt: Türen auf, damit Gott mit seinen Ansprüchen und seinem Ruf an uns herantreten kann wie damals in Nazareth, als der Engel zu Maria kam.

„Wie siehst du auf die Menschen? Mit welchem Blick? Dem Blick deiner Bequemlichkeit, deiner Ruhe? Dem Blick eines Menschen, der keine Scherereien will? Oder mit dem Blick deiner Brieftasche? Und wie schaust du auf Gott? Von Angesicht zu Angesicht? Zu wem sprichst du? Zu einem „Spray-Gott“, der sich fast in nichts auflöst, oder zu deinem Vater? ... So will ich Sie haben: in Spannung. Die Wahrheit erreicht man nur in der Spannung, die Wahrheit ist nicht ruhig, sie ist nicht kristallisiert, sie ist buchstäblich spannend; sie bringt dich dazu, zu handeln, dich zu ändern, Gott den Schöpfer, Erlöser, Heiligen nachzuahmen; sie bringt dich dazu, Mensch zu werden.“

(rv 12.11.2015 sk)








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