2015-11-05 12:42:00

Syrien/D: Patriarch kritisiert deutsche Aufnahmebereitschaft


Der syrische griechisch-katholische Patriarch Gregorios III. Laham hat Vorbehalte gegen die hohe Aufnahmebereitschaft Deutschlands geäußert. Er sei „froh über die Aufnahme, aber traurig über die Einladung", sagte das Oberhaupt der griechisch-katholischen (melkitischen) Kirche am Mittwoch in Frankfurt. Die Bereitwilligkeit der Bundesregierung, Kriegsflüchtlingen aus Syrien Schutz zu gewähren, werde dort „so verstanden, als wolle Deutschland soundsoviele Leute haben".

Gewiss sei Angst ein Fluchtmotiv, aber diese Angst werde vom „Islamischen Staat" bewusst geschürt, so der Geistliche. Andere Gründe für die Abwanderung aus Syrien seien „Hoffnung auf besseres Leben und eine bessere Zukunft" wie auch „Lust auf Abenteuer", so Gregorios III. Die Ausreisewelle verglich er mit einer „Epidemie". Der Patriarch, der in Damaskus residiert, besuchte Frankfurt anlässlich der Weihe der byzantinischen Kapelle in der Jesuitenhochschule St. Georgen.

Zwar leide die Zivilbevölkerung in Aleppo unter sehr schwierigen Bedingungen, auch die Lage in Homs sei erschwert; in Damaskus gehe das Leben aber vielfach normal weiter. Dass die Menschen aus den Regierungsgebieten flüchteten, sei „nicht wahr". Im Gegenteil suchten viele Binnenvertriebene Schutz an Orten, die unter der Kontrolle von Syriens Präsident Bashar al-Assad stünden. „Sicherheit ist da, wo die Regierung ist", sagte Gregorios III. Als Beleg verwies er auf die Flüchtlingshilfe seines Patriarchats. 2011, zu Beginn des Konflikts, habe die Aufnahmestelle in Damaskus 300 Familien unterstützt; jetzt seien es 8.000.

Den Syrienkonflikt beschrieb der Patriarch als von unterschiedlichen Interessen gesteuert. Die „sogenannte Opposition" sei „bezahlt", Demonstrationen „gekauft". In Syrien lebten inzwischen viele Kriegsgewinnler. Die Immobilienpreise verfielen wegen eines Überangebots. Davon profitiere eine Mafia. Auch Mitarbeiter internationaler humanitärer Organisationen würden hoch bezahlt, so das Kirchenoberhaupt.

Medien verteufeln Assad

Assad ist aus Sicht von Gregorios III. Opfer gezielter Diffamierung. In den westlichen Medien herrschten „Manipulation, Ignoranz, der Wille, über das Schlechte zu informieren", sagte er. Dabei machte er auch den seit über zwei Jahren verschleppten Jesuiten Paolo Dall'Oglio für das negative Syrienbild verantwortlich. Dieser habe als „ein einzelner Priester" und Leiter eines staatlich unterstützten Klosters systematisch schlecht über die Regierung Assad geredet.

Der italienische Jesuit Dall'Oglio war im Juli 2013 in der IS-Hauptstadt Raqqa verschwunden und soll sich in der Gewalt von Jihadisten befinden. Seit über 30 Jahren in Syrien arbeitete er in Syrien und setzte sich dort besonders für den christlich-islamischen Dialog ein. Die katholische Kirche und die italienische Regierung bemühten sich bislang vergeblich um eine Freilassung des Ordensmannes.

Gegenüber der Ära von Hafiz al-Assad, dem von 1970 bis 2000 regierenden Vater des amtierenden Präsidenten, habe sich die Situation in Syrien grundlegend gewandelt, so der Patriarch. Es gebe größere Religionsfreiheit als in den meisten anderen Ländern des Nahen Ostens. Abgesehen vom Libanon sei Syrien das einzige Land in der Region, in dem der Islam nicht Staatsreligion sei.

Er selbst könne die negative Sicht Assads nicht teilen, sagte Gregorios. In persönlichen Begegnungen erscheine der Präsident kultiviert, voller Anteilnahme und Respekt gegenüber der christlichen Religion. „Ich weiß nicht, was die Leute gegen ihn haben", so der Patriarch wörtlich.

„Auch Russland hat politische Interessen in Syrien“

Russlands Militärintervention in Syrien ist aus Sicht des syrischen Patriarchen  nicht das richtige Vorgehen gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat" (IS). „Man kann den IS nicht mit Bomben besiegen", sagte das melkitische Kirchenoberhaupt. Dass Russland als Schutzmacht der Christen im Nahen Osten agiere, sei nicht wahr. „Russland will einen Platz am Meer", so der Patriarch.

Dem IS könne nur eine internationale Allianz Einhalt gebieten, meinte der 81-jährige Kirchenführer. Daran müssten sich neben Russland auch die USA und die Europäische Union sowie Saudi-Arabien und Katar als arabische Führungsmächte unter Einbindung des Iran beteiligen. Militäreinsätze seien dabei nur ein Mittel neben anderen. Er persönlich glaube „nicht an die Kraft der Waffen".

Zwar gebe es gute historische Beziehungen zwischen den Kirchen Syriens und dem russisch-orthodoxen Patriarchat in Moskau, sowie auch eine personelle Repräsentanz der russischen Kirche in Damaskus. Im gegenwärtigen Konflikt habe Russland aber „Interessen wie andere Länder auch". Internationale Versuche, Einfluss auf den Bürgerkrieg in Syrien zu nehmen, beschrieb der Patriarch mit den Worten: „Wir erleben ein Chaos der Interessen."

(kna 05.11.2015 gs)








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