2015-11-04 12:42:00

Vatileaks II: „Das Motiv ist schwer zu verstehen“


„Die Tatsache an sich ist sehr schwerwiegend, aber nichts kann den Weg vermauern, den der Heilige Vater eingeschlagen hat.“ So reagiert der Bischof von Albano, Marcello Semeraro, auf „Vatileaks II“, also den neuerlichen Dokumentendiebstahl im Vatikan. Der Sekretär des „K-9“-Kardinalsrates,  der Franziskus bei der Kurienreform berät, glaubt, dass der Diebstahl letztlich gegen die vom Papst eingeleiteten Neuerungen im Vatikan gerichtet ist. „Aber das war vorhersehbar“, so Semeraro gegenüber der Tageszeitung „Corriere della Sera“, „jede Veränderung ruft Widerstand hervor.“

Allerdings falle es ihm schwer, „das letzte Motiv dahinter zu verstehen“, es sei denn, es gehe in erster Linie um Geld. Die „Umstände“ seien scheinbar ganz andere als bei „Vatileaks I“: „Andererseits gab es die Personen, die jetzt beschuldigt werden, schon zuvor (im Vatikan), und es wäre bedauerlich, wenn das ein alter Stil sein sollte, der jetzt weitergeht. Und beiden Skandalen gemeinsam ist das Verhalten, nämlich, ein gegebenes Wort zu brechen.“

Dem Bischof von Albano scheint der Dokumentendiebstahl kaltblütig geplant. Die Kommission, zu der die beiden Beschuldigten - ein spanischer Monsignore und eine italienische Finanzexpertin - gehörten, sei ja bereits vor anderthalb Jahren aufgelöst worden. „Warum also jetzt diese Papiere hervorziehen?“, fragt Semeraro. „Dahinter gibt es sicher eine verdeckte Absicht.“ Die Kurienreform gehe aber „in aller Ruhe weiter“, versichert er, im Dezember trete der Kardinalsrat ein weiteres Mal zusammen.

Auch der frühere Präsident der „Vatikanbank“ IOR, Ettore Gotti Tedeschi, äußert sich im „Corriere“. Der Papst müsse jetzt „sofort und entschlossen handeln“, um den „Angriff auf den Heiligen Vater“ zu parieren. Dieser Angriff solle nach Ansicht des Bankers „Franziskus’ Glaubwürdigkeit und die der Kirche beschädigen, um ihn an seinen Reformen zu hindern“. Gotti Tedeschi, der von 2009 bis 2012 an der Spitze des IOR stand, fragt: „Warum betreffen die Enthüllungen denn nicht die Synode oder Lehrfragen, sondern nur Finanzangelegenheiten? Das müsste doch zu denken geben.“

Die Tageszeitung „La Repubblica“ von diesem Mittwoch bringt ein Interview mit Kardinal Coccopalmerio, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte. „Der Papst wird sich von niemandem erpressen lassen“, sagt der Kardinal. Er frage sich aber, „ob diese zwei Personen auf eigene Faust gehandelt haben oder ob sie von jemandem“ – womöglich sogar von außerhalb des Vatikans – „angestiftet wurden“. Auch außerhalb des Vatikans nämlich stoße Franziskus, etwa mit seiner Enzyklika Laudato si’, „in gewissen Kreisen“, die ihre „Interessen“ bedroht sähen, auf Widerstand. Er glaube nicht, dass es in der Kurie Versuche gebe, den Papst „zu destabilisieren“, so Kardinal Coccopalmerio. Auf jeden Fall seien solche Versuche zum Scheitern verurteilt, nichts könne Franziskus „aufhalten“. Der Papst selbst hatte gegenüber Mitarbeitern an diesem Mittwoch bekräftigt, er werde die Schwierigkeiten mit Zuversicht und Entschlossenheit angehen.

(rv 04.11.2015 sk)








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