2015-10-31 09:19:00

Youcat: „Die Bibel ist heute so spannend wie noch nie“


Die Soziologie spricht von einem „Traditionsabbruch“, nachfolgende Generationen haben fast keinen Zugang mehr zu Glauben und zum Glaubenswissen, von der Bibel ganz zu schweigen. Dem will einmal mehr das Team des Youcat abhelfen, dieses Mal liegt eine Jugendbibel vor. Angestoßen vom Bibelwissenschaftler Thomas Söding haben sich einige Exegeten daran gemacht, die Ausdrücke von Glauben, Freude, Leiden und Gebet so anzubieten, dass ein Einstieg einfacher und begleitet wird. Jesuitenpater Dominik Markl ist Exeget und lehrt am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom, er ist einer der Autoren dieser Jugendbibel.

RV: Was unterscheidet diese Bibel von der Bibel bei mir im Regal?

Dominik Markl SJ: „Es ist eine Auswahlbibel, es ist nicht die vollständige Bibel, sondern wir haben für junge Menschen Texte ausgewählt, die leichter zugänglich sind als andere. Die Bibel enthält Texte, die junge Menschen überfordern können in ihrem ersten Zugang. Wir haben uns also bemüht, Texte zu wählen, die einen leichteren Einstieg bieten und die leichter verständlich sind.“

RV: Die Regel-Listen aus dem Buch Leviticus finden sich also nicht in dem Buch?

Dominik Markl SJ: „Genau. Wir haben uns bemüht, auch aus den schwierigeren Büchern kleine Beispiele zu bringen, wir haben aus allen Büchern zumindest ein kleines Stück Text gebracht. Aber wir haben den Schwerpunkt auf die Stellen gelegt, bei denen wir den Eindruck hatten, dass sie theologisch besonders wichtig sind oder eine besonders schöne Botschaft haben. Zum Beispiel ist die Geschichte von David, eine der wenigen richtigen Jugendgeschichten in der Bibel, in der Ausgabe enthalten.“

RV: Die Übersetzung ist aber nicht extra angefertigt, sondern die, die wir alle schon kennen.

Dominik Markl SJ: „Eine der großen Diskussionen am Anfang der Jugendbibel war, welche Übersetzung man nimmt. Wir haben diskutiert, eine Bibel in jugendgerechter Sprache zu versuchen, wir sind aber zu dem Schluss gekommen, dass das nicht ideal ist, weil dann in der Liturgie, der Messe und so weiter Jugendliche mit der Einheitsübersetzung zu tun haben. Wir haben es besser gefunden, den üblichen Bibeltext zu nehmen und dann aber zu erklären, wo wir den Eindruck haben, dass es nicht leicht verständlich ist und wo es Hintergrundinformationen braucht.“

RV: Die bekommt man aber auch in dem Buch. Es sind Zeichnungen dabei, Erklärungen und kurze Einführungen, wie man es aus dem Youcat ja auch kennt, die Bibel ist ja in dieser Reihe erschienen.

Dominik Markl SJ: „Wir haben sowohl kurze Einführungen in jedes Buch, in jeden großen Abschnitt der Bibel, als auch ganz kurze, einfache Erklärungen. Das sind allerdings nicht nur Sacherklärungen von Bibelwissenschaftlern, sondern auch passende Kommentare von Heiligen, von Päpsten, aber auch von Persönlichkeiten aus der Wissenschaft und Kultur. Auch junge Leute kommen zu Wort und sprechen zu einem Bibeltext ein Zeugnis aus.“

RV: Ich schlage einmal wahllos auf und finde hier ein Gebet von Thomas Morus, gegenüber ein Zitat von Papst Franziskus und darunter einen Jugendlichen, der etwas aus seinem Leben mit der Bibel erzählt. Das scheint das Prinzip zu sein, ein begleitender Text.

Dominik Markl SJ: „Genau. Der Gedanke im Hintergrund ist, dass die Bibel ein Buch der ganzen Kirche ist. Es gibt ganz viele Stimmen, die durch zwei Jahrtausende hindurch diese Bibel gelesen haben, mit ihr gelebt haben, mit ihr gerungen haben, sich an ihr gefreut haben. Diese Vielfalt der Stimmen soll zur Sprache kommen und für Jugendliche zugänglich werden. Ich glaube, die Bibel ist heute so spannend wie noch nie. Bis vor kurzem hat man vielleicht gedacht, die Bibel sei ein altes und verstaubtes Buch, aber wir haben heute eine viel größere Freiheit im Umgang mit der Bibel. Die Schöpfungsgeschichte will natürlich nicht sagen, dass die Welt in sieben Tagen entstanden ist, sondern spricht von der Beziehung Gottes zur Welt und zum Universum, ein wunderbarer Text, heute vielleicht mehr denn je.“

RV: Wenn man mit Jugendlichen über die Bibel spricht, kommen schnell auch die Widersprüche in der Bibel auf den Tisch, etwa der Stammbaum Jesu, der durch Josef verläuft, aber Josef ist gar nicht der Vater Jesu. Wie geht die Jugendbibel damit um?

Dominik Markl SJ: „Zum Teil haben wir versucht, Schwierigkeiten die wir gesehen haben, in kleinen Kommentaren anzusprechen, andererseits kam es uns darauf an, die Dinge zu unterstreichen, die uns besonders wichtig erschienen. Natürlich gibt es Widersprüche und komplizierte Dinge in der Bibel, die man vertieft studieren muss, um sie zu verstehen, aber wichtig scheint uns, zu zeigen, was an der Botschaft entscheidend ist, wie Menschen ihr Ringen mit Gott zum Ausdruck bringen und wie sie ihre Freude und ihr Leiden im Gebet zum Ausdruck bringen. Diese Lebenserfahrung, von der die Bibel so voll ist, die so sprühend ist, die wollten wir vor allem mit diesem Buch vermitteln.“

RV: Der Priester und Seelsorger in Ihnen ist glücklich, ist es auch der Bibelwissenschaftler?

Dominik Markl SJ: „Insgesamt bin ich als Exeget zufrieden mit dem Buch. Es ist natürlich ein Spannungsfeld, als Wissenschaftler versucht man, Dinge möglichst präzise zu formulieren, und jetzt kommt es darauf an, jugendgerecht und möglichst einfach zu sprechen. Hinter diesem Buch liegen auch viele Debatten, wie man eine Sache gut formulieren kann, aber insgesamt haben wir uns große Mühe gegeben, die Dinge nicht zu einfach darzustellen, sondern so richtig, wie es in Einfachheit geht. Deswegen kann ich das Buch auch als Bibelwissenschaftler guten Gewissens aus der Hand geben.“

Jugendbibel der Katholischen Kirche, Herausgegeben von der Österreichischen Bischofskonferenz, erschienen in der Youcat-Foundation und dem Katholischen Bibelwerk. Das Buch kostet etwa 15 Euro.

(rv 31.10.2015 ord)








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