2015-09-16 09:28:00

Ungarn hat Angst - aus historischen Gründen


Ungarn hat seine Grenzen dichtgemacht für Flüchtlinge und Asylbewerber: Der illegale Grenzübertritt ist per Gesetz zur Straftat erklärt worden, auf die eine Haftstrafe steht. Die entsprechenden Fernsehbilder von Zäunen, Gittern und Polizeieinsätzen sind nicht sehr schön, aber trotz der rigiden Politik gibt es auch viele Freiwillige, die am Bahnhof in Budapest geholfen haben und dem Land das Gesicht der Solidarität zurückgegeben haben. Das sagt Csaba Török, Professor für Fundamentaltheologie am Priesterseminar von Esztergom: „Ich habe die Situation an den Bahnhöfen persönlich gesehen. Ich habe dort befreundete Priester aus Budapest getroffen, die in Zivil den Ankömmlingen halfen. Das ist ein sehr wichtiges Zeichen. Die katholische Universität Budapest hat eine Abteilung für Orientalistik, wo die Studenten Arabisch sprechen; der Rektor hat sie dazu aufgerufen, am Bahnhof mit ihrer Arbeit zu helfen, nicht nur durch Übersetzungen, sondern auch mit praktischen und nützlichen Informationen. Es gibt auch von Anfang an vor Ort viele selbstorganisierte Laiengruppen, die dort viel Gutes tun.“

Allerdings: Nicht alle Ungarn sind so hilfsbereit, denn viele Menschen haben angesichts des Ansturms auch Angst bekommen. Ein Zustand, den Török nicht verheimlichen will. Sein Land habe 150 Jahre türkischer Herrschaft hinter sich, und auch die Wirtschaftskrise laste schwer auf den Schultern seiner Landsleute. Für ihn sind die Ängste sehr menschlich, auch viele von ihnen nicht objektiv zu rechtfertigen seien. Aber es gebe eben Gründe, warum dieses Land so tickt, wie es tickt: „„Man muss zugeben, dass es in dieser Region Europas über 200 Jahre Kriege zwischen Nationen, Sprachen und Religionen gegeben hat. Menschen, die in dieser Ecke Europas leben, sind aus historischen Gründen nicht so offen, wie es andere westliche Gesellschaften sind. Die Nationen, die nach dem Ersten Weltkrieg gegründet wurden, hatten keine Hilfe bei dieser Gründung, daher hält sich das ungarische Volk feuerfest gegenüber anderen Kulturen. Es fühlt sich in der Tat bedroht. Ich kann auch sagen, dass der Anteil der Ungarn größer wird, der denkt, dass der Islam nur auf Stereotypen basiere. Es ist klar, dass wir, wenn wir jemanden oder etwas nicht kennen, Angst davor haben. Die Kirche hat hier die Pflicht, Ungarn zu helfen.“

Die Kirche solle den Menschen durch die Verkündigung des Evangeliums ihre Ängste vor dem Fremden nehmen. Sie habe zwar noch nicht ihre klare und auch starke Stimme gefunden, aber Török ist zuversichtlich, dass sie noch soweit kommen wird. Zunächst mal gelte es allerdings, einfach karitative Hilfe zu leisten. „Schwieriger ist dann der Mentalitätswandel. Das ist es, was wir brauchen. Wir sind diejenigen, die die Grenzen weiterhin verteidigen wollen. Aber wir müssen zusammen ein Gefühl von Katholizität finden, das universal und offen gegenüber der Menschheit ist.“ Die aggressive Politik Ungarns sei für ihn inakzeptabel. Als Christ müsse man die Menschen empfangen, betont Török.

(rv 16.09.2015 pdy)








All the contents on this site are copyrighted ©.