2015-09-13 08:10:00

Aktenzeichen: Maria Goretti


Es könnte ein Fall von heute sein: Mädchenmorde mit sexuellem Hintergrund sind keine Einzelfälle. Leider.  Immer wieder beklagen verzweifelte Eltern, Geschwister, Mitschüler, Bekannte und Verwandte den gewaltsamen Tod eines Kindes – die schwarze Chronik ist voll von diesen grausamen Schicksalsschlägen. Mit der Heiligsprechung von Maria Goretti im Jahr 1950 durch Papst Pius XII. wollte die katholische Kirche ein Wahrzeichen setzen, dass  Vergebung der höchste Ausdruck der Nächstenliebe ist.

Papst Franziskus hat bei einem Treffen mit Zehntausenden Jugendlichen im Juni diesen Jahres in Turin zu sexueller Enthaltsamkeit  aufgerufen. „Seid keusch!“, rief der Papst den Jugendlichen zu.

Das Wort „keusch“ sei nicht mehr populär und werde nicht gern gehört, „aber auch ein Papst muss einmal die Wahrheit aussprechen“, sagte er bei dem Treffen. Wahre Liebe dürfe nicht mit romantischen Gefühlen verwechselt werden. Oft stehe hinter der Absage an Enthaltsamkeit nur das eigene Bedürfnis und keine echte Liebe für den anderen. Die zeige sich vielmehr im verantwortlichen Handeln füreinander. „Seid keusch!“ – das war Papst Franziskus in Turin, am 21. Juni diesen Jahres.

 

Maria Teresa Goretti, geboren am 16. Oktober 1890 in Corinaldo, gestorben am 6. Juli 1902 in Nettuno in der Region Latium. Sie ist eine italienische Märtyrerin und Heilige. Im Alter von elf Jahren wurde sie das Opfer eines brutalen Mordes. 1950 wurde sie von Papst Pius XII. heiliggesprochen.

Marias Eltern, Luigi Goretti und Assunta Carlini, die aus Corinaldo in den Marken stammten, waren einfache Bauern und hatten sieben Kinder, von denen Maria das drittälteste war. Marias Leben verlief, bis zu ihrer Vergewaltigung, nicht anders als das vieler anderer Bauernkinder. Dürftige Schulbildung, geringe Lesefähigkeit, wenn nicht sogar Analphabetismus. Haus- und Feldarbeit von frühester Kindheit an. Als Maria Goretti kurz vor ihrem 12. Geburtstag starb, war sie nur 1,38 Meter groß, untergewichtig und hatte bereits Symptome einer fortgeschrittenen Malariaerkrankung. Eine damals wegen der sumpfigen Gegend weitverbreitete Epidemie.

1897 zog die Familie in den Agro Pontino, in die Pontinische Ebene, in das Dorf Ferriere bei Nettuno, wo sie neues Land gepachtet hatten. Der Agro Pontino südöstlich von Rom hieß damals auch Paludi Pontine, Pontinische Sümpfe, weil es sich um ein von der Malaria heimgesuchtes Sumpfgebiet handelte. Erst in den 1930er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte der Diktator Benito Mussolini die Sümpfe trockenlegen lassen.

Hier also, in dieser von großer Armut geplagten Gegend, betrieb die Familie Goretti zusammen mit der Familie Serenelli eine kleine landwirtschaftliche Genossenschaft. Nach einem Jahr starb Marias Vater an Malaria. So musste das kleine Mädchen zusammen mit der Mutter die Familie versorgen. An ihrem elften Geburtstag empfing sie die erste heilige Kommunion.

Alessandro Serenelli, der 16-jährige Sohn der Partnerfamilie, stellte der jungen Maria ständig nach und belästigte sie. Am 5. Juli 1902 versuchte er, das elfjährige Mädchen zu vergewaltigen. "Nein, nein", schrie sie, "das ist Sünde, Alessandro, du kommst in die Hölle." Als sich Maria widersetzte, stach Alessandro – gekränkt und wütend wegen der Zurückweisung – mit einem Stecheisen vierzehn Mal auf sie ein. Nach einer erfolglosen Notoperation im Krankenhaus von Nettuno starb Maria am folgenden Tag. Als sie im Sterben lag, vergab sie ihrem Mörder mit den Worten: "Ich verzeihe dir; ich will dich bei mir im Himmel sehen“, waren ihre letzten Worte.

Alessandro wurde zu 30 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Der Überlieferung nach bereute er seine Tat, als er Visionen hatte, in denen Maria ihm erschien und ihm Blumen schenkte. An Weihnachten 1928, nach 27 Jahren, wurde er wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen. Sofort begab er sich zu Marias Mutter und bat sie um Vergebung für seine Tat. Bald darauf trat er als Laienbruder in den Kapuzinerorden ein. Am 6. Mai 1970 starb er im Alter von fast 88 Jahren im Kapuzinerkloster von Macerata in den Marken.

Marias Grab befindet sich in der nach ihr benannten Kirche in Nettuno südlich von Rom. Maria Goretti wird dargestellt als junges Mädchen mit Lilie und Märtyrerpalme.

Bereits während der Zeit des Faschismus begannen die einfachen Menschen, insbesondere die Bauern, Maria Goretti zu verehren, was vom Regime Mussolini benutzt wurde, um einen Zugang zu dieser Bevölkerungsschicht zu finden. In der Nachkriegszeit, als sich für die Frau eine neue Rolle in Familie und Gesellschaft langsam abzeichnete, wurde Maria Goretti und ihr Martyrium von der Kirche und ihr Bild als tugendhafte Jugendliche besonders hervorgehoben.

Alessandro Serenelli, ihr Mörder, charakterisierte sie mit folgenden Worten:

"Ich habe sie nicht anders gekannt als gut, den Eltern gehorsam, gottesfürchtig, ernst, nicht leichtsinnig und launenhaft wie andere Mädchen; auf der Straße war sie immer bescheiden und ausschließlich darauf bedacht, die empfangenen Aufträge auszuführen."

Am 27. April 1947 wurde die "verehrungswürdige Dienerin Gottes" Maria Goretti von Papst Pius XII. in einer feierlichen Zeremonie seliggesprochen. Unter Seligsprechung versteht man in der katholischen Kirche die feierliche Erklärung, dass ein Verstorbener der "ewigen Herrlichkeit teilhaftig" geworden ist, also in den Himmel aufgenommen wurde, und dadurch in die Lage versetzt wurde, sich für Menschen einzusetzen, die in ihrem Namen beten. Die Seligsprechung wird Gläubigen zuteil, die ein besonders vorbildhaftes Leben geführt haben. Im Unterschied zur Heiligsprechung wird dadurch aber nur eine lokale öffentliche Verehrung gestattet. Selige dürfen zwar verehrt werden, aber nur in einzelnen Gemeinschaften. Heilige haben hingegen weltweite Bedeutung für die Gesamtkirche. Für Pius XII. war Maria Goretti ein strahlendes Ideal und Vorbild der Selbstbewahrung.

Zur Heiligsprechung von Maria Goretti führten dann zwei wundersame Heilungen, die von Anna Grossi Musumarra am 4. Mai 1947 und die des Arbeiters Giuseppe Cupe am 8. Mai des selben Jahres. Anna Grossi litt an einer schweren Brustfellentzündung. Ein Familienmitglied begab sich zum Reliquienschrein der Heiligen, nahm dort einige Blätter von den Blumen am Schrein und brachte sie der Kranken, die die Blätter zu sich nahm und 24 Stunden später gesund war. Giuseppe Cupi hingegen war ein gewaltiger Steinblock auf einen Fuß gefallen und hatte diesen zerquetscht. Er empfahl sich Maria Goretti an. Schmerz und Geschwulst verschwanden, und er konnte noch am selben Tag zur Arbeit zurückkehren.

Am 24. Juni 1950 wurde Maria Goretti von Pius XII. auf dem Petersplatz in Rom heiliggesprochen. Eine ungeheure Menschenmenge – mehrere Hunderttausend sollen es gewesen sein – hatte sich auf dem Petersplatz versammelt. Viele Pilger waren von weit hergekommen, war doch das Jahr 1950 ein Heiliges Jahr. Die Mutter Maria Gorettis konnte – inzwischen 85jährig - anwesend sein. Auch ihr reuiger Mörder Alessandro Serinelli kam zur Heiligsprechung. 1951 wurde Maria Goretti Patronin der Marianischen Kongregationen. Der 6. Juli ist ihr als Gedenktag gewidmet.

Aldo Parmeggiani

(rv 23.09.2015 ap)








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