2015-09-10 13:26:00

Deutsche Bischöfe besuchten römische Synagoge


Deutsche Bischöfe haben an diesem Mittwochabend erstmals offiziell die römische Synagoge besucht. Oberrabbiner Riccardo Di Segni empfing die Gäste, darunter den Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff und den Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, und führte sie durch das jüdische Gebetshaus am Tiber. Anlass der Begegnung war der 50. Jahrestag der Konzilserklärung „Nostra Aetate“, die das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum und den anderen Religionen auf eine neue Basis stellte.

In seiner Ansprache würdigte Mussinghoff die Konzilserklärung als „Dokument der Umkehr“. Die katholische Kirche habe sich darin „von einer Kultur der Vorurteile, der Missachtung und der Gleichgültigkeit gegenüber den Juden abgewendet und die theologischen Grundlagen für ein Verhältnis der Wertschätzung, des Dialogs und der Freundschaft gelegt“, so Mussinghoff. Aus heutiger Sicht habe das Dokument auch Grenzen, räumte der Bischof im Gespräch mit Radio Vatikan ein, dennoch sei es ein Meilenstein gewesen.

„Wenn man etwas Neues beginnt, ist das immer auch umstritten und umkämpft. Manchmal um ein Dokument hinzubekommen sagt man, klammern wir diese Frage aus, das wird sich schon ergeben. Und nach 50 Jahren kann man auch sehen, welche Schritte getan wurden und wie sich langsam das Denken ändert. Wir müssen sehr aufpassen, dass nicht die alten Gedanken wiederkommen, die auch in unserer Gesellschaft virulent sind, dass man da etwas dagegensetzt.“

Oberrabbiner Di Segni bekräftigte gegenüber Radio Vatikan, „Nostra Aetate“ sei „vor 50 Jahren ein revolutionäres Dokument“ gewesen, das „sehr weit voneinander entfernte oder sogar unvereinbare Positionen miteinander versöhnen musste“.

„In dem Dokument wurden also einige Dinge gewissermaßen mit zusammengebissenen Zähnen gesagt. So wurde sogar der Antisemitismus bloß „bedauert“, nicht aber „verurteilt“, um eine Vorstellung vom Klima damals zu geben. Da sind also politische Grenzen in dem Dokument, Auslassungen, und auch theologische Probleme, die bis heute noch nicht gelöst sind und gelöst werden müssen. Aber bezogen auf seine Grenzen war die historische Wirkung des Dokuments grundlegend.“

Folge der gemeinsam zurückgelegten Schritte sei auch diese Visite. Di Segni sagte vor den Gästen, ein Besuch deutscher Bischöfe in der römischen Synagoge wäre „vor zehn oder 20 Jahren“ noch nicht möglich gewesen.

„Hinter diesem Besuch liegt ein Weg, der, wie ich mir vorstelle, für die deutsche Kirche sehr mühsam war, weil sie die ganze Geschichte, die es gab, zu revidieren hatte. Ein Weg, der schwierig ist für die Kirche allgemein und für die deutsche Kirche im Besonderen. Es ist ein Prozess des Verstehens, der Bischof hat in seiner Rede das Wort „Umkehr“ benutzt, im jüdischen Sinn heißt das, auf einem Weg auf den eigenen Spuren umzukehren. Und das sind keine einfachen Vorgänge.“

Ähnliches gelte aber auch für die jüdische Gemeinde Roms, sagte Di Segni.

„Die Gemeinde, in der ich geboren bin, ist allgemein eine Gemeinde, die sich vom deutschen Volk tief verletzt fühlt. Sie hat da für 20, 30, 40 Jahre große Distanz gewahrt. Es braucht viel Zeit, damit Wunden ausheilen. Da braucht es neue Generationen und neue Gedanken. Wenn wir es jetzt zu diesem Besuch gebracht haben, wenigstens, fassen wir das positiv auf.“

Dass der christlich-jüdische Dialog auch 50 Jahre nach „Nostra Aetate“ noch nicht am Ziel angekommen ist, sagte auch Pater Christian Rutishauser, der auf deutscher Seite der Besuchsdelegation angehörte. Als Judaist berät der Schweizer Jesuit sowohl die Deutsche Bischofskonferenz als auch Papst Franziskus in Fragen des christlich-jüdischen Dialogs. Rutishauser ortet hier derzeit drei Hauptfelder:

„Das eine ist, wie wird das Resultat des christlich-jüdischen Dialogs popularisiert, dass es wirklich an die Basis kommt, an eine breite Bevölkerung, ins Kirchenvolk hinein. Das ist eine Hauptaufgabe, die wir heute noch haben, was es heißt, Christ zu sein angesichts des Judentums.“

Zweitens gehe es um bestimmte theologische Fragen, die zugleich politisch aktuell seien: das Gebiet „Land-Staat-Israel“.

„Was für ein Verhältnis hat die Kirche zum Staat Israel, ist das eine rein säkulare politische Angelegenheit? Was spielt Religion da für einen Faktor? Jetzt haben wir israelische Strömungen innerhalb der Gesellschaft, da ist die Frage, wie geht die israelische Gesellschaft damit um, wie gehen wir Christen damit um, das ist die zweite große Frage.“

Der dritte neuralgische Punkt im christlich-jüdischen Dialog sei die Frage einer Judenmission aufseiten der katholischen Kirche.

„Wie geht der christliche Wahrheitsanspruch – die Päpste sprechen von Neu-Evangelisierung – zusammen mit dem Dialog gegenüber den Juden? Müssen Juden letztendlich doch auch sich taufen lassen? Die katholische Kirche hat ganz klar keine Institution, die sich mit der Taufe des Judentums befasst, weil die Juden sind bereits beim Gott der Bibel, sie haben einen Sonderstatus im Verhältnis zu dem, was Jesus betrifft. Hier sind ganz viele theologische Fragen offen, die werden in Fachkreisen heftig diskutiert.“

Im letzten lösbar sei die Frage nicht, sagte Rutishauser. Er sagte, Papst Franziskus werde zum 50. Jahrestag von „Nostra Aetate“ ein Dokument zur Frage des christlich-jüdischen Dialogs veröffentlichen.

Bischof Mussinghoff reiste in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum der Deutschen Bischofskonferenz nach Rom. Weihbischof Jaschke leitet die Unterkommission für den Interreligiösen Dialog.

(rv 10.09.2015 gs)








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