2015-08-18 11:20:00

Albanien und Kosovo: „Komplizierte Gemengelage“


Denkt man an die derzeitige Flüchtlingsproblematik, so kommen wohl als erstes die Mittelmeerflüchtlinge aus Nordafrika in den Sinn. Doch viele der Flüchtlinge, die im deutschen Sprachraum leben, kommen eher aus Südosteuropa, genauer gesagt aus Albanien und dem Kosovo. Albanien gilt mittlerweile in Österreich als „sicheres Herkunftsland", weil es dort keine systematische Verfolgung und damit keinen Grund für Asyl gibt. In Deutschland wird zur Zeit debattiert, ob die beiden Länder den Status bekommen sollen, der ein vereinfachtes Asylverfahren und eine einfacherer Abschiebung möglich machen würde.

Der deutsche Caritas-Präsident Peter Neher ist derzeit gemeinsam mit dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki vor Ort in Albanien und im Kosovo. „Das ist viel schwieriger als wir vordergründig denken“, so Neher zum Domradio in Köln. „In Albanien sind die Eindrücke durchaus so, dass man auf den ersten Blick nicht von Verfolgung sprechen kann. Auch wenn es hier viel Korruption gibt und die alte politische Klasse unter neuem Namen weiter handelt, kann man von systematischer Verfolgung nicht sprechen. Man kann aber schon sagen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen wie die Roma ausgegrenzt werden. Sie werden nicht beachtet und nicht besonders gefördert. Es ist eine komplizierte Gesamtlage, die aber durchaus so ist, dass man in Albanien leben kann.“

Neher und Kardinal Woelki hatten eine Reihe politisch kirchlicher Gespräche. Sie waren unter anderem in einer Armensiedlung am Stadtrand von Tirana und haben dort mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gesprochen, „die unter wirklich desolaten Verhältnissen an einem Fluss hausen“. „Das charakteristische Merkmal aus allen Gesprächen ist, dass keine Hoffnung besteht“, beschreibt Neher seine Eindrücke. „Die Gesamtsituation im Land wird als so desolat eingeschätzt. Die Menschen sehen eigentlich keine Zukunft. Dieser Umstand bekümmert mich am meisten. Von daher glaube ich, dass die ganze Frage nach dem schnellen Abschieben aus bestimmten Herkunftsländern viel zu kurz greift. Man muss da viel tiefer ansetzen und gemeinsam mit allen Verantwortlichen überlegen, wie man in dieser schwierigen Gemengelage Lösungen findet und entsprechende Schritte einleitet.“

Bei dem Besuch aus Deutschland ging es auch darum, sich ein Bild über das Engagement der katholischen Kirche zu machen. „Die deutsche Caritas arbeitet seit vielen Jahren mit der Caritas in Albanien und dem Kosovo zusammen. Wir sind dort beispielsweise sehr engagiert was die Flutopfer im Frühjahr angeht, als es im Süden Albaniens schreckliche Überschwemmungen gab. Dort haben wir gemeinsam mit den Menschen versucht, die Häuser wieder aufzubauen. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit liegt auch in dem Armutsviertel, das wir besucht haben. Wir versuchen den Kindern und Jugendlichen dort ergänzend zum Schulbesuch praktische Unterstützung und Hilfestellung zu geben, wie man den Alltag bewältigen kann. Das sind ganz zentrale Punkte, bei denen wir hier die Caritas in Albanien tatkräftig unterstützen. In dieser schwierigen Situation ist die Hilfe besonders gefragt. Wir waren auch in einem staatlichen Aufnahmelager für Flüchtlinge in Tirana. Auch dort ist die Caritas Albanien sehr engagiert und hilft, dass ein einigermaßen menschenwürdiges Leben möglich ist, soweit es unter diesen Bedingungen geht.“

 

(domradio 18.07.2015 mg)








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